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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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I. Die Zeit der Salier.
gemäßigteren Form der Zinsforderung auch auf Frankreich und
Polen erhob, wie er Europa bereits als eine Einheit unter der
kirchlichen Spitze ansah und von einer großen, gemeinsamen Unter-
nehmung unter päpstlicher Führung gegen den Orient träumte, die
bald genug in dem ersten Kreuzzuge zur Wirklichkeit wurde. Die
Leitsätze, die sich unter der Überschrift "Dictatus papae" in Gregors
Register finden, rühren wohl nicht von ihm selbst, dürfen aber als
Programm der gregorianischen Partei unzweifelhaft gelten 1), Darin
wird das Recht, den Kaiser abzusetzen und selbst kaiserliche In-
signien zu tragen, ausdrücklich für den Papst in Anspruch genommen.
Je mehr das Kaisertum nach seiner Idee und seiner Ableitung aus
dem Römerreiche mit dem Papsttum als friedenverbürgende Vor-
macht Europas konkurrierte, und je enger das Band zwischen ihm
und der deutschen Kirche geschlungen war, desto heftiger mußte
der Zusammenstoß zwischen Papsttum und Reichsgewalt werden. --

Eine Weile liefen die Wege Heinrichs und Gregors noch
nebeneinander, ohne sich zu kreuzen. Wie der König mit seinen
deutschen Angelegenheiten vollauf beschäftigt war, so hatte auch
der Papst in Italien mit der Unbotmäßigkeit des Normannenherzogs
Robert Guiskard, mit der Unsicherheit der römischen Zustände,
mit der Gegnerschaft der reformfeindlichen lombardischen Bischöfe
zu schaffen. Inzwischen begann er mit der Verwirklichung der
schon so oft erhobenen kirchlichen Forderungen des Priesterzölibats
und des Simonieverbotes in Deutschland Ernst zu machen. Dabei
stieß er indes auf den passiven Widerstand der deutschen Bischöfe,
die ihrerseits angesichts der Erbitterung der beweibten Kleriker die
Unmöglichkeit einer raschen Durchführung einsahen und überdies
durch mannigfache Eingriffe des Papstes in ihre Rechte gereizt
waren. Gregor aber hielt sich an die Bischöfe, die ebendamals
infolge der deutschen Gegensätze einer nachdrücklichen Unter-
stützung des königlichen Hofes entbehrten, und ging mit scharfen
Strafen gegen sie vor. Das steigerte die Entrüstung. Erzbischof
Liemar von Bremen schrieb vertraulich über den Papst: "Dieser
gefährliche Mensch maßt sich an, Bischöfen zu befehlen wie seinen
Gutsverwaltern; wenn sie nicht alles tun, was er will, so müssen
sie entweder nach Rom kommen oder sie werden ohne Urteil sus-
pendiert." Dieser Gegensatz vor allem trieb den deutschen Epis-
kopat wieder auf die Seite Heinrichs, mit dem Gregor damals indes
noch in freundlichem Briefwechsel stand.

1) Kulot in seiner Greifswalder Diss. 1907 leitet die wesentlichsten Be-
standteile aus Deusdedit, Bonizo und Anselm v. Lucca her und läßt die Ver-
fasserfrage offen.

I. Die Zeit der Salier.
gemäßigteren Form der Zinsforderung auch auf Frankreich und
Polen erhob, wie er Europa bereits als eine Einheit unter der
kirchlichen Spitze ansah und von einer großen, gemeinsamen Unter-
nehmung unter päpstlicher Führung gegen den Orient träumte, die
bald genug in dem ersten Kreuzzuge zur Wirklichkeit wurde. Die
Leitsätze, die sich unter der Überschrift „Dictatus papae“ in Gregors
Register finden, rühren wohl nicht von ihm selbst, dürfen aber als
Programm der gregorianischen Partei unzweifelhaft gelten 1), Darin
wird das Recht, den Kaiser abzusetzen und selbst kaiserliche In-
signien zu tragen, ausdrücklich für den Papst in Anspruch genommen.
Je mehr das Kaisertum nach seiner Idee und seiner Ableitung aus
dem Römerreiche mit dem Papsttum als friedenverbürgende Vor-
macht Europas konkurrierte, und je enger das Band zwischen ihm
und der deutschen Kirche geschlungen war, desto heftiger mußte
der Zusammenstoß zwischen Papsttum und Reichsgewalt werden. —

