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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 12. Weitere Kämpfe bis zur Beendigung des Schismas (1168-1177).
einem letzten, vernichtenden Schlage ausholte, das Papsttum und
seine italischen Bundesgenossen widerstehen? Sie hatten inzwischen
ihre Stellung behauptet, aber kaum befestigt. Der Lombardenbund
hatte sich zwar noch etwas erweitert, aber auch schon bedenklich
gelockert. Venedig, in einen erbitterten Kampf gegen den griechi-
schen Kaiser verwickelt und dadurch zeitweilig gar zu einem Zu-
sammenwirken mit den deutschen Reichstruppen gegen das von den
Griechen besetzte Ancona geführt, stand tatsächlich schon außerhalb
des Bundes; im Schoße der Lombardei selbst erwachten alte Neben-
buhlerschaften, das neuerstarkende Mailand bedrohte die Führerrolle
Cremonas.

Als der Kaiser 1174 zu einem fünften Romzuge aufbrach, war
zwar seine Heeresmacht von etwa 8000 Kriegern nicht etwa glänzend
zu nennen, -- noch wirkte die Erinnerung an das tückische Klima
Italiens nach, und den mächtigsten Reichsfürsten Heinrich den
Löwen für die Fahrt zu verpflichten, war leider auch diesmal nicht
gelungen; aber man durfte nach dem ersten Erfolge auf starken
Zuzug in Italien rechnen, und der diplomatischen Kunst Friedrichs
war die Aufgabe gestellt, den Papst von den Lombarden nach
Möglichkeit abzuziehen.

Die Wucht des deutschen Angriffs, die die westlichen Teile
der Lombardei im Fluge für das Reich zurückgewann, brach sich
erst an den Wällen und Gräben Alessandrias, der wegen ihrer
dörflichen Unfertigkeit wohl verspotteten "Strohstadt", die sich aber
jetzt in sechsmonatlicher, zäher, verlustbringender Verteidigung als
"Eisenstadt" erwies. Das entschied das Los des Feldzuges, und
mehr; es zeigte Friedrich die Widerstandsfähigkeit seiner Gegner
und bestimmte ihn zu einer Herabminderung seiner politischen Ab-
sichten in der Lombardei. Als daher endlich ein starkes Ersatzheer
der Bündler herannahte, zog er einen Ausgleich der kriegerischen
Entscheidung vor, und die Lombarden, vor sich den unbesiegten
Kaiser, hinter sich den von der Romagna her vordringenden Erz-
bischof von Mainz, voll Mißtrauen gegen ihren eignen Zusammen-
halt, kamen trotz augenblicklicher Überlegenheit seinem Wunsche
entgegen. So entstand der Vertrag von Montebello (1175), der
Form nach eine Unterwerfung der Lombarden unter die Gnade
des Kaisers, dem Wesen nach eine Einigung auf schiedsgericht-
lichen Austrag der gegensätzlichen Forderungen, beiderseitig unter
so bindenden Verpflichtungen, daß die Abmachung nicht etwa nur
als ein Waffenstillstand, sondern als der Friede selbst betrachtet
werden durfte. Denn die letzten nicht wegzuräumenden Streit-
punkte sollten durch einen unbedingt bindenden Wahrspruch der
Konsuln Cremonas entschieden werden, das also trotz seiner noch

§ 12. Weitere Kämpfe bis zur Beendigung des Schismas (1168‒1177).
einem letzten, vernichtenden Schlage ausholte, das Papsttum und
seine italischen Bundesgenossen widerstehen? Sie hatten inzwischen
ihre Stellung behauptet, aber kaum befestigt. Der Lombardenbund
hatte sich zwar noch etwas erweitert, aber auch schon bedenklich
gelockert. Venedig, in einen erbitterten Kampf gegen den griechi-
schen Kaiser verwickelt und dadurch zeitweilig gar zu einem Zu-
sammenwirken mit den deutschen Reichstruppen gegen das von den
Griechen besetzte Ancona geführt, stand tatsächlich schon außerhalb
des Bundes; im Schoße der Lombardei selbst erwachten alte Neben-
buhlerschaften, das neuerstarkende Mailand bedrohte die Führerrolle
Cremonas.

Als der Kaiser 1174 zu einem fünften Romzuge aufbrach, war
zwar seine Heeresmacht von etwa 8000 Kriegern nicht etwa glänzend
zu nennen, — noch wirkte die Erinnerung an das tückische Klima
Italiens nach, und den mächtigsten Reichsfürsten Heinrich den
Löwen für die Fahrt zu verpflichten, war leider auch diesmal nicht
gelungen; aber man durfte nach dem ersten Erfolge auf starken
Zuzug in Italien rechnen, und der diplomatischen Kunst Friedrichs
war die Aufgabe gestellt, den Papst von den Lombarden nach
Möglichkeit abzuziehen.

