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Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909.

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II. Die Zeit der Staufer.
Englands mit dem Reiche stellte daher eine schlechthin un-
widerstehliche Macht dar und schien eine siegreiche Beendigung
des Schismas zu verbürgen. Unter dem Eindruck dieses Erfolges
wußte Reinald Kaiser und Reichstag in Würzburg zu verhängnisvollen
Beschlüssen fortzureißen.1) Friedrich, die erschienenen englischen
Gesandten und alle geistlichen und weltlichen Fürsten verpflichteten
sich mit den bindendsten Eiden, nie Alexander anzuerkennen, stets an
Paschalis oder einem von dessen Partei gewählten Nachfolger fest-
zuhalten. Wer von den Großen im Lande nicht binnen sechs
Wochen denselben Eid leisten würde, den sollte als Reichsfeind
Verbannung und Verlust von Amt, Lehen und Eigen treffen. So
sollte die deutsche Kirche von den alexandrinischen oder unsicheren
Elementen gründlich gereinigt, und durch die Festlegung der poli-
tischen Richtung dem Gegner jede Hoffnung auf Verständigung
genommen werden.

In der Tat ging man mit aller Schärfe an die Durchführung;
selbst der erste Erzbischof des Reiches Konrad von Mainz ward
als Alexandriner ersetzt durch Friedrichs Kanzler, den ganz welt-
lich gerichteten, als Staatsmann und Feldherr hervorragenden
Christian von Buch. Auch sonst wurden die alexandrinischen
Geistlichen, insbesondere Zisterziensermönche, scharenweis aus dem
Reiche getrieben; im Salzburgischen entbrannten heftige Kämpfe,
die den greisen Propst Gerhoh von Reichersberg an der stets er-
strebten Versöhnung zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt ver-
zweifeln ließen. Es war doch ein gewalttätiger Gewissenszwang,
der notwendig starken Gegendruck erzeugen mußte. Auch politisch
war diese Beschränkung der eignen Bewegungsfreiheit für alle
Zukunft schwerlich ratsam, um so weniger, als sich der neue eng-
lische Verbündete, in der auswärtigen Politik stets rücksichtslos
opportunistisch, trotz des Schwurs seiner Gesandten keineswegs in

1) Die Verhandlungen dieses wichtigen Reichstages bieten durch den
Mangel guter Berichterstattung der Forschung ein schwieriges Problem. Zwischen
dem entstellenden Bericht eines ungenannten Alexandriners, dem man früher
zu einseitig folgte, und dem schönfärbenden kaiserlichen Manifest gilt es die
Mitte zu halten, vgl. Watterich, Vitae pontif. II, 547 und Constit. I, 314 ff.
An Widerstand gegen die Beschlüsse scheint es nicht ganz gefehlt zu haben.
Von einem heftigen Zwiespalt zwischen Reinald und seinem kaiserlichen Herrn
kann aber, selbst wenn man jenen als das treibende Element betrachtet,
schwerlich die Rede sein. Auch Reinalds Zaudern, die Weihen zu nehmen,
entsprang gewiß nicht einer egoistischen Selbstsicherung für den Fall einer
Preisgabe des Gegenpapstes, -- denn was hätte dieser Mann für sich von
Alexander noch erwarten können? -- sondern dürfte mit dem Besitz seiner drei
Dompropsteien in Verbindung stehen, wie Schambach in der oben angekündigten
Arbeit sehr wahrscheinlich macht, indem er nachweist, daß Reinald deren
Verwaltung und Einkünfte bisher als Erwählter noch beibehalten hatte.

II. Die Zeit der Staufer.
Englands mit dem Reiche stellte daher eine schlechthin un-
widerstehliche Macht dar und schien eine siegreiche Beendigung
des Schismas zu verbürgen. Unter dem Eindruck dieses Erfolges
wußte Reinald Kaiser und Reichstag in Würzburg zu verhängnisvollen
Beschlüssen fortzureißen.1) Friedrich, die erschienenen englischen
Gesandten und alle geistlichen und weltlichen Fürsten verpflichteten
sich mit den bindendsten Eiden, nie Alexander anzuerkennen, stets an
Paschalis oder einem von dessen Partei gewählten Nachfolger fest-
zuhalten. Wer von den Großen im Lande nicht binnen sechs
Wochen denselben Eid leisten würde, den sollte als Reichsfeind
Verbannung und Verlust von Amt, Lehen und Eigen treffen. So
sollte die deutsche Kirche von den alexandrinischen oder unsicheren
Elementen gründlich gereinigt, und durch die Festlegung der poli-
tischen Richtung dem Gegner jede Hoffnung auf Verständigung
genommen werden.

