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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
er in Oberitalien möglichst die Verbindung mit der ergebenen Mark
Treviso, namentlich über den Apenninpaß La Cisa1) und das
wichtige Parma, zu wahren und die beiden feindlichen Haupt-
herde: Lombardenbund und Romagna getrennt zu halten. Das
getreue Verona Ezzelins sicherte ihm weiter die Verbindung mit
Deutschland. Dort erzielten die eifrigen Bemühungen des geschäf-
tigen päpstlichen Agitators Albert Beham, Archidiakons von Passau2)
zunächst doch nur im äußersten Südosten einige Erfolge; im übrigen
waren die Fürsten schwer zu bewegen, ihre eben erst von Friedrich
verliehene, überaus vorteilhafte Stellung durch die Empörung aufs
Spiel zu setzen. Wenn trotz alledem im Felde die letzten Ent-
scheidungen zugunsten des Kaisers ausblieben, so trugen die Un-
berechenbarkeit des schwankenden Parteienspiels und die Unvoll-
kommenheit der damaligen Kriegstechnik festen und verproviantierten
Städten gegenüber daran nicht zum wenigsten Schuld.

An dem Enderfolg würde freilich nicht zu zweifeln gewesen
sein, wäre der Papst eben nicht unendlich viel mehr gewesen, als
ein einfacher politischer Gegner; er war das Haupt einer kirchlichen
Gemeinschaft, welche die ganze abendländische Staatsgewalt um-
spannte, als solches in der Lage, in alle Verhältnisse einzugreifen,
sie von innenheraus zu erschüttern, immer neue Bundesgenossen
und Geldmittel zu gewinnen, selbst aber vor äußersten Gewaltmaß-
regeln doch einigermaßen gesichert, da ein Märtyrerruhm die päpst-
liche Sache nur gestärkt hätte, und dem Rumpfe der Kirche statt
eines abgeschlagenen Hauptes ja stets ein neues erwuchs. Diese
ganze hoffnungslose Lage muß man stets klar im Auge behalten,
will man die Politik unserer Kaiser seit der großen Kirchenreform
und insbesondere die Friedrichs II. nicht ungerecht beurteilen. Da
bei Festigkeit des Gegners ein völliger Sieg ausgeschlossen war, so
ist Friedrich noch lange bestrebt gewesen, bald durch Druck, bald
durch Zugeständnisse einen leidlichen Frieden von Papst oder
Kardinälen zu erlangen, bis erst zu allerletzt in dem wilden
Existenzkampfe dies Ziel dahinschwand. Bis dahin erscheint er,
gewiß mehr aus kluger Würdigung der Lage denn aus haltloser
Schwäche, stets als der nachgiebige, friedfertige, nur einen gewissen
Kern politischer Forderungen zäh festhaltende Unterhändler.

Denn befand sich der Papst als Landesherr wirklich in Not-
wehr, als Kirchenoberhaupt war er, wiewohl er sich auch da gern
als den Verfolgten hinstellte, ohne Zweifel der vordringende An-
greifer, der ganz im Geiste Gregors VII. dem Imperium, wie allen

1) Vgl. Schütte, D. Apenninenpaß des Monte Bardone (1901).
2) Sein Briefregister, hrsg. v. Höfler im Bibl. d. lit. Ver. 16 (1847)
bildet für diese deutschen Vorgänge die wichtigste Quelle.

II. Die Zeit der Staufer.
er in Oberitalien möglichst die Verbindung mit der ergebenen Mark
Treviso, namentlich über den Apenninpaß La Cisa1) und das
wichtige Parma, zu wahren und die beiden feindlichen Haupt-
herde: Lombardenbund und Romagna getrennt zu halten. Das
getreue Verona Ezzelins sicherte ihm weiter die Verbindung mit
Deutschland. Dort erzielten die eifrigen Bemühungen des geschäf-
tigen päpstlichen Agitators Albert Beham, Archidiakons von Passau2)
zunächst doch nur im äußersten Südosten einige Erfolge; im übrigen
waren die Fürsten schwer zu bewegen, ihre eben erst von Friedrich
verliehene, überaus vorteilhafte Stellung durch die Empörung aufs
Spiel zu setzen. Wenn trotz alledem im Felde die letzten Ent-
scheidungen zugunsten des Kaisers ausblieben, so trugen die Un-
berechenbarkeit des schwankenden Parteienspiels und die Unvoll-
kommenheit der damaligen Kriegstechnik festen und verproviantierten
Städten gegenüber daran nicht zum wenigsten Schuld.

