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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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I. Die Zeit der Salier.
Kraftanstrengung zu wagen. Welches Wirrsal unheilvoller Wider-
sprüche! Das Kaisertum, das die Papstkirche erneuert hatte,
schwenkte nun plötzlich um. An der Seite der Reformfeinde sollte
den Kampf eine Regentin führen, die zum Zeichen ihrer völligen
Hingabe an die Ideale der Reformer ebendamals den Nonnen-
schleier nahm. Die deutschen Bischöfe, die durch das Streben der
Kurie, zunächst einmal die Metropoliten durch Gehorsamseid und
persönliche Pallieneinholung zu päpstlichen Werkzeugen herabzu-
drücken, wohl hätten stutzig werden können, standen lau abseits
oder erkannten wohl gar den Reformpapst an. Je nach den augen-
blicklichen Einflüssen wechselten Überstürzung und Zaghaftigkeit in
den Maßnahmen der Regierung. So war der Kampf unmöglich zu
führen.

Diese unhaltbaren Verhältnisse waren es, die mit anderen zu-
sammen den Staatsstreich von Kaiserswerth veranlaßten. Der da-
durch hervorgerufene Regierungswechsel brachte eine völlig ver-
änderte Stellungnahme im kirchenpolitischen Streit. Die deutschen
Fürsten, die nun mit Anno von Köln an der Spitze die Leitung
der Geschäfte übernahmen, fühlten sich dem Gegenpapst gegenüber
zu nichts verpflichtet und waren innerlich wohl von vornherein zur
Anerkennung Alexanders II. entschlossen; wenn nur ihr fürstliches
Ansehen gewahrt wurde, so kümmerte sie eine Preisgabe kaiserlicher
Rechte wenig. Auf der Augsburger Synode von 1062 setzten sie
ihre Auffassung gegenüber der lombardischen durch. Anstatt die
Rechtmäßigkeit der ohne kaiserliche Mitwirkung vollzogenen Wahl
Alexanders zu bestreiten, beschloß man, seine Anerkennung von einer
Untersuchung über den gegen ihn erhobenen Vorwurf der Simonie
abhängig zu machen, der sich bald als gegenstandslos herausstellte
(1063). Die fortdauernden Kämpfe der beiden Päpste um Rom
machten dann ein erneutes Eingreifen der deutschen Regierung
nötig. Auf der Synode von Mantua (1064) mochte sich Anno
mit dem deutschen Episkopat in der Vorstellung gefallen, das ent-
scheidende Wort in dem Schisma zu sprechen, in Wirklichkeit war
Alexander, der den Vorsitz führte, von vornherein seiner Sache
sicher, und das Reformpapsttum ging durch die stillschweigende
Beseitigung des kaiserlichen Mitwirkungsrechtes bei der Papstwahl
neugestärkt, auch der deutschen Kirche gegenüber, aus dem Streite
hervor.

Immerhin lebten die Hoffnungen der lombardischen Gegner
weiter, so lange der gebannte Cadalus sich wenigstens in seinem
Bistum Parma behauptete. Trotz seiner Jugend hätte der mündig
gewordene Heinrich IV. in dem Spiel der Parteien Italiens wohl
seine Stellung nehmen und vielleicht die Kaiserkrone erlangen

I. Die Zeit der Salier.
Kraftanstrengung zu wagen. Welches Wirrsal unheilvoller Wider-
sprüche! Das Kaisertum, das die Papstkirche erneuert hatte,
schwenkte nun plötzlich um. An der Seite der Reformfeinde sollte
den Kampf eine Regentin führen, die zum Zeichen ihrer völligen
Hingabe an die Ideale der Reformer ebendamals den Nonnen-
schleier nahm. Die deutschen Bischöfe, die durch das Streben der
Kurie, zunächst einmal die Metropoliten durch Gehorsamseid und
persönliche Pallieneinholung zu päpstlichen Werkzeugen herabzu-
drücken, wohl hätten stutzig werden können, standen lau abseits
oder erkannten wohl gar den Reformpapst an. Je nach den augen-
blicklichen Einflüssen wechselten Überstürzung und Zaghaftigkeit in
den Maßnahmen der Regierung. So war der Kampf unmöglich zu
führen.

