Davon rührt auch die wunderbare Entkräftung ver- schnittner Menschen und Thiere her. Der Stier, ein ungemein wildes Thier, so beständig ergrimmt ist, ver- wandelt sich in einen völlig zahmen und geduldigen Ochsen.
Selbst der Mensch verliert mit seinen Hoden einen grossen Theil von der Lebhaftigkeit seiner Seele. So wurde einer der stärksten Jünglinge(r), da er sich selbst die Hoden verstümmelt hatte, bleich, Lendenlahm, und zu allen Geschäften untauglich. Verschnittne werden fast in Weiber verwandelt (s). Das Verschneiden heilte eine Tollheit (t). Durch diese Operation vermindert sich das Wachsthum des ganzen Körpers, die Leibeslänge bleibt niedrig (u), und dahingegen werden, wegen der Schwäche des Blutumlaufes selbst, verschnittne Thiere (w) so wie auch Hunde (x), Kazzen, Hirsche (x*) und Menschen fett; und wenn man den Erzählungen von den Menschenfressern, den Karaisten (y), Glauben bei- messen darf, so hatten sie die Gewohnheit, diejenige Ge- fangne zu verschneiden, welche sie zum Schlachtmesser bestimmten. Man sagt auch, daß davon die Drüsen im ganzen Körper anschwellen, und wäßriger werden sollen (z).
Jndessen stekkt in diesem Saamenreize nur eine mäs- sige Kraft. Es schadet nämlich ein gar zu grosser Reiz in der That, und da die Frauenspersonen sogleich in der Empfängniß einen Eckel und Erbrechen erfahren, so lieset man, daß Männer von der Stärke ihres eigenen Saamens, wenn sie sich von der Beiwohnung enthielten,
einen
(r)[Spaltenumbruch]TIMAEUS L. III. cas. 47.
(s)ARISTOT. gener anim. L. I. c. 2.
(t)Eph. Nat. Cur. Cent. I. obs. 62.
(u)SERRES. p. 384. 345. &c.
(w)BUFFON. T. IV. P. 444. II. p. 67. weil die organischen Theile nicht wegfliessen. Doch bei keuschen [Spaltenumbruch]
Personen fliessen sie auch nicht weg, und verschnittne Karpen werden ebenfalls fett.
(x)VESAL. p. 647.
(x*)RUSSEL. Oecon. nat. p. 22.
(y)CHARLEVOIX Histoire na- turelle de St. Domingue.
(z)MURALT. Vademecum p. 468.
Zeugungstheile. XXVII. Buch.
Davon ruͤhrt auch die wunderbare Entkraͤftung ver- ſchnittner Menſchen und Thiere her. Der Stier, ein ungemein wildes Thier, ſo beſtaͤndig ergrimmt iſt, ver- wandelt ſich in einen voͤllig zahmen und geduldigen Ochſen.
Selbſt der Menſch verliert mit ſeinen Hoden einen groſſen Theil von der Lebhaftigkeit ſeiner Seele. So wurde einer der ſtaͤrkſten Juͤnglinge(r), da er ſich ſelbſt die Hoden verſtuͤmmelt hatte, bleich, Lendenlahm, und zu allen Geſchaͤften untauglich. Verſchnittne werden faſt in Weiber verwandelt (s). Das Verſchneiden heilte eine Tollheit (t). Durch dieſe Operation vermindert ſich das Wachsthum des ganzen Koͤrpers, die Leibeslaͤnge bleibt niedrig (u), und dahingegen werden, wegen der Schwaͤche des Blutumlaufes ſelbſt, verſchnittne Thiere (w) ſo wie auch Hunde (x), Kazzen, Hirſche (x*) und Menſchen fett; und wenn man den Erzaͤhlungen von den Menſchenfreſſern, den Karaiſten (y), Glauben bei- meſſen darf, ſo hatten ſie die Gewohnheit, diejenige Ge- fangne zu verſchneiden, welche ſie zum Schlachtmeſſer beſtimmten. Man ſagt auch, daß davon die Druͤſen im ganzen Koͤrper anſchwellen, und waͤßriger werden ſollen (z).
Jndeſſen ſtekkt in dieſem Saamenreize nur eine maͤſ- ſige Kraft. Es ſchadet naͤmlich ein gar zu groſſer Reiz in der That, und da die Frauensperſonen ſogleich in der Empfaͤngniß einen Eckel und Erbrechen erfahren, ſo lieſet man, daß Maͤnner von der Staͤrke ihres eigenen Saamens, wenn ſie ſich von der Beiwohnung enthielten,
einen
(r)[Spaltenumbruch]TIMAEUS L. III. caſ. 47.
(s)ARISTOT. gener anim. L. I. c. 2.
(t)Eph. Nat. Cur. Cent. I. obſ. 62.
(u)SERRES. p. 384. 345. &c.
(w)BUFFON. T. IV. P. 444. II. p. 67. weil die organiſchen Theile nicht wegflieſſen. Doch bei keuſchen [Spaltenumbruch]
Perſonen flieſſen ſie auch nicht weg, und verſchnittne Karpen werden ebenfalls fett.
(x)VESAL. p. 647.
(x*)RUSSEL. Oecon. nat. p. 22.
(y)CHARLEVOIX Hiſtoire na- turelle de St. Domingue.
