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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 14. Heinrich VI. (1190-1197).
samer Schritt auf der Bahn der Weltherrschaftspolitik! Einzig das
demütigende Ansinnen, als Vasall dem Kaiser gegen seinen bis-
herigen Verbündeten Tancred persönlich Heeresfolge zu leisten, hat
Richard standhaft verweigert und schließlich durch eine Erhöhung
des Lösegeldes abgekauft.

Die Bedingungen beweisen aufs neue, wie ausschließlich noch
immer der Gedanke der Erwerbung Siziliens Heinrichs Politik be-
herrschte. Weit gesicherter im Rücken, nach umfassenderen Zu-
rüstungen, durch Abmachungen mit Genua und Pisa auch zur See
gefördert, trat er 1194 seinen zweiten Zug in sein Erbreich an.
Auch dort war ein bedeutsamer Wandel zu seinen Gunsten einge-
treten. Tancred, der inzwischen in beständigen Kämpfen stetige
Fortschritte gemacht, gegen kirchliche Zugeständnisse vom Papste
die feierliche Belehnung mit Sizilien erlangt und unter Vermittlung
Coelestins den aussichtslosen Versuch gemacht hatte, durch groß-
mütige Freigabe Konstanzens auch Heinrichs Großmut wachzurufen,
hätte dem neuen Angriff schwerlich zu widerstehen vermocht. Aber
er war schon im Beginn des Jahres plötzlich gestorben, und gegen
den an seiner Stelle auf den Thron gehobenen unmündigen Sohn
Wilhelm III. hatte nun Heinrich von vornherein gewonnenes Spiel.
Noch Ende 1194 zog er triumphierend in Palermo ein. Der junge
König mit seinen Angehörigen wurde nach anfänglicher Abfindung
infolge einer Verschwörung der Barone in die Verbannung nach
Deutschland geschickt. Heinrich stand an dem ersehnten Ziel.

Jetzt galt es, das Errungene zu sichern und dauernd mit dem
Imperium zu vereinigen. Dafür war von vornherein von unermeß-
licher Bedeutung, daß ihm ebendamals seine bereits vierzigjährige
Gemahlin ihren ersten und einzigen Sohn gebar (26. Dez. 1194),
der, gleichsam als ein Eckstein beide Dynastien und ruhmreiche
Überlieferungen in seiner Person vereinigend, die großen Namen
Friedrich Roger erhielt.1) Er war der geborene Erbe Siziliens;
wenn es gelang, eine staatsrechtliche Vereinigung beider Reiche
herzustellen, so mußte sich das sizilische Erbrecht auf das römische
König- und Kaisertum übertragen. Beides hing unlöslich zusammen.
So entsprang der Plan eines Erbkaisertums2) nicht eigentlich den
Bedürfnissen Deutschlands, sondern dem Wunsche einer dauernden
Angliederung Siziliens; seine Durchführung hätte dem Reiche an
Stelle des deutschen endgültig den römisch-universellen Charakter
aufgeprägt. Denkwürdig genug bleibt der Versuch auch so für die

1) Ursprünglich war der Name Konstantin in Erinnerung an Konst. d.
Gr. beabsichtigt.
2) Die grundlegende Arbeit darüber ist die lateinische Bonner Diss. von
Ficker 1849, seitdem im einzelnen überholt; vgl. auch Krammer, s. o. S. 131.
Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 12

§ 14. Heinrich VI. (1190‒1197).
samer Schritt auf der Bahn der Weltherrschaftspolitik! Einzig das
demütigende Ansinnen, als Vasall dem Kaiser gegen seinen bis-
herigen Verbündeten Tancred persönlich Heeresfolge zu leisten, hat
Richard standhaft verweigert und schließlich durch eine Erhöhung
des Lösegeldes abgekauft.

Die Bedingungen beweisen aufs neue, wie ausschließlich noch
immer der Gedanke der Erwerbung Siziliens Heinrichs Politik be-
herrschte. Weit gesicherter im Rücken, nach umfassenderen Zu-
rüstungen, durch Abmachungen mit Genua und Pisa auch zur See
gefördert, trat er 1194 seinen zweiten Zug in sein Erbreich an.
Auch dort war ein bedeutsamer Wandel zu seinen Gunsten einge-
treten. Tancred, der inzwischen in beständigen Kämpfen stetige
Fortschritte gemacht, gegen kirchliche Zugeständnisse vom Papste
die feierliche Belehnung mit Sizilien erlangt und unter Vermittlung
Coelestins den aussichtslosen Versuch gemacht hatte, durch groß-
mütige Freigabe Konstanzens auch Heinrichs Großmut wachzurufen,
hätte dem neuen Angriff schwerlich zu widerstehen vermocht. Aber
er war schon im Beginn des Jahres plötzlich gestorben, und gegen
den an seiner Stelle auf den Thron gehobenen unmündigen Sohn
Wilhelm III. hatte nun Heinrich von vornherein gewonnenes Spiel.
Noch Ende 1194 zog er triumphierend in Palermo ein. Der junge
König mit seinen Angehörigen wurde nach anfänglicher Abfindung
infolge einer Verschwörung der Barone in die Verbannung nach
Deutschland geschickt. Heinrich stand an dem ersehnten Ziel.

