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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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I. Die Zeit der Salier.
Gregor durch ein geschickt abgestuftes System von Strenge und
Milde gespalten, die Volksmassen aber waren allenthalben im
Reiche von den kirchlichen Vorstellungen doch so tief ergriffen,
daß der Bann, welcher einen völligen Ausschluß aus der kirch-
lichen, damals also menschlichen Gesellschaft bedeutete und für
jeden, der mit dem Ausgestoßenen verkehrte, die gleiche Ex-
kommunikation nach sich zog, je länger, desto mehr ein voll-
kommen lähmendes Hemmnis für jede Art von Regierungstätigkeit
des Königs wurde. Mochte er daher auch anfangs noch unver-
änderlich an seinem Standpunkte festhalten und auf die Kunde
aus Rom Bann mit Bann erwidern, mochte er unter Berufung auf
die beiden Christus dargebotenen Schwerter im Lukasevangelium
die Gleichordnung der königlichen und priesterlichen Gewalt be-
tonen, -- seine Sache war doch bereits im Abflauen, als nun um
die Mitte des Jahres im Norden und Süden des Reiches der
öffentliche Abfall begann. Die sächsischen Großen, als Geiseln der
Obhut einzelner Fürsten anvertraut, wurden von diesen aus der
Haft entlassen, eilten in die Heimat und riefen das Volk zu den
Waffen. Nach einigem Zögern übte auch Otto von Nordheim,
den Heinrich nach dem Sachsensiege durch Zugeständnisse ge-
wonnen und ganz in sein Vertrauen gezogen hatte, Verrat und
trat an die Spitze der Aufständischen. Die sächsische Opposition
schloß sich mit der süddeutschen der Herzoge zusammen; auf
einem Tage in Tribur sollte im Oktober gemeinsam eine Ent-
scheidung über die Sache des Reiches getroffen werden.

Der entstellende Bericht Lamberts von Hersfeld über diese
Versammlung ist erst durch die neuere Forschung gereinigt worden.
Heinrich selbst lagerte mit Truppenmacht am linken Rheinufer
bei Oppenheim, noch keineswegs zur Nachgiebigkeit geneigt, bis
sich die Vorgänge auf dem Lügenfelde bei Kolmar zu wiederholen
schienen, und unter der Einwirkung von päpstlichen Legaten der
Übergang seiner Leute ins Lager der Gegner begann. Da mußte
er sich zu einem Ausgleich bequemen, der ihm demütigende Be-
dingungen auferlegte. Den Fürsten mußte er die Entlassung seiner
Ratgeber, die Preisgabe der getreuen Wormser Bürger und die
vorläufige Enthaltung von den Regierungsgeschäften zugestehen, an
den Papst aber ein Entschuldigungsschreiben richten, welches das
Eingeständnis seiner Verfehlung und das Versprechen von Genug-
tuung und Gehorsam enthielt. Vielleicht hat Heinrich den Text
dann doch selbstbewußter gestaltet, als seiner Abmachung mit den
Fürsten entsprach. 1) Würde schon das dafür sprechen, daß er

1) Die Ansichten der Forscher über den auf uns gekommenen Wortlaut
des Schreibens (M. G. Const. I, 114) gehen freilich weit auseinander. Auch

I. Die Zeit der Salier.
Gregor durch ein geschickt abgestuftes System von Strenge und
Milde gespalten, die Volksmassen aber waren allenthalben im
Reiche von den kirchlichen Vorstellungen doch so tief ergriffen,
daß der Bann, welcher einen völligen Ausschluß aus der kirch-
lichen, damals also menschlichen Gesellschaft bedeutete und für
jeden, der mit dem Ausgestoßenen verkehrte, die gleiche Ex-
kommunikation nach sich zog, je länger, desto mehr ein voll-
kommen lähmendes Hemmnis für jede Art von Regierungstätigkeit
des Königs wurde. Mochte er daher auch anfangs noch unver-
änderlich an seinem Standpunkte festhalten und auf die Kunde
aus Rom Bann mit Bann erwidern, mochte er unter Berufung auf
die beiden Christus dargebotenen Schwerter im Lukasevangelium
die Gleichordnung der königlichen und priesterlichen Gewalt be-
tonen, — seine Sache war doch bereits im Abflauen, als nun um
die Mitte des Jahres im Norden und Süden des Reiches der
öffentliche Abfall begann. Die sächsischen Großen, als Geiseln der
Obhut einzelner Fürsten anvertraut, wurden von diesen aus der
Haft entlassen, eilten in die Heimat und riefen das Volk zu den
Waffen. Nach einigem Zögern übte auch Otto von Nordheim,
den Heinrich nach dem Sachsensiege durch Zugeständnisse ge-
wonnen und ganz in sein Vertrauen gezogen hatte, Verrat und
trat an die Spitze der Aufständischen. Die sächsische Opposition
schloß sich mit der süddeutschen der Herzoge zusammen; auf
einem Tage in Tribur sollte im Oktober gemeinsam eine Ent-
scheidung über die Sache des Reiches getroffen werden.

