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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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Die Zeit der Staufer.
römische Königtum ihres Sohnes und ließ ihn zum Könige von
Sizilien krönen (1198). Eine solche Trennungspolitik war ganz
nach dem Herzen des Papstes, aber doch erst, nachdem er der
stolzen Normannentochter ein Konkordat abgerungen hatte, das die
kirchlichen Vorrechte der sizilischen Krone noch über das Maß
der von Tancred gemachten Zugeständnisse hinaus beschränkte und
nur den geringen Rest eines königlichen Konsensrechtes bei den
Bischofswahlen bestehen ließ, stellte Innozenz das alte Lehensver-
hältnis wieder her, -- gerade rechtzeitig, um nun nach dem uner-
wartet schnellen Tode der Kaiserin (1198) auf ihre Verfügung hin
als Oberlehnsherr die Vormundschaft über den jungen Friedrich zu
gewinnen und damit die Bestimmung über die Geschicke Siziliens
in seine Hand zu bekommen. Das Land sollte ihm freilich bald
Sorge genug bereiten, denn die deutschen Truppenführer, in steter
Verbindung mit der staufischen Reichsregierung, wichen nicht aus
den starken Burgen des Festlandes, und in diesen anarchischen
Kämpfen und Parteiungen schien das Königtum Friedrichs hier
zeitweilig völlig zu versinken. Indes welcher Wandel der politischen
Verhältnisse Italiens hatte sich nun doch in dem einen kurzen Jahre
vollzogen: von der Allgewalt Kaiser Heinrichs sah man nur noch
zersprengte Trümmer, und über all' den deutschfeindlichen Lokal-
mächten ragte das eben noch regungslos eingeschnürte Papsttum
jetzt frei und beherrschend empor. Solcher Umschwung wäre un-
möglich gewesen ohne die deutsche Zwietracht. --

Die unselige Doppelwahl des Jahres 1198 ist das verhängnis-
vollste Ereignis der Geschichte Deutschlands im Mittelalter, der
Wendepunkt in der äußeren Machtstellung des Reiches wie in dem
inneren Widerstreit zwischen Krongewalt und Sonderbestrebungen.
Dem apulischen Kinde die Krone zu wahren, erwies sich ange-
sichts der bedrohlichen Lage trotz der schon vollzogenen Wahl
sogleich als völlig untunlich; nur ein Mann konnte das Reich
Heinrichs VI. zusammenhalten. Im wohlverstandenen Reichsinteresse,
nicht aus selbstsüchtigem Ehrgeiz ließ sich daher Philipp1), der jüngste
Bruder des verstorbenen Kaisers, zur Annahme der Krone bewegen.2)
Aber gegen ihn schlossen sich nun die welfisch-niederrheinischen
Interessen, deren wachsende Annäherung schon seit dem Sturze

1) Grundlegend über ihn Winkelmann, Jahrb. d. d. Gesch.: Philipp v.
Schwaben 1873.
2) Aus dem imperialistischen Reichsbegriff der letzten Jahrzehnte erklärt
es sich, daß seine Wahl ursprünglich "zum Kaiser" erfolgte, und Philipp
künftig stets die imperialistischen, das deutsche Königtum verflüchtigenden
Tendenzen vertrat, während Otto zunächst das engere deutsche Königtum be-
tonte. Vgl. Krammer (s. S. 131).

Die Zeit der Staufer.
römische Königtum ihres Sohnes und ließ ihn zum Könige von
Sizilien krönen (1198). Eine solche Trennungspolitik war ganz
nach dem Herzen des Papstes, aber doch erst, nachdem er der
stolzen Normannentochter ein Konkordat abgerungen hatte, das die
kirchlichen Vorrechte der sizilischen Krone noch über das Maß
der von Tancred gemachten Zugeständnisse hinaus beschränkte und
nur den geringen Rest eines königlichen Konsensrechtes bei den
Bischofswahlen bestehen ließ, stellte Innozenz das alte Lehensver-
hältnis wieder her, — gerade rechtzeitig, um nun nach dem uner-
wartet schnellen Tode der Kaiserin (1198) auf ihre Verfügung hin
als Oberlehnsherr die Vormundschaft über den jungen Friedrich zu
gewinnen und damit die Bestimmung über die Geschicke Siziliens
in seine Hand zu bekommen. Das Land sollte ihm freilich bald
Sorge genug bereiten, denn die deutschen Truppenführer, in steter
Verbindung mit der staufischen Reichsregierung, wichen nicht aus
den starken Burgen des Festlandes, und in diesen anarchischen
Kämpfen und Parteiungen schien das Königtum Friedrichs hier
zeitweilig völlig zu versinken. Indes welcher Wandel der politischen
Verhältnisse Italiens hatte sich nun doch in dem einen kurzen Jahre
vollzogen: von der Allgewalt Kaiser Heinrichs sah man nur noch
zersprengte Trümmer, und über all' den deutschfeindlichen Lokal-
mächten ragte das eben noch regungslos eingeschnürte Papsttum
jetzt frei und beherrschend empor. Solcher Umschwung wäre un-
möglich gewesen ohne die deutsche Zwietracht. —

