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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
gleichsmandat des Papstes hinfällig und riß die deutschen Fürsten
auf dem großen Mainzer Hoftage (1235) fort zu dem einmütigen
Beschlusse des Reichskrieges gegen die Lombarden. Mit der Er-
hebung der Gebeine seiner Verwandten, der heiligen Elisabeth und
ihrer feierlichen Beisetzung in Marburg gab der Kaiser dem be-
ginnenden Feldzuge des Jahres 1236 gleichsam die religiöse Weihe.

Die Kurie geriet durch diese Vorgänge in eine überaus miß-
liche Lage. Die Macht des Kaisers mehr als sein Recht mahnte
Gregor noch von einer offnen Unterstützung der Reichsrebellen ab,
aber mußte sie nicht nach Niederwerfung dieses letzten Wider-
standes zu einer alle Freiheit und zuerst die des Papsttums er-
drückenden Allmacht anschwellen? So begannen heimliche Gegen-
wirkungen der Kurie. Kaum noch verborgen zu haltende Förderungen
der Lombarden und lange Beschwerdelisten gegen den Kaiser, die
alles andre vorbrachten, nur nicht den eigentlichen Konfliktsgrund,
wechselten mit erneuten vergeblichen Ausgleichsversuchen. An der
Weigerung des Kaisers, den Konstanzer Frieden jetzt noch als
Rechtsgrundlage anzuerkennen, scheiterten alle Bemühungen.

Die Entscheidung stand bei den Waffen. Und da bot nun
der glänzende Sieg Friedrichs über die Bundestruppen bei Corte-
nuova (s. o. v. Bergamo) plötzlich die Möglichkeit einer Lösung
ganz nach den Wünschen des Kaisers (27. Nov. 1237). In den
Friedensverhandlungen, welche die Mailänder unter dem Eindruck
der furchtbaren Niederlage eröffneten, hätte der Sieger alles er-
langen können, was Ehre und Nutzen des Reiches erforderten,
noch über die Bedingungen des Konstanzer Friedens hinaus. Es
ist Friedrichs Verhängnis geworden, daß er im Glücke nicht die
kluge Mäßigung zu üben verstand, die seinem Ahnherrn nach dem
Unglück von Legnano so schöne Erfolge eingetragen hatte, daß
viel eher die Erinnerung an die Gewaltpolitik von 1162 vor seinem
Geiste schwebte. Den Rebellen gegenüber war überdies sein poli-
tisches Augenmaß durch persönliche Gereiztheit getrübt; wie er es von
seinem Sohne getan, verlangte er auch von ihnen, ganz wie Barbarossa,
bedingungslose Unterwerfung auf Gnade oder Ungnade. Zu dieser
äußersten Demütigung wollten sich die Mailänder und ihre Verbündeten
nicht verstehen. Der Krieg nahm seinen Fortgang. Es war der
kritische Moment in Friedrichs Leben. Anstatt einen ehrenvollen
und nutzbringenden Frieden in der Lombardei anzunehmen, der
ihm verstattet hätte, sich mit ungeteilter Kraft seinem versteckten
Hauptfeinde, der dann völlig isolierten römischen Kurie, gegenüber
aufzustellen, setzte er um einer formalen Befriedigung seines Stolzes
willen, die sachlich kaum eine Änderung bedingt hätte, alles aufs
Spiel und beschwor die endlosen Kämpfe herauf, die schließlich

II. Die Zeit der Staufer.
gleichsmandat des Papstes hinfällig und riß die deutschen Fürsten
auf dem großen Mainzer Hoftage (1235) fort zu dem einmütigen
Beschlusse des Reichskrieges gegen die Lombarden. Mit der Er-
hebung der Gebeine seiner Verwandten, der heiligen Elisabeth und
ihrer feierlichen Beisetzung in Marburg gab der Kaiser dem be-
ginnenden Feldzuge des Jahres 1236 gleichsam die religiöse Weihe.

Die Kurie geriet durch diese Vorgänge in eine überaus miß-
liche Lage. Die Macht des Kaisers mehr als sein Recht mahnte
Gregor noch von einer offnen Unterstützung der Reichsrebellen ab,
aber mußte sie nicht nach Niederwerfung dieses letzten Wider-
standes zu einer alle Freiheit und zuerst die des Papsttums er-
drückenden Allmacht anschwellen? So begannen heimliche Gegen-
wirkungen der Kurie. Kaum noch verborgen zu haltende Förderungen
der Lombarden und lange Beschwerdelisten gegen den Kaiser, die
alles andre vorbrachten, nur nicht den eigentlichen Konfliktsgrund,
wechselten mit erneuten vergeblichen Ausgleichsversuchen. An der
Weigerung des Kaisers, den Konstanzer Frieden jetzt noch als
Rechtsgrundlage anzuerkennen, scheiterten alle Bemühungen.

