Aber Heinrich, der 1046 seinen ersten Romzug antrat und in Pavia eine Reformsynode abhielt, wollte die Kaiserkrone nur aus reinen Händen nehmen und konnte die Kirchenreform nur mit einem vollkommen einwandfreien Papste durchführen. Sobald sich daher die simonistische Schuld Gregors, der mit dem Könige in Piacenza zusammentraf, herausstellte, war Heinrich entschlossen, ihn fallen zu lassen. Er lud ihn und seinen Gegner Silvester vor die Synode von Sutri (20. Dez. 1046). Dort wurden beide Päpste für abgesetzt erklärt.1) Gregor wanderte nach Köln in die Verbannung, begleitet von seinem Kaplan Hildebrand, dessen bedeutsamer Name hier zum erstenmal in der Geschichte auftaucht. Drei Tage später ward dann auf einer Synode in Rom auch Be- nedikt, der durch den unzulässigen Verkauf allein noch nicht seines Amtes verlustig gehen konnte, abgesetzt, und durch Heinrich der deutsche Bischof Suidger von Bamberg als Klemens II. auf den päpstlichen Stuhl gehoben. Aus seinen Händen empfing Heinrich die Kaiserkrone. Wenn ihm damals außer der kaiser- lichen Würde auch die eines römischen Patriziers übertragen wurde, so war das zwar nur jener uralte Titel, den schon die Karolinger geführt hatten, nicht die Bezeichnung eines besonderen städtischen Amtes2), aber die Erinnerung der jüngeren Zeiten wies doch vor- nehmlich auf jene römischen Adligen, einen Alberich und Creszen- tius, hin, die als Patrizier die Stadt beherrscht und die erste ent- scheidende Stimme bei der Papstwahl gehabt hatten; dasselbe Recht verband sich auch mit Heinrichs Patriziertitel. An die Stelle der blos tatsächlichen Beherrschung des Papsttums in den letzten Zeiten trat somit der volle Einfluß auf die Besetzung des heiligen Stuhles, wie ihn die Ottonen geübt hatten, nicht mehr und nicht weniger! Ganz wie in den Tagen Ottos d. Gr. konnte das Papsttum nur dadurch, daß es aus dem römischen Parteigewirr heraus unter die Fittiche des Kaisertums trat, zu sittlicher Höhe und universaler Bedeutung emporsteigen. Damit schien die kaiserliche Oberherr- schaft aufs neue dauernd befestigt.
Aber die Idee des Papsttums widerstrebte solcher Abhängig- keit, und je reiner sie gerade infolge der Kirchenreform in die Er- scheinung trat, desto stärker wuchs der Drang nach Befreiung. Es ist nicht richtig, daß erst Heinrichs Tod die Machtverschiebung zwischen Kaisertum und Papsttum bewirkt habe; schon zu seinen
1) Die Angabe späterer Quellen, daß bei Gregor VI. in Rücksicht auf die kanonischen Forderungen die Form der Selbstabsetzung angewandt sei, ist sehr zweifelhaft.
2) Das war die Annahme L. v. Heinemann's, Der Patriziat der deutschen Könige, 1888.
§ 2. Heinrich III. (1039‒1056).
Aber Heinrich, der 1046 seinen ersten Romzug antrat und in Pavia eine Reformsynode abhielt, wollte die Kaiserkrone nur aus reinen Händen nehmen und konnte die Kirchenreform nur mit einem vollkommen einwandfreien Papste durchführen. Sobald sich daher die simonistische Schuld Gregors, der mit dem Könige in Piacenza zusammentraf, herausstellte, war Heinrich entschlossen, ihn fallen zu lassen. Er lud ihn und seinen Gegner Silvester vor die Synode von Sutri (20. Dez. 1046). Dort wurden beide Päpste für abgesetzt erklärt.1) Gregor wanderte nach Köln in die Verbannung, begleitet von seinem Kaplan Hildebrand, dessen bedeutsamer Name hier zum erstenmal in der Geschichte auftaucht. Drei Tage später ward dann auf einer Synode in Rom auch Be- nedikt, der durch den unzulässigen Verkauf allein noch nicht seines Amtes verlustig gehen konnte, abgesetzt, und durch Heinrich der deutsche Bischof Suidger von Bamberg als Klemens II. auf den päpstlichen Stuhl gehoben. Aus seinen Händen empfing Heinrich die Kaiserkrone. Wenn ihm damals außer der kaiser- lichen Würde auch die eines römischen Patriziers übertragen wurde, so war das zwar nur jener uralte Titel, den schon die Karolinger geführt hatten, nicht die Bezeichnung eines besonderen städtischen Amtes2), aber die Erinnerung der jüngeren Zeiten wies doch vor- nehmlich auf jene römischen Adligen, einen Alberich und Creszen- tius, hin, die als Patrizier die Stadt beherrscht und die erste ent- scheidende Stimme bei der Papstwahl gehabt hatten; dasselbe Recht verband sich auch mit Heinrichs Patriziertitel. An die Stelle der blos tatsächlichen Beherrschung des Papsttums in den letzten Zeiten trat somit der volle Einfluß auf die Besetzung des heiligen Stuhles, wie ihn die Ottonen geübt hatten, nicht mehr und nicht weniger! Ganz wie in den Tagen Ottos d. Gr. konnte das Papsttum nur dadurch, daß es aus dem römischen Parteigewirr heraus unter die Fittiche des Kaisertums trat, zu sittlicher Höhe und universaler Bedeutung emporsteigen. Damit schien die kaiserliche Oberherr- schaft aufs neue dauernd befestigt.