Die unselige Doppelwahl des Jahres 1198 ist das verhängnis-
vollste Ereignis der Geschichte Deutschlands im Mittelalter, der
Wendepunkt in der äußeren Machtstellung des Reiches wie in dem
inneren Widerstreit zwischen Krongewalt und Sonderbestrebungen.
Dem apulischen Kinde die Krone zu wahren, erwies sich ange-
sichts der bedrohlichen Lage trotz der schon vollzogenen Wahl
sogleich als völlig untunlich; nur ein Mann konnte das Reich
Heinrichs VI. zusammenhalten. Im wohlverstandenen Reichsinteresse,
nicht aus selbstsüchtigem Ehrgeiz ließ sich daher Philipp1), der jüngste
Bruder des verstorbenen Kaisers, zur Annahme der Krone bewegen.2)
Aber gegen ihn schlossen sich nun die welfisch-niederrheinischen
Interessen, deren wachsende Annäherung schon seit dem Sturze

1) Grundlegend über ihn Winkelmann, Jahrb. d. d. Gesch.: Philipp v.
Schwaben 1873.
2) Aus dem imperialistischen Reichsbegriff der letzten Jahrzehnte erklärt
es sich, daß seine Wahl ursprünglich „zum Kaiser“ erfolgte, und Philipp
künftig stets die imperialistischen, das deutsche Königtum verflüchtigenden
Tendenzen vertrat, während Otto zunächst das engere deutsche Königtum be-
tonte. Vgl. Krammer (s. S. 131).
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[188/0196] Die Zeit der Staufer. römische Königtum ihres Sohnes und ließ ihn zum Könige von Sizilien krönen (1198). Eine solche Trennungspolitik war ganz nach dem Herzen des Papstes, aber doch erst, nachdem er der stolzen Normannentochter ein Konkordat abgerungen hatte, das die kirchlichen Vorrechte der sizilischen Krone noch über das Maß der von Tancred gemachten Zugeständnisse hinaus beschränkte und nur den geringen Rest eines königlichen Konsensrechtes bei den Bischofswahlen bestehen ließ, stellte Innozenz das alte Lehensver- hältnis wieder her, — gerade rechtzeitig, um nun nach dem uner- wartet schnellen Tode der Kaiserin (1198) auf ihre Verfügung hin als Oberlehnsherr die Vormundschaft über den jungen Friedrich zu gewinnen und damit die Bestimmung über die Geschicke Siziliens in seine Hand zu bekommen. Das Land sollte ihm freilich bald Sorge genug bereiten, denn die deutschen Truppenführer, in steter Verbindung mit der staufischen Reichsregierung, wichen nicht aus den starken Burgen des Festlandes, und in diesen anarchischen Kämpfen und Parteiungen schien das Königtum Friedrichs hier zeitweilig völlig zu versinken. Indes welcher Wandel der politischen Verhältnisse Italiens hatte sich nun doch in dem einen kurzen Jahre vollzogen: von der Allgewalt Kaiser Heinrichs sah man nur noch zersprengte Trümmer, und über all' den deutschfeindlichen Lokal- mächten ragte das eben noch regungslos eingeschnürte Papsttum jetzt frei und beherrschend empor. Solcher Umschwung wäre un- möglich gewesen ohne die deutsche Zwietracht. — Die unselige Doppelwahl des Jahres 1198 ist das verhängnis- vollste Ereignis der Geschichte Deutschlands im Mittelalter, der Wendepunkt in der äußeren Machtstellung des Reiches wie in dem inneren Widerstreit zwischen Krongewalt und Sonderbestrebungen. Dem apulischen Kinde die Krone zu wahren, erwies sich ange- sichts der bedrohlichen Lage trotz der schon vollzogenen Wahl sogleich als völlig untunlich; nur ein Mann konnte das Reich Heinrichs VI. zusammenhalten. Im wohlverstandenen Reichsinteresse, nicht aus selbstsüchtigem Ehrgeiz ließ sich daher Philipp 1), der jüngste Bruder des verstorbenen Kaisers, zur Annahme der Krone bewegen. 2) Aber gegen ihn schlossen sich nun die welfisch-niederrheinischen Interessen, deren wachsende Annäherung schon seit dem Sturze 1) Grundlegend über ihn Winkelmann, Jahrb. d. d. Gesch.: Philipp v. Schwaben 1873. 2) Aus dem imperialistischen Reichsbegriff der letzten Jahrzehnte erklärt es sich, daß seine Wahl ursprünglich „zum Kaiser“ erfolgte, und Philipp künftig stets die imperialistischen, das deutsche Königtum verflüchtigenden Tendenzen vertrat, während Otto zunächst das engere deutsche Königtum be- tonte. Vgl. Krammer (s. S. 131).

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/196>, abgerufen am 06.05.2024.