Die Entscheidung stand bei den Waffen. Und da bot nun
der glänzende Sieg Friedrichs über die Bundestruppen bei Corte-
nuova (s. o. v. Bergamo) plötzlich die Möglichkeit einer Lösung
ganz nach den Wünschen des Kaisers (27. Nov. 1237). In den
Friedensverhandlungen, welche die Mailänder unter dem Eindruck
der furchtbaren Niederlage eröffneten, hätte der Sieger alles er-
langen können, was Ehre und Nutzen des Reiches erforderten,
noch über die Bedingungen des Konstanzer Friedens hinaus. Es
ist Friedrichs Verhängnis geworden, daß er im Glücke nicht die
kluge Mäßigung zu üben verstand, die seinem Ahnherrn nach dem
Unglück von Legnano so schöne Erfolge eingetragen hatte, daß
viel eher die Erinnerung an die Gewaltpolitik von 1162 vor seinem
Geiste schwebte. Den Rebellen gegenüber war überdies sein poli-
tisches Augenmaß durch persönliche Gereiztheit getrübt; wie er es von
seinem Sohne getan, verlangte er auch von ihnen, ganz wie Barbarossa,
bedingungslose Unterwerfung auf Gnade oder Ungnade. Zu dieser
äußersten Demütigung wollten sich die Mailänder und ihre Verbündeten
nicht verstehen. Der Krieg nahm seinen Fortgang. Es war der
kritische Moment in Friedrichs Leben. Anstatt einen ehrenvollen
und nutzbringenden Frieden in der Lombardei anzunehmen, der
ihm verstattet hätte, sich mit ungeteilter Kraft seinem versteckten
Hauptfeinde, der dann völlig isolierten römischen Kurie, gegenüber
aufzustellen, setzte er um einer formalen Befriedigung seines Stolzes
willen, die sachlich kaum eine Änderung bedingt hätte, alles aufs
Spiel und beschwor die endlosen Kämpfe herauf, die schließlich

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[236/0244] II. Die Zeit der Staufer. gleichsmandat des Papstes hinfällig und riß die deutschen Fürsten auf dem großen Mainzer Hoftage (1235) fort zu dem einmütigen Beschlusse des Reichskrieges gegen die Lombarden. Mit der Er- hebung der Gebeine seiner Verwandten, der heiligen Elisabeth und ihrer feierlichen Beisetzung in Marburg gab der Kaiser dem be- ginnenden Feldzuge des Jahres 1236 gleichsam die religiöse Weihe. Die Kurie geriet durch diese Vorgänge in eine überaus miß- liche Lage. Die Macht des Kaisers mehr als sein Recht mahnte Gregor noch von einer offnen Unterstützung der Reichsrebellen ab, aber mußte sie nicht nach Niederwerfung dieses letzten Wider- standes zu einer alle Freiheit und zuerst die des Papsttums er- drückenden Allmacht anschwellen? So begannen heimliche Gegen- wirkungen der Kurie. Kaum noch verborgen zu haltende Förderungen der Lombarden und lange Beschwerdelisten gegen den Kaiser, die alles andre vorbrachten, nur nicht den eigentlichen Konfliktsgrund, wechselten mit erneuten vergeblichen Ausgleichsversuchen. An der Weigerung des Kaisers, den Konstanzer Frieden jetzt noch als Rechtsgrundlage anzuerkennen, scheiterten alle Bemühungen. Die Entscheidung stand bei den Waffen. Und da bot nun der glänzende Sieg Friedrichs über die Bundestruppen bei Corte- nuova (s. o. v. Bergamo) plötzlich die Möglichkeit einer Lösung ganz nach den Wünschen des Kaisers (27. Nov. 1237). In den Friedensverhandlungen, welche die Mailänder unter dem Eindruck der furchtbaren Niederlage eröffneten, hätte der Sieger alles er- langen können, was Ehre und Nutzen des Reiches erforderten, noch über die Bedingungen des Konstanzer Friedens hinaus. Es ist Friedrichs Verhängnis geworden, daß er im Glücke nicht die kluge Mäßigung zu üben verstand, die seinem Ahnherrn nach dem Unglück von Legnano so schöne Erfolge eingetragen hatte, daß viel eher die Erinnerung an die Gewaltpolitik von 1162 vor seinem Geiste schwebte. Den Rebellen gegenüber war überdies sein poli- tisches Augenmaß durch persönliche Gereiztheit getrübt; wie er es von seinem Sohne getan, verlangte er auch von ihnen, ganz wie Barbarossa, bedingungslose Unterwerfung auf Gnade oder Ungnade. Zu dieser äußersten Demütigung wollten sich die Mailänder und ihre Verbündeten nicht verstehen. Der Krieg nahm seinen Fortgang. Es war der kritische Moment in Friedrichs Leben. Anstatt einen ehrenvollen und nutzbringenden Frieden in der Lombardei anzunehmen, der ihm verstattet hätte, sich mit ungeteilter Kraft seinem versteckten Hauptfeinde, der dann völlig isolierten römischen Kurie, gegenüber aufzustellen, setzte er um einer formalen Befriedigung seines Stolzes willen, die sachlich kaum eine Änderung bedingt hätte, alles aufs Spiel und beschwor die endlosen Kämpfe herauf, die schließlich

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/244>, abgerufen am 30.04.2024.