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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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Die Zeit der Staufer.
völligen Säkularisation des Kirchenstaats hat aufkommen lassen1),
wie sie jedes noch so verwerfliche Mittel zu geheimen Gegen-
wirkungen und Friedenstörungen ergriff. Der Kreuzzug mußte
ihrer Agitation gewisse Schranken setzen. Er stand ferner in enger
Beziehung zu dem gleichzeitig betriebenen Erbkaiserplane, dessen
Annahme Heinrich vielleicht zur Voraussetzung einer persönlichen
Teilnahme gemacht hat. Er sollte den Glanz des Kaisertums
steigern, seine Herrschaft und seinen Einfluß noch weiter ausdehnen.
Die Aussichten im Orient hatten sich durch den Tod Saladins, dem
neue Spaltungen folgten, erheblich gebessert. Der Kaiser selbst
stellte für das Unternehmen eine besoldete Kerntruppe, an die sich
die zahlreich teilnehmenden Fürsten und Großen des Reiches an-
schlossen. Je mehr von ihnen außer Landes gingen, desto unbe-
schränkter konnte sich unterdes der Einfluß des zurückbleibenden
Kaisers, der sich gleichwohl die Leitung des Unternehmens wahrte,
geltend machen. Diesmal wurde der bequemere und gefahrlosere
Seeweg gewählt. Alles war in Bereitschaft. Die Flotte segelte im
September 1197 von Sizilien ab.

Kurz darauf ist der Herrscher, der ihre Fahrt mit den kühnsten
Hoffnungen begleitete, dem eben die Ernte mühevoller Saaten zu
reifen begann, plötzlich mit zweiunddreißig Jahren als ein Opfer des
sizilianischen Sommers dahingerafft worden (28. Sept. 1197). Seine
Gebeine ruhen noch heute im Dom von Palermo.

Sein früher, unerwarteter Tod war die furchtbarste Katastrophe
der mittelalterlichen Geschichte Deutschlands. Ein Rückschlag wäre
ja auch ohne das einmal auf die Überspannung der imperialistischen
Tendenzen eingetreten, denn an ein organisches Zusammenwachsen
aller dieser beherrschten, verlehnten oder beanspruchten Länder-
massen war ja nicht zu denken. Aber solange dieser große
politische Rechner mit seiner kühlen Phantasie an der Spitze stand,
hätte immerhin ein zeitliches Gebilde, wie etwa das Weltreich
Karls V., erstehen können, und wie alsdann dessen ungeheure
Machtmittel zur Stärkung der Monarchie gegenüber Papsttum und
Fürstengewalt verwandt worden wären, das können wir an der
Hand bedeutsamer Ansätze nur ahnen. Freilich nicht das war das
Schlimmste, daß solche Pläne unausgeführt blieben, sondern daß
der Führer eben in dem Augenblicke zu Boden sank, wo er in
unwiderstehlichem Vorsturm die gegnerischen Kräfte ringsum zwar
zurückgeworfen, aber auch zusammengeballt hatte, und der gedoppelte
Widerstand, dessen er selbst Herr geworden wäre, einem unmündigen
Kinde und einem zerrissenen Deutschland gegenüber das Bild nun
mit einem Schlage in sein Widerspiel verkehrte.

1) Vgl. v. Heinemann, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 9.

Die Zeit der Staufer.
völligen Säkularisation des Kirchenstaats hat aufkommen lassen1),
wie sie jedes noch so verwerfliche Mittel zu geheimen Gegen-
wirkungen und Friedenstörungen ergriff. Der Kreuzzug mußte
ihrer Agitation gewisse Schranken setzen. Er stand ferner in enger
Beziehung zu dem gleichzeitig betriebenen Erbkaiserplane, dessen
Annahme Heinrich vielleicht zur Voraussetzung einer persönlichen
Teilnahme gemacht hat. Er sollte den Glanz des Kaisertums
steigern, seine Herrschaft und seinen Einfluß noch weiter ausdehnen.
Die Aussichten im Orient hatten sich durch den Tod Saladins, dem
neue Spaltungen folgten, erheblich gebessert. Der Kaiser selbst
stellte für das Unternehmen eine besoldete Kerntruppe, an die sich
die zahlreich teilnehmenden Fürsten und Großen des Reiches an-
schlossen. Je mehr von ihnen außer Landes gingen, desto unbe-
schränkter konnte sich unterdes der Einfluß des zurückbleibenden
Kaisers, der sich gleichwohl die Leitung des Unternehmens wahrte,
geltend machen. Diesmal wurde der bequemere und gefahrlosere
Seeweg gewählt. Alles war in Bereitschaft. Die Flotte segelte im
September 1197 von Sizilien ab.

Kurz darauf ist der Herrscher, der ihre Fahrt mit den kühnsten
Hoffnungen begleitete, dem eben die Ernte mühevoller Saaten zu
reifen begann, plötzlich mit zweiunddreißig Jahren als ein Opfer des
sizilianischen Sommers dahingerafft worden (28. Sept. 1197). Seine
Gebeine ruhen noch heute im Dom von Palermo.