Eine Weile liefen die Wege Heinrichs und Gregors noch
nebeneinander, ohne sich zu kreuzen. Wie der König mit seinen
deutschen Angelegenheiten vollauf beschäftigt war, so hatte auch
der Papst in Italien mit der Unbotmäßigkeit des Normannenherzogs
Robert Guiskard, mit der Unsicherheit der römischen Zustände,
mit der Gegnerschaft der reformfeindlichen lombardischen Bischöfe
zu schaffen. Inzwischen begann er mit der Verwirklichung der
schon so oft erhobenen kirchlichen Forderungen des Priesterzölibats
und des Simonieverbotes in Deutschland Ernst zu machen. Dabei
stieß er indes auf den passiven Widerstand der deutschen Bischöfe,
die ihrerseits angesichts der Erbitterung der beweibten Kleriker die
Unmöglichkeit einer raschen Durchführung einsahen und überdies
durch mannigfache Eingriffe des Papstes in ihre Rechte gereizt
waren. Gregor aber hielt sich an die Bischöfe, die ebendamals
infolge der deutschen Gegensätze einer nachdrücklichen Unter-
stützung des königlichen Hofes entbehrten, und ging mit scharfen
Strafen gegen sie vor. Das steigerte die Entrüstung. Erzbischof
Liemar von Bremen schrieb vertraulich über den Papst: „Dieser
gefährliche Mensch maßt sich an, Bischöfen zu befehlen wie seinen
Gutsverwaltern; wenn sie nicht alles tun, was er will, so müssen
sie entweder nach Rom kommen oder sie werden ohne Urteil sus-
pendiert.“ Dieser Gegensatz vor allem trieb den deutschen Epis-
kopat wieder auf die Seite Heinrichs, mit dem Gregor damals indes
noch in freundlichem Briefwechsel stand.

1) Kulot in seiner Greifswalder Diss. 1907 leitet die wesentlichsten Be-
standteile aus Deusdedit, Bonizo und Anselm v. Lucca her und läßt die Ver-
fasserfrage offen.
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[46/0054] I. Die Zeit der Salier. gemäßigteren Form der Zinsforderung auch auf Frankreich und Polen erhob, wie er Europa bereits als eine Einheit unter der kirchlichen Spitze ansah und von einer großen, gemeinsamen Unter- nehmung unter päpstlicher Führung gegen den Orient träumte, die bald genug in dem ersten Kreuzzuge zur Wirklichkeit wurde. Die Leitsätze, die sich unter der Überschrift „Dictatus papae“ in Gregors Register finden, rühren wohl nicht von ihm selbst, dürfen aber als Programm der gregorianischen Partei unzweifelhaft gelten 1), Darin wird das Recht, den Kaiser abzusetzen und selbst kaiserliche In- signien zu tragen, ausdrücklich für den Papst in Anspruch genommen. Je mehr das Kaisertum nach seiner Idee und seiner Ableitung aus dem Römerreiche mit dem Papsttum als friedenverbürgende Vor- macht Europas konkurrierte, und je enger das Band zwischen ihm und der deutschen Kirche geschlungen war, desto heftiger mußte der Zusammenstoß zwischen Papsttum und Reichsgewalt werden. — Eine Weile liefen die Wege Heinrichs und Gregors noch nebeneinander, ohne sich zu kreuzen. Wie der König mit seinen deutschen Angelegenheiten vollauf beschäftigt war, so hatte auch der Papst in Italien mit der Unbotmäßigkeit des Normannenherzogs Robert Guiskard, mit der Unsicherheit der römischen Zustände, mit der Gegnerschaft der reformfeindlichen lombardischen Bischöfe zu schaffen. Inzwischen begann er mit der Verwirklichung der schon so oft erhobenen kirchlichen Forderungen des Priesterzölibats und des Simonieverbotes in Deutschland Ernst zu machen. Dabei stieß er indes auf den passiven Widerstand der deutschen Bischöfe, die ihrerseits angesichts der Erbitterung der beweibten Kleriker die Unmöglichkeit einer raschen Durchführung einsahen und überdies durch mannigfache Eingriffe des Papstes in ihre Rechte gereizt waren. Gregor aber hielt sich an die Bischöfe, die ebendamals infolge der deutschen Gegensätze einer nachdrücklichen Unter- stützung des königlichen Hofes entbehrten, und ging mit scharfen Strafen gegen sie vor. Das steigerte die Entrüstung. Erzbischof Liemar von Bremen schrieb vertraulich über den Papst: „Dieser gefährliche Mensch maßt sich an, Bischöfen zu befehlen wie seinen Gutsverwaltern; wenn sie nicht alles tun, was er will, so müssen sie entweder nach Rom kommen oder sie werden ohne Urteil sus- pendiert.“ Dieser Gegensatz vor allem trieb den deutschen Epis- kopat wieder auf die Seite Heinrichs, mit dem Gregor damals indes noch in freundlichem Briefwechsel stand. 1) Kulot in seiner Greifswalder Diss. 1907 leitet die wesentlichsten Be- standteile aus Deusdedit, Bonizo und Anselm v. Lucca her und läßt die Ver- fasserfrage offen.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/54>, abgerufen am 30.04.2024.