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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
nis dieser Gefahr noch die Entschlußkraft zur Eröffnung eines
solchen Riesenkampfes fand, entbehrt nicht der historischen Größe.
Am Palmsonntag den 20. März 1239 schleuderte er gegen Fried-
rich zum zweiten Male den Bannstrahl. An demselben Tage starb
Hermann von Salza, der treueste Vermittler zwischen Kaiserhof
und Kurie. Die Zeit der Versöhnung war vorbei!

§ 18. Der Entscheidungskampf zwischen Kaisertum
und Papsttum (1239-1250).

Der politische Gegensatz, das Ringen um Italien, hatte den
Bruch unvermeidlich gemacht und schloß auch künftig die Versöhnung
aus. Wenn die Tendenz auf Zentralisation und Absolutismus auch
für Reichsitalien seit den lombardischen Erfolgen nur erst in ver-
einzelten Maßnahmen hervorgetreten war, so vollzog Friedrich jetzt
seit dem Beginn des großen Kampfes bewußt und schroff jene
völlige Umgestaltung der italischen Reichsverwaltung, die sich an
Bedeutung wohl der Organisation des sizilischen Staates an die
Seite stellen darf.1)

Es war eine gewaltsame Übertragung des absolutistischen Beamtenregi-
ments, wie es in Sizilien mit einer gewissen Notwendigkeit erwachsen war
und sich bewährt hatte, auf die so vielfach andersgearteten Verhältnisse Reichs-
italiens. Nun ward auch hier das einzig ausschlaggebende politische Moment
der unumschränkte Herrscherwille des Kaisers, an dessen Hofe große und
kleine Entscheidungen fielen, Gericht und Kanzlei zugleich für Sizilien und
das Reich arbeiteten. Nur noch die Generallegatschaft König Enzios war ein
Sonderamt Italiens, aber nicht unter ihm, sondern unmittelbar unter dem
Kaiser standen die zahlreichen, häufig wechselnden Generalvikare (General-
kapitäne), deren Sprengel sich bald über die gesamte Halbinsel erstreckten,
auch über die jetzt (1239/40) für das Reich zurückeroberte päpstliche Reku-
perationen und sogar das Patrimonium Petri (seit 1240/41). Aber auch ihre
Unterbeamten: die Vikare (Kapitäne) und städtischen Podestas wurden vom
Kaiser eingesetzt und waren ihm zum Gehorsam verpflichtet. Verwaltungs-
kundige Sizilianer, für deren Treue der mißtrauische Herrscher an ihren
Gütern und Angehörigen allein hinreichende Bürgschaft zu besitzen glaubte,
traten in allen diesen Ämtern weitüberwiegend an die Stelle der Deutschen
und Italiener. In dieser straffen Zentralisation blieb kein Raum mehr für die
Rechte des Feudalismus oder auch nur die Selbständigkeit und Dauer der
bisherigen Beamtenherzöge und -Markgrafen; ebensowenig freilich für die
städtische Selbstverwaltung, und auch hier ging Friedrich II. über die ronca-
lischen Bestrebungen Barbarossas und Reinolds von Dassel hinaus, indem er
nicht einmal den treuergebenen Städten die freie Wahl ihres Podesta zugestand,
deren Amtsführung allgemein reglementierte, immer neue Kriegssteuern forderte,
in allen den Kaiser berührenden Angelegenheiten unbedingtesten Gehorsam

1) Grundlegend Ficker, Forsch. z. Reichs- u. Rechtsg. It. II, 492 ff.
Vergl. auch Neues Arch. 31, 721 ff.

II. Die Zeit der Staufer.
nis dieser Gefahr noch die Entschlußkraft zur Eröffnung eines
solchen Riesenkampfes fand, entbehrt nicht der historischen Größe.
Am Palmsonntag den 20. März 1239 schleuderte er gegen Fried-
rich zum zweiten Male den Bannstrahl. An demselben Tage starb
Hermann von Salza, der treueste Vermittler zwischen Kaiserhof
und Kurie. Die Zeit der Versöhnung war vorbei!

§ 18. Der Entscheidungskampf zwischen Kaisertum
und Papsttum (1239‒1250).

Der politische Gegensatz, das Ringen um Italien, hatte den
Bruch unvermeidlich gemacht und schloß auch künftig die Versöhnung
aus. Wenn die Tendenz auf Zentralisation und Absolutismus auch
für Reichsitalien seit den lombardischen Erfolgen nur erst in ver-
einzelten Maßnahmen hervorgetreten war, so vollzog Friedrich jetzt
seit dem Beginn des großen Kampfes bewußt und schroff jene
völlige Umgestaltung der italischen Reichsverwaltung, die sich an
Bedeutung wohl der Organisation des sizilischen Staates an die
Seite stellen darf.1)