Sein früher, unerwarteter Tod war die furchtbarste Katastrophe
der mittelalterlichen Geschichte Deutschlands. Ein Rückschlag wäre
ja auch ohne das einmal auf die Überspannung der imperialistischen
Tendenzen eingetreten, denn an ein organisches Zusammenwachsen
aller dieser beherrschten, verlehnten oder beanspruchten Länder-
massen war ja nicht zu denken. Aber solange dieser große
politische Rechner mit seiner kühlen Phantasie an der Spitze stand,
hätte immerhin ein zeitliches Gebilde, wie etwa das Weltreich
Karls V., erstehen können, und wie alsdann dessen ungeheure
Machtmittel zur Stärkung der Monarchie gegenüber Papsttum und
Fürstengewalt verwandt worden wären, das können wir an der
Hand bedeutsamer Ansätze nur ahnen. Freilich nicht das war das
Schlimmste, daß solche Pläne unausgeführt blieben, sondern daß
der Führer eben in dem Augenblicke zu Boden sank, wo er in
unwiderstehlichem Vorsturm die gegnerischen Kräfte ringsum zwar
zurückgeworfen, aber auch zusammengeballt hatte, und der gedoppelte
Widerstand, dessen er selbst Herr geworden wäre, einem unmündigen
Kinde und einem zerrissenen Deutschland gegenüber das Bild nun
mit einem Schlage in sein Widerspiel verkehrte.

1) Vgl. v. Heinemann, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 9.
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[182/0190] Die Zeit der Staufer. völligen Säkularisation des Kirchenstaats hat aufkommen lassen 1), wie sie jedes noch so verwerfliche Mittel zu geheimen Gegen- wirkungen und Friedenstörungen ergriff. Der Kreuzzug mußte ihrer Agitation gewisse Schranken setzen. Er stand ferner in enger Beziehung zu dem gleichzeitig betriebenen Erbkaiserplane, dessen Annahme Heinrich vielleicht zur Voraussetzung einer persönlichen Teilnahme gemacht hat. Er sollte den Glanz des Kaisertums steigern, seine Herrschaft und seinen Einfluß noch weiter ausdehnen. Die Aussichten im Orient hatten sich durch den Tod Saladins, dem neue Spaltungen folgten, erheblich gebessert. Der Kaiser selbst stellte für das Unternehmen eine besoldete Kerntruppe, an die sich die zahlreich teilnehmenden Fürsten und Großen des Reiches an- schlossen. Je mehr von ihnen außer Landes gingen, desto unbe- schränkter konnte sich unterdes der Einfluß des zurückbleibenden Kaisers, der sich gleichwohl die Leitung des Unternehmens wahrte, geltend machen. Diesmal wurde der bequemere und gefahrlosere Seeweg gewählt. Alles war in Bereitschaft. Die Flotte segelte im September 1197 von Sizilien ab. Kurz darauf ist der Herrscher, der ihre Fahrt mit den kühnsten Hoffnungen begleitete, dem eben die Ernte mühevoller Saaten zu reifen begann, plötzlich mit zweiunddreißig Jahren als ein Opfer des sizilianischen Sommers dahingerafft worden (28. Sept. 1197). Seine Gebeine ruhen noch heute im Dom von Palermo. Sein früher, unerwarteter Tod war die furchtbarste Katastrophe der mittelalterlichen Geschichte Deutschlands. Ein Rückschlag wäre ja auch ohne das einmal auf die Überspannung der imperialistischen Tendenzen eingetreten, denn an ein organisches Zusammenwachsen aller dieser beherrschten, verlehnten oder beanspruchten Länder- massen war ja nicht zu denken. Aber solange dieser große politische Rechner mit seiner kühlen Phantasie an der Spitze stand, hätte immerhin ein zeitliches Gebilde, wie etwa das Weltreich Karls V., erstehen können, und wie alsdann dessen ungeheure Machtmittel zur Stärkung der Monarchie gegenüber Papsttum und Fürstengewalt verwandt worden wären, das können wir an der Hand bedeutsamer Ansätze nur ahnen. Freilich nicht das war das Schlimmste, daß solche Pläne unausgeführt blieben, sondern daß der Führer eben in dem Augenblicke zu Boden sank, wo er in unwiderstehlichem Vorsturm die gegnerischen Kräfte ringsum zwar zurückgeworfen, aber auch zusammengeballt hatte, und der gedoppelte Widerstand, dessen er selbst Herr geworden wäre, einem unmündigen Kinde und einem zerrissenen Deutschland gegenüber das Bild nun mit einem Schlage in sein Widerspiel verkehrte. 1) Vgl. v. Heinemann, Mitt. d. Inst. f. öst. Gesch. 9.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/190>, abgerufen am 06.05.2024.