Diese unhaltbaren Verhältnisse waren es, die mit anderen zu-
sammen den Staatsstreich von Kaiserswerth veranlaßten. Der da-
durch hervorgerufene Regierungswechsel brachte eine völlig ver-
änderte Stellungnahme im kirchenpolitischen Streit. Die deutschen
Fürsten, die nun mit Anno von Köln an der Spitze die Leitung
der Geschäfte übernahmen, fühlten sich dem Gegenpapst gegenüber
zu nichts verpflichtet und waren innerlich wohl von vornherein zur
Anerkennung Alexanders II. entschlossen; wenn nur ihr fürstliches
Ansehen gewahrt wurde, so kümmerte sie eine Preisgabe kaiserlicher
Rechte wenig. Auf der Augsburger Synode von 1062 setzten sie
ihre Auffassung gegenüber der lombardischen durch. Anstatt die
Rechtmäßigkeit der ohne kaiserliche Mitwirkung vollzogenen Wahl
Alexanders zu bestreiten, beschloß man, seine Anerkennung von einer
Untersuchung über den gegen ihn erhobenen Vorwurf der Simonie
abhängig zu machen, der sich bald als gegenstandslos herausstellte
(1063). Die fortdauernden Kämpfe der beiden Päpste um Rom
machten dann ein erneutes Eingreifen der deutschen Regierung
nötig. Auf der Synode von Mantua (1064) mochte sich Anno
mit dem deutschen Episkopat in der Vorstellung gefallen, das ent-
scheidende Wort in dem Schisma zu sprechen, in Wirklichkeit war
Alexander, der den Vorsitz führte, von vornherein seiner Sache
sicher, und das Reformpapsttum ging durch die stillschweigende
Beseitigung des kaiserlichen Mitwirkungsrechtes bei der Papstwahl
neugestärkt, auch der deutschen Kirche gegenüber, aus dem Streite
hervor.

Immerhin lebten die Hoffnungen der lombardischen Gegner
weiter, so lange der gebannte Cadalus sich wenigstens in seinem
Bistum Parma behauptete. Trotz seiner Jugend hätte der mündig
gewordene Heinrich IV. in dem Spiel der Parteien Italiens wohl
seine Stellung nehmen und vielleicht die Kaiserkrone erlangen

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[36/0044] I. Die Zeit der Salier. Kraftanstrengung zu wagen. Welches Wirrsal unheilvoller Wider- sprüche! Das Kaisertum, das die Papstkirche erneuert hatte, schwenkte nun plötzlich um. An der Seite der Reformfeinde sollte den Kampf eine Regentin führen, die zum Zeichen ihrer völligen Hingabe an die Ideale der Reformer ebendamals den Nonnen- schleier nahm. Die deutschen Bischöfe, die durch das Streben der Kurie, zunächst einmal die Metropoliten durch Gehorsamseid und persönliche Pallieneinholung zu päpstlichen Werkzeugen herabzu- drücken, wohl hätten stutzig werden können, standen lau abseits oder erkannten wohl gar den Reformpapst an. Je nach den augen- blicklichen Einflüssen wechselten Überstürzung und Zaghaftigkeit in den Maßnahmen der Regierung. So war der Kampf unmöglich zu führen. Diese unhaltbaren Verhältnisse waren es, die mit anderen zu- sammen den Staatsstreich von Kaiserswerth veranlaßten. Der da- durch hervorgerufene Regierungswechsel brachte eine völlig ver- änderte Stellungnahme im kirchenpolitischen Streit. Die deutschen Fürsten, die nun mit Anno von Köln an der Spitze die Leitung der Geschäfte übernahmen, fühlten sich dem Gegenpapst gegenüber zu nichts verpflichtet und waren innerlich wohl von vornherein zur Anerkennung Alexanders II. entschlossen; wenn nur ihr fürstliches Ansehen gewahrt wurde, so kümmerte sie eine Preisgabe kaiserlicher Rechte wenig. Auf der Augsburger Synode von 1062 setzten sie ihre Auffassung gegenüber der lombardischen durch. Anstatt die Rechtmäßigkeit der ohne kaiserliche Mitwirkung vollzogenen Wahl Alexanders zu bestreiten, beschloß man, seine Anerkennung von einer Untersuchung über den gegen ihn erhobenen Vorwurf der Simonie abhängig zu machen, der sich bald als gegenstandslos herausstellte (1063). Die fortdauernden Kämpfe der beiden Päpste um Rom machten dann ein erneutes Eingreifen der deutschen Regierung nötig. Auf der Synode von Mantua (1064) mochte sich Anno mit dem deutschen Episkopat in der Vorstellung gefallen, das ent- scheidende Wort in dem Schisma zu sprechen, in Wirklichkeit war Alexander, der den Vorsitz führte, von vornherein seiner Sache sicher, und das Reformpapsttum ging durch die stillschweigende Beseitigung des kaiserlichen Mitwirkungsrechtes bei der Papstwahl neugestärkt, auch der deutschen Kirche gegenüber, aus dem Streite hervor. Immerhin lebten die Hoffnungen der lombardischen Gegner weiter, so lange der gebannte Cadalus sich wenigstens in seinem Bistum Parma behauptete. Trotz seiner Jugend hätte der mündig gewordene Heinrich IV. in dem Spiel der Parteien Italiens wohl seine Stellung nehmen und vielleicht die Kaiserkrone erlangen

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/44>, abgerufen am 23.11.2024.