Es war eine gewaltsame Übertragung des absolutistischen Beamtenregi-
ments, wie es in Sizilien mit einer gewissen Notwendigkeit erwachsen war
und sich bewährt hatte, auf die so vielfach andersgearteten Verhältnisse Reichs-
italiens. Nun ward auch hier das einzig ausschlaggebende politische Moment
der unumschränkte Herrscherwille des Kaisers, an dessen Hofe große und
kleine Entscheidungen fielen, Gericht und Kanzlei zugleich für Sizilien und
das Reich arbeiteten. Nur noch die Generallegatschaft König Enzios war ein
Sonderamt Italiens, aber nicht unter ihm, sondern unmittelbar unter dem
Kaiser standen die zahlreichen, häufig wechselnden Generalvikare (General-
kapitäne), deren Sprengel sich bald über die gesamte Halbinsel erstreckten,
auch über die jetzt (1239/40) für das Reich zurückeroberte päpstliche Reku-
perationen und sogar das Patrimonium Petri (seit 1240/41). Aber auch ihre
Unterbeamten: die Vikare (Kapitäne) und städtischen Podestàs wurden vom
Kaiser eingesetzt und waren ihm zum Gehorsam verpflichtet. Verwaltungs-
kundige Sizilianer, für deren Treue der mißtrauische Herrscher an ihren
Gütern und Angehörigen allein hinreichende Bürgschaft zu besitzen glaubte,
traten in allen diesen Ämtern weitüberwiegend an die Stelle der Deutschen
und Italiener. In dieser straffen Zentralisation blieb kein Raum mehr für die
Rechte des Feudalismus oder auch nur die Selbständigkeit und Dauer der
bisherigen Beamtenherzöge und -Markgrafen; ebensowenig freilich für die
städtische Selbstverwaltung, und auch hier ging Friedrich II. über die ronca-
lischen Bestrebungen Barbarossas und Reinolds von Dassel hinaus, indem er
nicht einmal den treuergebenen Städten die freie Wahl ihres Podestà zugestand,
deren Amtsführung allgemein reglementierte, immer neue Kriegssteuern forderte,
in allen den Kaiser berührenden Angelegenheiten unbedingtesten Gehorsam

1) Grundlegend Ficker, Forsch. z. Reichs- u. Rechtsg. It. II, 492 ff.
Vergl. auch Neues Arch. 31, 721 ff.
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[238/0246] II. Die Zeit der Staufer. nis dieser Gefahr noch die Entschlußkraft zur Eröffnung eines solchen Riesenkampfes fand, entbehrt nicht der historischen Größe. Am Palmsonntag den 20. März 1239 schleuderte er gegen Fried- rich zum zweiten Male den Bannstrahl. An demselben Tage starb Hermann von Salza, der treueste Vermittler zwischen Kaiserhof und Kurie. Die Zeit der Versöhnung war vorbei! § 18. Der Entscheidungskampf zwischen Kaisertum und Papsttum (1239‒1250). Der politische Gegensatz, das Ringen um Italien, hatte den Bruch unvermeidlich gemacht und schloß auch künftig die Versöhnung aus. Wenn die Tendenz auf Zentralisation und Absolutismus auch für Reichsitalien seit den lombardischen Erfolgen nur erst in ver- einzelten Maßnahmen hervorgetreten war, so vollzog Friedrich jetzt seit dem Beginn des großen Kampfes bewußt und schroff jene völlige Umgestaltung der italischen Reichsverwaltung, die sich an Bedeutung wohl der Organisation des sizilischen Staates an die Seite stellen darf. 1) Es war eine gewaltsame Übertragung des absolutistischen Beamtenregi- ments, wie es in Sizilien mit einer gewissen Notwendigkeit erwachsen war und sich bewährt hatte, auf die so vielfach andersgearteten Verhältnisse Reichs- italiens. Nun ward auch hier das einzig ausschlaggebende politische Moment der unumschränkte Herrscherwille des Kaisers, an dessen Hofe große und kleine Entscheidungen fielen, Gericht und Kanzlei zugleich für Sizilien und das Reich arbeiteten. Nur noch die Generallegatschaft König Enzios war ein Sonderamt Italiens, aber nicht unter ihm, sondern unmittelbar unter dem Kaiser standen die zahlreichen, häufig wechselnden Generalvikare (General- kapitäne), deren Sprengel sich bald über die gesamte Halbinsel erstreckten, auch über die jetzt (1239/40) für das Reich zurückeroberte päpstliche Reku- perationen und sogar das Patrimonium Petri (seit 1240/41). Aber auch ihre Unterbeamten: die Vikare (Kapitäne) und städtischen Podestàs wurden vom Kaiser eingesetzt und waren ihm zum Gehorsam verpflichtet. Verwaltungs- kundige Sizilianer, für deren Treue der mißtrauische Herrscher an ihren Gütern und Angehörigen allein hinreichende Bürgschaft zu besitzen glaubte, traten in allen diesen Ämtern weitüberwiegend an die Stelle der Deutschen und Italiener. In dieser straffen Zentralisation blieb kein Raum mehr für die Rechte des Feudalismus oder auch nur die Selbständigkeit und Dauer der bisherigen Beamtenherzöge und -Markgrafen; ebensowenig freilich für die städtische Selbstverwaltung, und auch hier ging Friedrich II. über die ronca- lischen Bestrebungen Barbarossas und Reinolds von Dassel hinaus, indem er nicht einmal den treuergebenen Städten die freie Wahl ihres Podestà zugestand, deren Amtsführung allgemein reglementierte, immer neue Kriegssteuern forderte, in allen den Kaiser berührenden Angelegenheiten unbedingtesten Gehorsam 1) Grundlegend Ficker, Forsch. z. Reichs- u. Rechtsg. It. II, 492 ff. Vergl. auch Neues Arch. 31, 721 ff.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/246>, abgerufen am 30.04.2024.