Aber die Idee des Papsttums widerstrebte solcher Abhängig- keit, und je reiner sie gerade infolge der Kirchenreform in die Er- scheinung trat, desto stärker wuchs der Drang nach Befreiung. Es ist nicht richtig, daß erst Heinrichs Tod die Machtverschiebung zwischen Kaisertum und Papsttum bewirkt habe; schon zu seinen
1) Die Angabe späterer Quellen, daß bei Gregor VI. in Rücksicht auf die kanonischen Forderungen die Form der Selbstabsetzung angewandt sei, ist sehr zweifelhaft.
2) Das war die Annahme L. v. Heinemann's, Der Patriziat der deutschen Könige, 1888.
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Aber Heinrich, der 1046 seinen ersten Romzug antrat und
in Pavia eine Reformsynode abhielt, wollte die Kaiserkrone nur
aus reinen Händen nehmen und konnte die Kirchenreform nur
mit einem vollkommen einwandfreien Papste durchführen. Sobald
sich daher die simonistische Schuld Gregors, der mit dem Könige
in Piacenza zusammentraf, herausstellte, war Heinrich entschlossen,
ihn fallen zu lassen. Er lud ihn und seinen Gegner Silvester
vor die Synode von Sutri (20. Dez. 1046). Dort wurden beide
Päpste für abgesetzt erklärt. 1) Gregor wanderte nach Köln in
die Verbannung, begleitet von seinem Kaplan Hildebrand, dessen
bedeutsamer Name hier zum erstenmal in der Geschichte auftaucht.
Drei Tage später ward dann auf einer Synode in Rom auch Be-
nedikt, der durch den unzulässigen Verkauf allein noch nicht
seines Amtes verlustig gehen konnte, abgesetzt, und durch Heinrich
der deutsche Bischof Suidger von Bamberg als Klemens II. auf
den päpstlichen Stuhl gehoben. Aus seinen Händen empfing
Heinrich die Kaiserkrone. Wenn ihm damals außer der kaiser-
lichen Würde auch die eines römischen Patriziers übertragen wurde,
so war das zwar nur jener uralte Titel, den schon die Karolinger
geführt hatten, nicht die Bezeichnung eines besonderen städtischen
Amtes 2), aber die Erinnerung der jüngeren Zeiten wies doch vor-
nehmlich auf jene römischen Adligen, einen Alberich und Creszen-
tius, hin, die als Patrizier die Stadt beherrscht und die erste ent-
scheidende Stimme bei der Papstwahl gehabt hatten; dasselbe Recht
verband sich auch mit Heinrichs Patriziertitel. An die Stelle der
blos tatsächlichen Beherrschung des Papsttums in den letzten Zeiten
trat somit der volle Einfluß auf die Besetzung des heiligen Stuhles,
wie ihn die Ottonen geübt hatten, nicht mehr und nicht weniger!
Ganz wie in den Tagen Ottos d. Gr. konnte das Papsttum nur
dadurch, daß es aus dem römischen Parteigewirr heraus unter die
Fittiche des Kaisertums trat, zu sittlicher Höhe und universaler
Bedeutung emporsteigen. Damit schien die kaiserliche Oberherr-
schaft aufs neue dauernd befestigt.
Aber die Idee des Papsttums widerstrebte solcher Abhängig-
keit, und je reiner sie gerade infolge der Kirchenreform in die Er-
scheinung trat, desto stärker wuchs der Drang nach Befreiung. Es
ist nicht richtig, daß erst Heinrichs Tod die Machtverschiebung
zwischen Kaisertum und Papsttum bewirkt habe; schon zu seinen
1) Die Angabe späterer Quellen, daß bei Gregor VI. in Rücksicht auf
die kanonischen Forderungen die Form der Selbstabsetzung angewandt sei,
ist sehr zweifelhaft.
2) Das war die Annahme L. v. Heinemann's, Der Patriziat der deutschen
Könige, 1888.
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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/29>, abgerufen am 16.07.2024.
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