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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157-1167).
So widerstrebend Friedrich letzthin der genialen Gewaltpolitik dieses
Mannes mitunter gefolgt sein mochte, so sehr sein eignes Tempe-
rament ihn auf eine maßvollere und vorsichtigere Behandlung der
Dinge wies, die ihm dann auch die späteren großen Erfolge ein-
tragen sollte, -- Mannesmut und Schwungkraft, Erfindungsgabe und
Organisationstalent des treuen Dieners hatten ihren Eindruck auf
ihn nie verfehlt, und sein Hinscheiden schien eine unausfüllbare Lücke
zu hinterlassen. So hat er noch den Toten mit Ehren überhäuft
und es rühmend gepriesen, wie er, "stets bedacht gewesen sei,
Ehre und Mehrung des Reiches allen eignen Vorteilen voranzustellen
und mit glühender Seele alles zu fördern, was dem kaiserlichen
Ruhme dienstlich sei".

Jetzt war weder an eine Fortsetzung des Feldzuges gegen
Alexander und Sizilien, noch an längeres Verweilen auf dem durch-
seuchten Boden Roms zu denken. Eilends wandte sich der Kaiser
mit den Trümmern seines Heeres nordwärts durch Tuszien und
gelangte nur noch mit Mühe über den Apennin nach Pavia.
Denn in der Lombardei war inzwischen ein völliger Umschwung ein-
getreten, durch den Eindruck des "römischen Gottesgerichts" mächtig
gefördert, aber nicht erst hervorgerufen. Als das Erscheinen des
Kaisers in der Lombardei statt der erhofften Milderung nur ge-
doppelte Strenge gebracht hatte, waren im Frühjahr kurz nach
seinem Abmarsch, nicht ohne alexandrinische und venezianische
Einwirkungen, insgeheim vier Städte, darunter das vielbegünstigte,
aber in seinen weiteren Ansprüchen doch enttäuschte Cremona, zu
einem Bunde1) zusammengetreten, hatten sich mit den Mailändern,
die gegen ein Wiedererstehen ihrer alten drückenden Vorherrschaft
Sicherheit leisteten, in Beziehung gesetzt und bereits in offener
Auflehnung den Aufbau ihrer zerstörten Stadt in Angriff genommen.
Seitdem hatte sich der Bund nicht ohne Zwang auf im ganzen
acht Städte erweitert, deren zusammenhängende Gebiete den Kern
der Lombardei bildeten, und bei dem Veroneser Bunde freudige
Unterstützung gefunden. Das ausgesprochene Ziel war die Ab-
schüttelung des kaiserlichen Beamtenregiments, Herstellung der freien
Selbstverwaltung und Regaliennutzung. Was der Kaiser der Lom-
bardei anfangs durch Beseitigung der Mailänder Vorherrschaft und
Zügelung der wilden Konkurrenzkämpfe an Segen gebracht hatte,
sollte künftig durch die Bundesbehörde der Rektoren geleistet
werden, zu der jede Stadt einen ihrer Konsuln entsandte; ihnen

1) Das urkundliche Material für die Entstehung des Lombardenbundes
gibt Vignati, Storia diplomatica della lega lombarda 1866; dazu vgl. Ficker,
Z. Gesch. des Lombardenbundes, S. B. der Wiener Akad. 1868.
Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 10

§ 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157‒1167).
So widerstrebend Friedrich letzthin der genialen Gewaltpolitik dieses
Mannes mitunter gefolgt sein mochte, so sehr sein eignes Tempe-
rament ihn auf eine maßvollere und vorsichtigere Behandlung der
Dinge wies, die ihm dann auch die späteren großen Erfolge ein-
tragen sollte, — Mannesmut und Schwungkraft, Erfindungsgabe und
Organisationstalent des treuen Dieners hatten ihren Eindruck auf
ihn nie verfehlt, und sein Hinscheiden schien eine unausfüllbare Lücke
zu hinterlassen. So hat er noch den Toten mit Ehren überhäuft
und es rühmend gepriesen, wie er, „stets bedacht gewesen sei,
Ehre und Mehrung des Reiches allen eignen Vorteilen voranzustellen
und mit glühender Seele alles zu fördern, was dem kaiserlichen
Ruhme dienstlich sei“.

