[Hamann, Johann Georg]: Sokratische Denkwürdigkeiten. Amsterdam [i. e. Königsberg], 1759.war, vor der Stirn, ohne den Sinn davon eines
war, vor der Stirn, ohne den Sinn davon eines
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war, vor der Stirn, ohne den Sinn davon
zu begreifen. Der Gott lachte ohne Zweifel
unter ſeinen guͤldenen Bart, als ihm die
kuͤzliche Aufgabe zu Sokrates Zeiten vorge-
legt wurde: Wer der weiſeſte unter allen da-
mals lebenden Menſchen waͤre? Sopho-
kles und Euripides wuͤrden nicht ſo groſ-
ſe Muſter fuͤr die Schaubuͤhne, ohne Zerglie-
derungskunſt des menſchlichen Herzens, ge-
worden ſeyn. Sokrates uͤbertraf ſie aber
beyde an Weisheit, weil er in der Selbſter-
kenntnis weiter als jene gekommen war, und
wuſte, daß er nichts wuſte. Apoll antwor-
tete jedem ſchon vor der Schwelle; wer wei-
ſe waͤre und wie man es werden koͤnne? jetzt
war die Frage uͤbrig: Wer Sich Selbſt er-
kenne? und woran man ſich in dieſer Pruͤ-
fung zu halten haͤtte? Geh, Chaͤrephon,
lern es von Deinem Freunde. Kein Sterb-
licher kann die Achtſamkeit und Entaͤuſſerung
eines
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Zitationshilfe: | [Hamann, Johann Georg]: Sokratische Denkwürdigkeiten. Amsterdam [i. e. Königsberg], 1759, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hamann_denkwuerdigkeiten_1759/46>, abgerufen am 16.07.2024. |