Die Wucht des deutschen Angriffs, die die westlichen Teile
der Lombardei im Fluge für das Reich zurückgewann, brach sich
erst an den Wällen und Gräben Alessandrias, der wegen ihrer
dörflichen Unfertigkeit wohl verspotteten „Strohstadt“, die sich aber
jetzt in sechsmonatlicher, zäher, verlustbringender Verteidigung als
„Eisenstadt“ erwies. Das entschied das Los des Feldzuges, und
mehr; es zeigte Friedrich die Widerstandsfähigkeit seiner Gegner
und bestimmte ihn zu einer Herabminderung seiner politischen Ab-
sichten in der Lombardei. Als daher endlich ein starkes Ersatzheer
der Bündler herannahte, zog er einen Ausgleich der kriegerischen
Entscheidung vor, und die Lombarden, vor sich den unbesiegten
Kaiser, hinter sich den von der Romagna her vordringenden Erz-
bischof von Mainz, voll Mißtrauen gegen ihren eignen Zusammen-
halt, kamen trotz augenblicklicher Überlegenheit seinem Wunsche
entgegen. So entstand der Vertrag von Montebello (1175), der
Form nach eine Unterwerfung der Lombarden unter die Gnade
des Kaisers, dem Wesen nach eine Einigung auf schiedsgericht-
lichen Austrag der gegensätzlichen Forderungen, beiderseitig unter
so bindenden Verpflichtungen, daß die Abmachung nicht etwa nur
als ein Waffenstillstand, sondern als der Friede selbst betrachtet
werden durfte. Denn die letzten nicht wegzuräumenden Streit-
punkte sollten durch einen unbedingt bindenden Wahrspruch der
Konsuln Cremonas entschieden werden, das also trotz seiner noch

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[149/0157] § 12. Weitere Kämpfe bis zur Beendigung des Schismas (1168‒1177). einem letzten, vernichtenden Schlage ausholte, das Papsttum und seine italischen Bundesgenossen widerstehen? Sie hatten inzwischen ihre Stellung behauptet, aber kaum befestigt. Der Lombardenbund hatte sich zwar noch etwas erweitert, aber auch schon bedenklich gelockert. Venedig, in einen erbitterten Kampf gegen den griechi- schen Kaiser verwickelt und dadurch zeitweilig gar zu einem Zu- sammenwirken mit den deutschen Reichstruppen gegen das von den Griechen besetzte Ancona geführt, stand tatsächlich schon außerhalb des Bundes; im Schoße der Lombardei selbst erwachten alte Neben- buhlerschaften, das neuerstarkende Mailand bedrohte die Führerrolle Cremonas. Als der Kaiser 1174 zu einem fünften Romzuge aufbrach, war zwar seine Heeresmacht von etwa 8000 Kriegern nicht etwa glänzend zu nennen, — noch wirkte die Erinnerung an das tückische Klima Italiens nach, und den mächtigsten Reichsfürsten Heinrich den Löwen für die Fahrt zu verpflichten, war leider auch diesmal nicht gelungen; aber man durfte nach dem ersten Erfolge auf starken Zuzug in Italien rechnen, und der diplomatischen Kunst Friedrichs war die Aufgabe gestellt, den Papst von den Lombarden nach Möglichkeit abzuziehen. Die Wucht des deutschen Angriffs, die die westlichen Teile der Lombardei im Fluge für das Reich zurückgewann, brach sich erst an den Wällen und Gräben Alessandrias, der wegen ihrer dörflichen Unfertigkeit wohl verspotteten „Strohstadt“, die sich aber jetzt in sechsmonatlicher, zäher, verlustbringender Verteidigung als „Eisenstadt“ erwies. Das entschied das Los des Feldzuges, und mehr; es zeigte Friedrich die Widerstandsfähigkeit seiner Gegner und bestimmte ihn zu einer Herabminderung seiner politischen Ab- sichten in der Lombardei. Als daher endlich ein starkes Ersatzheer der Bündler herannahte, zog er einen Ausgleich der kriegerischen Entscheidung vor, und die Lombarden, vor sich den unbesiegten Kaiser, hinter sich den von der Romagna her vordringenden Erz- bischof von Mainz, voll Mißtrauen gegen ihren eignen Zusammen- halt, kamen trotz augenblicklicher Überlegenheit seinem Wunsche entgegen. So entstand der Vertrag von Montebello (1175), der Form nach eine Unterwerfung der Lombarden unter die Gnade des Kaisers, dem Wesen nach eine Einigung auf schiedsgericht- lichen Austrag der gegensätzlichen Forderungen, beiderseitig unter so bindenden Verpflichtungen, daß die Abmachung nicht etwa nur als ein Waffenstillstand, sondern als der Friede selbst betrachtet werden durfte. Denn die letzten nicht wegzuräumenden Streit- punkte sollten durch einen unbedingt bindenden Wahrspruch der Konsuln Cremonas entschieden werden, das also trotz seiner noch

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/157>, abgerufen am 06.05.2024.