Jetzt galt es, das Errungene zu sichern und dauernd mit dem
Imperium zu vereinigen. Dafür war von vornherein von unermeß-
licher Bedeutung, daß ihm ebendamals seine bereits vierzigjährige
Gemahlin ihren ersten und einzigen Sohn gebar (26. Dez. 1194),
der, gleichsam als ein Eckstein beide Dynastien und ruhmreiche
Überlieferungen in seiner Person vereinigend, die großen Namen
Friedrich Roger erhielt.1) Er war der geborene Erbe Siziliens;
wenn es gelang, eine staatsrechtliche Vereinigung beider Reiche
herzustellen, so mußte sich das sizilische Erbrecht auf das römische
König- und Kaisertum übertragen. Beides hing unlöslich zusammen.
So entsprang der Plan eines Erbkaisertums2) nicht eigentlich den
Bedürfnissen Deutschlands, sondern dem Wunsche einer dauernden
Angliederung Siziliens; seine Durchführung hätte dem Reiche an
Stelle des deutschen endgültig den römisch-universellen Charakter
aufgeprägt. Denkwürdig genug bleibt der Versuch auch so für die

1) Ursprünglich war der Name Konstantin in Erinnerung an Konst. d.
Gr. beabsichtigt.
2) Die grundlegende Arbeit darüber ist die lateinische Bonner Diss. von
Ficker 1849, seitdem im einzelnen überholt; vgl. auch Krammer, s. o. S. 131.
Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 12
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[177/0185] § 14. Heinrich VI. (1190‒1197). samer Schritt auf der Bahn der Weltherrschaftspolitik! Einzig das demütigende Ansinnen, als Vasall dem Kaiser gegen seinen bis- herigen Verbündeten Tancred persönlich Heeresfolge zu leisten, hat Richard standhaft verweigert und schließlich durch eine Erhöhung des Lösegeldes abgekauft. Die Bedingungen beweisen aufs neue, wie ausschließlich noch immer der Gedanke der Erwerbung Siziliens Heinrichs Politik be- herrschte. Weit gesicherter im Rücken, nach umfassenderen Zu- rüstungen, durch Abmachungen mit Genua und Pisa auch zur See gefördert, trat er 1194 seinen zweiten Zug in sein Erbreich an. Auch dort war ein bedeutsamer Wandel zu seinen Gunsten einge- treten. Tancred, der inzwischen in beständigen Kämpfen stetige Fortschritte gemacht, gegen kirchliche Zugeständnisse vom Papste die feierliche Belehnung mit Sizilien erlangt und unter Vermittlung Coelestins den aussichtslosen Versuch gemacht hatte, durch groß- mütige Freigabe Konstanzens auch Heinrichs Großmut wachzurufen, hätte dem neuen Angriff schwerlich zu widerstehen vermocht. Aber er war schon im Beginn des Jahres plötzlich gestorben, und gegen den an seiner Stelle auf den Thron gehobenen unmündigen Sohn Wilhelm III. hatte nun Heinrich von vornherein gewonnenes Spiel. Noch Ende 1194 zog er triumphierend in Palermo ein. Der junge König mit seinen Angehörigen wurde nach anfänglicher Abfindung infolge einer Verschwörung der Barone in die Verbannung nach Deutschland geschickt. Heinrich stand an dem ersehnten Ziel. Jetzt galt es, das Errungene zu sichern und dauernd mit dem Imperium zu vereinigen. Dafür war von vornherein von unermeß- licher Bedeutung, daß ihm ebendamals seine bereits vierzigjährige Gemahlin ihren ersten und einzigen Sohn gebar (26. Dez. 1194), der, gleichsam als ein Eckstein beide Dynastien und ruhmreiche Überlieferungen in seiner Person vereinigend, die großen Namen Friedrich Roger erhielt. 1) Er war der geborene Erbe Siziliens; wenn es gelang, eine staatsrechtliche Vereinigung beider Reiche herzustellen, so mußte sich das sizilische Erbrecht auf das römische König- und Kaisertum übertragen. Beides hing unlöslich zusammen. So entsprang der Plan eines Erbkaisertums 2) nicht eigentlich den Bedürfnissen Deutschlands, sondern dem Wunsche einer dauernden Angliederung Siziliens; seine Durchführung hätte dem Reiche an Stelle des deutschen endgültig den römisch-universellen Charakter aufgeprägt. Denkwürdig genug bleibt der Versuch auch so für die 1) Ursprünglich war der Name Konstantin in Erinnerung an Konst. d. Gr. beabsichtigt. 2) Die grundlegende Arbeit darüber ist die lateinische Bonner Diss. von Ficker 1849, seitdem im einzelnen überholt; vgl. auch Krammer, s. o. S. 131. Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 12

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/185>, abgerufen am 25.11.2024.