An dem Enderfolg würde freilich nicht zu zweifeln gewesen
sein, wäre der Papst eben nicht unendlich viel mehr gewesen, als
ein einfacher politischer Gegner; er war das Haupt einer kirchlichen
Gemeinschaft, welche die ganze abendländische Staatsgewalt um-
spannte, als solches in der Lage, in alle Verhältnisse einzugreifen,
sie von innenheraus zu erschüttern, immer neue Bundesgenossen
und Geldmittel zu gewinnen, selbst aber vor äußersten Gewaltmaß-
regeln doch einigermaßen gesichert, da ein Märtyrerruhm die päpst-
liche Sache nur gestärkt hätte, und dem Rumpfe der Kirche statt
eines abgeschlagenen Hauptes ja stets ein neues erwuchs. Diese
ganze hoffnungslose Lage muß man stets klar im Auge behalten,
will man die Politik unserer Kaiser seit der großen Kirchenreform
und insbesondere die Friedrichs II. nicht ungerecht beurteilen. Da
bei Festigkeit des Gegners ein völliger Sieg ausgeschlossen war, so
ist Friedrich noch lange bestrebt gewesen, bald durch Druck, bald
durch Zugeständnisse einen leidlichen Frieden von Papst oder
Kardinälen zu erlangen, bis erst zu allerletzt in dem wilden
Existenzkampfe dies Ziel dahinschwand. Bis dahin erscheint er,
gewiß mehr aus kluger Würdigung der Lage denn aus haltloser
Schwäche, stets als der nachgiebige, friedfertige, nur einen gewissen
Kern politischer Forderungen zäh festhaltende Unterhändler.

Denn befand sich der Papst als Landesherr wirklich in Not-
wehr, als Kirchenoberhaupt war er, wiewohl er sich auch da gern
als den Verfolgten hinstellte, ohne Zweifel der vordringende An-
greifer, der ganz im Geiste Gregors VII. dem Imperium, wie allen

1) Vgl. Schütte, D. Apenninenpaß des Monte Bardone (1901).
2) Sein Briefregister, hrsg. v. Höfler im Bibl. d. lit. Ver. 16 (1847)
bildet für diese deutschen Vorgänge die wichtigste Quelle.
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[240/0248] II. Die Zeit der Staufer. er in Oberitalien möglichst die Verbindung mit der ergebenen Mark Treviso, namentlich über den Apenninpaß La Cisa 1) und das wichtige Parma, zu wahren und die beiden feindlichen Haupt- herde: Lombardenbund und Romagna getrennt zu halten. Das getreue Verona Ezzelins sicherte ihm weiter die Verbindung mit Deutschland. Dort erzielten die eifrigen Bemühungen des geschäf- tigen päpstlichen Agitators Albert Beham, Archidiakons von Passau 2) zunächst doch nur im äußersten Südosten einige Erfolge; im übrigen waren die Fürsten schwer zu bewegen, ihre eben erst von Friedrich verliehene, überaus vorteilhafte Stellung durch die Empörung aufs Spiel zu setzen. Wenn trotz alledem im Felde die letzten Ent- scheidungen zugunsten des Kaisers ausblieben, so trugen die Un- berechenbarkeit des schwankenden Parteienspiels und die Unvoll- kommenheit der damaligen Kriegstechnik festen und verproviantierten Städten gegenüber daran nicht zum wenigsten Schuld. An dem Enderfolg würde freilich nicht zu zweifeln gewesen sein, wäre der Papst eben nicht unendlich viel mehr gewesen, als ein einfacher politischer Gegner; er war das Haupt einer kirchlichen Gemeinschaft, welche die ganze abendländische Staatsgewalt um- spannte, als solches in der Lage, in alle Verhältnisse einzugreifen, sie von innenheraus zu erschüttern, immer neue Bundesgenossen und Geldmittel zu gewinnen, selbst aber vor äußersten Gewaltmaß- regeln doch einigermaßen gesichert, da ein Märtyrerruhm die päpst- liche Sache nur gestärkt hätte, und dem Rumpfe der Kirche statt eines abgeschlagenen Hauptes ja stets ein neues erwuchs. Diese ganze hoffnungslose Lage muß man stets klar im Auge behalten, will man die Politik unserer Kaiser seit der großen Kirchenreform und insbesondere die Friedrichs II. nicht ungerecht beurteilen. Da bei Festigkeit des Gegners ein völliger Sieg ausgeschlossen war, so ist Friedrich noch lange bestrebt gewesen, bald durch Druck, bald durch Zugeständnisse einen leidlichen Frieden von Papst oder Kardinälen zu erlangen, bis erst zu allerletzt in dem wilden Existenzkampfe dies Ziel dahinschwand. Bis dahin erscheint er, gewiß mehr aus kluger Würdigung der Lage denn aus haltloser Schwäche, stets als der nachgiebige, friedfertige, nur einen gewissen Kern politischer Forderungen zäh festhaltende Unterhändler. Denn befand sich der Papst als Landesherr wirklich in Not- wehr, als Kirchenoberhaupt war er, wiewohl er sich auch da gern als den Verfolgten hinstellte, ohne Zweifel der vordringende An- greifer, der ganz im Geiste Gregors VII. dem Imperium, wie allen 1) Vgl. Schütte, D. Apenninenpaß des Monte Bardone (1901). 2) Sein Briefregister, hrsg. v. Höfler im Bibl. d. lit. Ver. 16 (1847) bildet für diese deutschen Vorgänge die wichtigste Quelle.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/248>, abgerufen am 30.04.2024.