In der Tat ging man mit aller Schärfe an die Durchführung;
selbst der erste Erzbischof des Reiches Konrad von Mainz ward
als Alexandriner ersetzt durch Friedrichs Kanzler, den ganz welt-
lich gerichteten, als Staatsmann und Feldherr hervorragenden
Christian von Buch. Auch sonst wurden die alexandrinischen
Geistlichen, insbesondere Zisterziensermönche, scharenweis aus dem
Reiche getrieben; im Salzburgischen entbrannten heftige Kämpfe,
die den greisen Propst Gerhoh von Reichersberg an der stets er-
strebten Versöhnung zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt ver-
zweifeln ließen. Es war doch ein gewalttätiger Gewissenszwang,
der notwendig starken Gegendruck erzeugen mußte. Auch politisch
war diese Beschränkung der eignen Bewegungsfreiheit für alle
Zukunft schwerlich ratsam, um so weniger, als sich der neue eng-
lische Verbündete, in der auswärtigen Politik stets rücksichtslos
opportunistisch, trotz des Schwurs seiner Gesandten keineswegs in

1) Die Verhandlungen dieses wichtigen Reichstages bieten durch den
Mangel guter Berichterstattung der Forschung ein schwieriges Problem. Zwischen
dem entstellenden Bericht eines ungenannten Alexandriners, dem man früher
zu einseitig folgte, und dem schönfärbenden kaiserlichen Manifest gilt es die
Mitte zu halten, vgl. Watterich, Vitae pontif. II, 547 und Constit. I, 314 ff.
An Widerstand gegen die Beschlüsse scheint es nicht ganz gefehlt zu haben.
Von einem heftigen Zwiespalt zwischen Reinald und seinem kaiserlichen Herrn
kann aber, selbst wenn man jenen als das treibende Element betrachtet,
schwerlich die Rede sein. Auch Reinalds Zaudern, die Weihen zu nehmen,
entsprang gewiß nicht einer egoistischen Selbstsicherung für den Fall einer
Preisgabe des Gegenpapstes, — denn was hätte dieser Mann für sich von
Alexander noch erwarten können? — sondern dürfte mit dem Besitz seiner drei
Dompropsteien in Verbindung stehen, wie Schambach in der oben angekündigten
Arbeit sehr wahrscheinlich macht, indem er nachweist, daß Reinald deren
Verwaltung und Einkünfte bisher als Erwählter noch beibehalten hatte.
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[142/0150] II. Die Zeit der Staufer. Englands mit dem Reiche stellte daher eine schlechthin un- widerstehliche Macht dar und schien eine siegreiche Beendigung des Schismas zu verbürgen. Unter dem Eindruck dieses Erfolges wußte Reinald Kaiser und Reichstag in Würzburg zu verhängnisvollen Beschlüssen fortzureißen. 1) Friedrich, die erschienenen englischen Gesandten und alle geistlichen und weltlichen Fürsten verpflichteten sich mit den bindendsten Eiden, nie Alexander anzuerkennen, stets an Paschalis oder einem von dessen Partei gewählten Nachfolger fest- zuhalten. Wer von den Großen im Lande nicht binnen sechs Wochen denselben Eid leisten würde, den sollte als Reichsfeind Verbannung und Verlust von Amt, Lehen und Eigen treffen. So sollte die deutsche Kirche von den alexandrinischen oder unsicheren Elementen gründlich gereinigt, und durch die Festlegung der poli- tischen Richtung dem Gegner jede Hoffnung auf Verständigung genommen werden. In der Tat ging man mit aller Schärfe an die Durchführung; selbst der erste Erzbischof des Reiches Konrad von Mainz ward als Alexandriner ersetzt durch Friedrichs Kanzler, den ganz welt- lich gerichteten, als Staatsmann und Feldherr hervorragenden Christian von Buch. Auch sonst wurden die alexandrinischen Geistlichen, insbesondere Zisterziensermönche, scharenweis aus dem Reiche getrieben; im Salzburgischen entbrannten heftige Kämpfe, die den greisen Propst Gerhoh von Reichersberg an der stets er- strebten Versöhnung zwischen geistlicher und weltlicher Gewalt ver- zweifeln ließen. Es war doch ein gewalttätiger Gewissenszwang, der notwendig starken Gegendruck erzeugen mußte. Auch politisch war diese Beschränkung der eignen Bewegungsfreiheit für alle Zukunft schwerlich ratsam, um so weniger, als sich der neue eng- lische Verbündete, in der auswärtigen Politik stets rücksichtslos opportunistisch, trotz des Schwurs seiner Gesandten keineswegs in 1) Die Verhandlungen dieses wichtigen Reichstages bieten durch den Mangel guter Berichterstattung der Forschung ein schwieriges Problem. Zwischen dem entstellenden Bericht eines ungenannten Alexandriners, dem man früher zu einseitig folgte, und dem schönfärbenden kaiserlichen Manifest gilt es die Mitte zu halten, vgl. Watterich, Vitae pontif. II, 547 und Constit. I, 314 ff. An Widerstand gegen die Beschlüsse scheint es nicht ganz gefehlt zu haben. Von einem heftigen Zwiespalt zwischen Reinald und seinem kaiserlichen Herrn kann aber, selbst wenn man jenen als das treibende Element betrachtet, schwerlich die Rede sein. Auch Reinalds Zaudern, die Weihen zu nehmen, entsprang gewiß nicht einer egoistischen Selbstsicherung für den Fall einer Preisgabe des Gegenpapstes, — denn was hätte dieser Mann für sich von Alexander noch erwarten können? — sondern dürfte mit dem Besitz seiner drei Dompropsteien in Verbindung stehen, wie Schambach in der oben angekündigten Arbeit sehr wahrscheinlich macht, indem er nachweist, daß Reinald deren Verwaltung und Einkünfte bisher als Erwählter noch beibehalten hatte.

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Zitationshilfe: Hampe, Karl: Deutsche Kaisergeschichte in der Zeit der Salier und Staufer. Leipzig, 1909, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hampe_kaisergeschichte_1909/150>, abgerufen am 02.05.2024.