Der entstellende Bericht Lamberts von Hersfeld über diese
Versammlung ist erst durch die neuere Forschung gereinigt worden.
Heinrich selbst lagerte mit Truppenmacht am linken Rheinufer
bei Oppenheim, noch keineswegs zur Nachgiebigkeit geneigt, bis
sich die Vorgänge auf dem Lügenfelde bei Kolmar zu wiederholen
schienen, und unter der Einwirkung von päpstlichen Legaten der
Übergang seiner Leute ins Lager der Gegner begann. Da mußte
er sich zu einem Ausgleich bequemen, der ihm demütigende Be-
dingungen auferlegte. Den Fürsten mußte er die Entlassung seiner
Ratgeber, die Preisgabe der getreuen Wormser Bürger und die
vorläufige Enthaltung von den Regierungsgeschäften zugestehen, an
den Papst aber ein Entschuldigungsschreiben richten, welches das
Eingeständnis seiner Verfehlung und das Versprechen von Genug-
tuung und Gehorsam enthielt. Vielleicht hat Heinrich den Text
dann doch selbstbewußter gestaltet, als seiner Abmachung mit den
Fürsten entsprach. 1) Würde schon das dafür sprechen, daß er

1) Die Ansichten der Forscher über den auf uns gekommenen Wortlaut
des Schreibens (M. G. Const. I, 114) gehen freilich weit auseinander. Auch
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[50/0058] I. Die Zeit der Salier. Gregor durch ein geschickt abgestuftes System von Strenge und Milde gespalten, die Volksmassen aber waren allenthalben im Reiche von den kirchlichen Vorstellungen doch so tief ergriffen, daß der Bann, welcher einen völligen Ausschluß aus der kirch- lichen, damals also menschlichen Gesellschaft bedeutete und für jeden, der mit dem Ausgestoßenen verkehrte, die gleiche Ex- kommunikation nach sich zog, je länger, desto mehr ein voll- kommen lähmendes Hemmnis für jede Art von Regierungstätigkeit des Königs wurde. Mochte er daher auch anfangs noch unver- änderlich an seinem Standpunkte festhalten und auf die Kunde aus Rom Bann mit Bann erwidern, mochte er unter Berufung auf die beiden Christus dargebotenen Schwerter im Lukasevangelium die Gleichordnung der königlichen und priesterlichen Gewalt be- tonen, — seine Sache war doch bereits im Abflauen, als nun um die Mitte des Jahres im Norden und Süden des Reiches der öffentliche Abfall begann. Die sächsischen Großen, als Geiseln der Obhut einzelner Fürsten anvertraut, wurden von diesen aus der Haft entlassen, eilten in die Heimat und riefen das Volk zu den Waffen. Nach einigem Zögern übte auch Otto von Nordheim, den Heinrich nach dem Sachsensiege durch Zugeständnisse ge- wonnen und ganz in sein Vertrauen gezogen hatte, Verrat und trat an die Spitze der Aufständischen. Die sächsische Opposition schloß sich mit der süddeutschen der Herzoge zusammen; auf einem Tage in Tribur sollte im Oktober gemeinsam eine Ent- scheidung über die Sache des Reiches getroffen werden. Der entstellende Bericht Lamberts von Hersfeld über diese Versammlung ist erst durch die neuere Forschung gereinigt worden. Heinrich selbst lagerte mit Truppenmacht am linken Rheinufer bei Oppenheim, noch keineswegs zur Nachgiebigkeit geneigt, bis sich die Vorgänge auf dem Lügenfelde bei Kolmar zu wiederholen schienen, und unter der Einwirkung von päpstlichen Legaten der Übergang seiner Leute ins Lager der Gegner begann. Da mußte er sich zu einem Ausgleich bequemen, der ihm demütigende Be- dingungen auferlegte. Den Fürsten mußte er die Entlassung seiner Ratgeber, die Preisgabe der getreuen Wormser Bürger und die vorläufige Enthaltung von den Regierungsgeschäften zugestehen, an den Papst aber ein Entschuldigungsschreiben richten, welches das Eingeständnis seiner Verfehlung und das Versprechen von Genug- tuung und Gehorsam enthielt. Vielleicht hat Heinrich den Text dann doch selbstbewußter gestaltet, als seiner Abmachung mit den Fürsten entsprach. 1) Würde schon das dafür sprechen, daß er 1) Die Ansichten der Forscher über den auf uns gekommenen Wortlaut des Schreibens (M. G. Const. I, 114) gehen freilich weit auseinander. Auch

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/58>, abgerufen am 01.05.2024.