Jetzt war weder an eine Fortsetzung des Feldzuges gegen
Alexander und Sizilien, noch an längeres Verweilen auf dem durch-
seuchten Boden Roms zu denken. Eilends wandte sich der Kaiser
mit den Trümmern seines Heeres nordwärts durch Tuszien und
gelangte nur noch mit Mühe über den Apennin nach Pavia.
Denn in der Lombardei war inzwischen ein völliger Umschwung ein-
getreten, durch den Eindruck des „römischen Gottesgerichts“ mächtig
gefördert, aber nicht erst hervorgerufen. Als das Erscheinen des
Kaisers in der Lombardei statt der erhofften Milderung nur ge-
doppelte Strenge gebracht hatte, waren im Frühjahr kurz nach
seinem Abmarsch, nicht ohne alexandrinische und venezianische
Einwirkungen, insgeheim vier Städte, darunter das vielbegünstigte,
aber in seinen weiteren Ansprüchen doch enttäuschte Cremona, zu
einem Bunde1) zusammengetreten, hatten sich mit den Mailändern,
die gegen ein Wiedererstehen ihrer alten drückenden Vorherrschaft
Sicherheit leisteten, in Beziehung gesetzt und bereits in offener
Auflehnung den Aufbau ihrer zerstörten Stadt in Angriff genommen.
Seitdem hatte sich der Bund nicht ohne Zwang auf im ganzen
acht Städte erweitert, deren zusammenhängende Gebiete den Kern
der Lombardei bildeten, und bei dem Veroneser Bunde freudige
Unterstützung gefunden. Das ausgesprochene Ziel war die Ab-
schüttelung des kaiserlichen Beamtenregiments, Herstellung der freien
Selbstverwaltung und Regaliennutzung. Was der Kaiser der Lom-
bardei anfangs durch Beseitigung der Mailänder Vorherrschaft und
Zügelung der wilden Konkurrenzkämpfe an Segen gebracht hatte,
sollte künftig durch die Bundesbehörde der Rektoren geleistet
werden, zu der jede Stadt einen ihrer Konsuln entsandte; ihnen

1) Das urkundliche Material für die Entstehung des Lombardenbundes
gibt Vignati, Storia diplomatica della lega lombarda 1866; dazu vgl. Ficker,
Z. Gesch. des Lombardenbundes, S. B. der Wiener Akad. 1868.
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[145/0153] § 11. Reaktionäre Politik unter d. Einfluß Reinalds v. Dassel (1157‒1167). So widerstrebend Friedrich letzthin der genialen Gewaltpolitik dieses Mannes mitunter gefolgt sein mochte, so sehr sein eignes Tempe- rament ihn auf eine maßvollere und vorsichtigere Behandlung der Dinge wies, die ihm dann auch die späteren großen Erfolge ein- tragen sollte, — Mannesmut und Schwungkraft, Erfindungsgabe und Organisationstalent des treuen Dieners hatten ihren Eindruck auf ihn nie verfehlt, und sein Hinscheiden schien eine unausfüllbare Lücke zu hinterlassen. So hat er noch den Toten mit Ehren überhäuft und es rühmend gepriesen, wie er, „stets bedacht gewesen sei, Ehre und Mehrung des Reiches allen eignen Vorteilen voranzustellen und mit glühender Seele alles zu fördern, was dem kaiserlichen Ruhme dienstlich sei“. Jetzt war weder an eine Fortsetzung des Feldzuges gegen Alexander und Sizilien, noch an längeres Verweilen auf dem durch- seuchten Boden Roms zu denken. Eilends wandte sich der Kaiser mit den Trümmern seines Heeres nordwärts durch Tuszien und gelangte nur noch mit Mühe über den Apennin nach Pavia. Denn in der Lombardei war inzwischen ein völliger Umschwung ein- getreten, durch den Eindruck des „römischen Gottesgerichts“ mächtig gefördert, aber nicht erst hervorgerufen. Als das Erscheinen des Kaisers in der Lombardei statt der erhofften Milderung nur ge- doppelte Strenge gebracht hatte, waren im Frühjahr kurz nach seinem Abmarsch, nicht ohne alexandrinische und venezianische Einwirkungen, insgeheim vier Städte, darunter das vielbegünstigte, aber in seinen weiteren Ansprüchen doch enttäuschte Cremona, zu einem Bunde 1) zusammengetreten, hatten sich mit den Mailändern, die gegen ein Wiedererstehen ihrer alten drückenden Vorherrschaft Sicherheit leisteten, in Beziehung gesetzt und bereits in offener Auflehnung den Aufbau ihrer zerstörten Stadt in Angriff genommen. Seitdem hatte sich der Bund nicht ohne Zwang auf im ganzen acht Städte erweitert, deren zusammenhängende Gebiete den Kern der Lombardei bildeten, und bei dem Veroneser Bunde freudige Unterstützung gefunden. Das ausgesprochene Ziel war die Ab- schüttelung des kaiserlichen Beamtenregiments, Herstellung der freien Selbstverwaltung und Regaliennutzung. Was der Kaiser der Lom- bardei anfangs durch Beseitigung der Mailänder Vorherrschaft und Zügelung der wilden Konkurrenzkämpfe an Segen gebracht hatte, sollte künftig durch die Bundesbehörde der Rektoren geleistet werden, zu der jede Stadt einen ihrer Konsuln entsandte; ihnen 1) Das urkundliche Material für die Entstehung des Lombardenbundes gibt Vignati, Storia diplomatica della lega lombarda 1866; dazu vgl. Ficker, Z. Gesch. des Lombardenbundes, S. B. der Wiener Akad. 1868. Hampe, Deutsche Kaisergeschichte. 10

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/153>, abgerufen am 06.05.2024.