(z)MURALT. Vademecum p. 468.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0836"n="800"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Zeugungstheile. <hirendition="#aq">XXVII.</hi> Buch.</hi></fw><lb/><p>Davon ruͤhrt auch die wunderbare Entkraͤftung ver-<lb/>ſchnittner Menſchen und Thiere her. Der Stier, ein<lb/>
ungemein wildes Thier, ſo beſtaͤndig ergrimmt iſt, ver-<lb/>
wandelt ſich in einen voͤllig zahmen und geduldigen Ochſen.</p><lb/><p>Selbſt der Menſch verliert mit ſeinen Hoden einen<lb/>
groſſen Theil von der Lebhaftigkeit ſeiner Seele. So<lb/>
wurde einer der ſtaͤrkſten Juͤnglinge<noteplace="foot"n="(r)"><cb/><hirendition="#aq">TIMAEUS L. III. caſ.</hi> 47.</note>, da er ſich ſelbſt<lb/>
die Hoden verſtuͤmmelt hatte, bleich, Lendenlahm, und<lb/>
zu allen Geſchaͤften untauglich. Verſchnittne werden<lb/>
faſt in Weiber verwandelt <noteplace="foot"n="(s)"><hirendition="#aq">ARISTOT. gener anim. L.<lb/>
I. c.</hi> 2.</note>. Das Verſchneiden heilte<lb/>
eine Tollheit <noteplace="foot"n="(t)"><hirendition="#aq">Eph. Nat. Cur. Cent. I.<lb/>
obſ.</hi> 62.</note>. Durch dieſe Operation vermindert<lb/>ſich das Wachsthum des ganzen Koͤrpers, die Leibeslaͤnge<lb/>
bleibt niedrig <noteplace="foot"n="(u)"><hirendition="#aq">SERRES. p. 384. 345. &c.</hi></note>, und dahingegen werden, wegen der<lb/>
Schwaͤche des Blutumlaufes ſelbſt, verſchnittne Thiere<lb/><noteplace="foot"n="(w)"><hirendition="#aq">BUFFON. T. IV. P. 444.<lb/>
II. p.</hi> 67. weil die organiſchen Theile<lb/>
nicht wegflieſſen. Doch bei keuſchen<lb/><cb/>
Perſonen flieſſen ſie auch nicht weg,<lb/>
und verſchnittne Karpen werden<lb/>
ebenfalls fett.</note>ſo wie auch Hunde <noteplace="foot"n="(x)"><hirendition="#aq">VESAL. p.</hi> 647.</note>, Kazzen, Hirſche <noteplace="foot"n="(x*)"><hirendition="#aq">RUSSEL. Oecon. nat. p.</hi> 22.</note> und<lb/>
Menſchen fett; und wenn man den Erzaͤhlungen von<lb/>
den Menſchenfreſſern, den Karaiſten <noteplace="foot"n="(y)"><hirendition="#aq">CHARLEVOIX Hiſtoire na-<lb/>
turelle de St. Domingue.</hi></note>, Glauben bei-<lb/>
meſſen darf, ſo hatten ſie die Gewohnheit, diejenige Ge-<lb/>
fangne zu verſchneiden, welche ſie zum Schlachtmeſſer<lb/>
beſtimmten. Man ſagt auch, daß davon die Druͤſen<lb/>
im ganzen Koͤrper anſchwellen, und waͤßriger werden<lb/>ſollen <noteplace="foot"n="(z)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g">MURALT.</hi> Vademecum<lb/>
p.</hi> 468.</note>.</p><lb/><p>Jndeſſen ſtekkt in dieſem Saamenreize nur eine maͤſ-<lb/>ſige Kraft. Es ſchadet naͤmlich ein gar zu groſſer Reiz<lb/>
in der That, und da die Frauensperſonen ſogleich in<lb/>
der Empfaͤngniß einen Eckel und Erbrechen erfahren, ſo<lb/>
lieſet man, daß Maͤnner von der Staͤrke ihres eigenen<lb/>
Saamens, wenn ſie ſich von der Beiwohnung enthielten,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">einen</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[800/0836]
Zeugungstheile. XXVII. Buch.
Davon ruͤhrt auch die wunderbare Entkraͤftung ver-
ſchnittner Menſchen und Thiere her. Der Stier, ein
ungemein wildes Thier, ſo beſtaͤndig ergrimmt iſt, ver-
wandelt ſich in einen voͤllig zahmen und geduldigen Ochſen.
Selbſt der Menſch verliert mit ſeinen Hoden einen
groſſen Theil von der Lebhaftigkeit ſeiner Seele. So
wurde einer der ſtaͤrkſten Juͤnglinge (r), da er ſich ſelbſt
die Hoden verſtuͤmmelt hatte, bleich, Lendenlahm, und
zu allen Geſchaͤften untauglich. Verſchnittne werden
faſt in Weiber verwandelt (s). Das Verſchneiden heilte
eine Tollheit (t). Durch dieſe Operation vermindert
ſich das Wachsthum des ganzen Koͤrpers, die Leibeslaͤnge
bleibt niedrig (u), und dahingegen werden, wegen der
Schwaͤche des Blutumlaufes ſelbſt, verſchnittne Thiere
(w) ſo wie auch Hunde (x), Kazzen, Hirſche (x*) und
Menſchen fett; und wenn man den Erzaͤhlungen von
den Menſchenfreſſern, den Karaiſten (y), Glauben bei-
meſſen darf, ſo hatten ſie die Gewohnheit, diejenige Ge-
fangne zu verſchneiden, welche ſie zum Schlachtmeſſer
beſtimmten. Man ſagt auch, daß davon die Druͤſen
im ganzen Koͤrper anſchwellen, und waͤßriger werden
ſollen (z).
Jndeſſen ſtekkt in dieſem Saamenreize nur eine maͤſ-
ſige Kraft. Es ſchadet naͤmlich ein gar zu groſſer Reiz
in der That, und da die Frauensperſonen ſogleich in
der Empfaͤngniß einen Eckel und Erbrechen erfahren, ſo
lieſet man, daß Maͤnner von der Staͤrke ihres eigenen
Saamens, wenn ſie ſich von der Beiwohnung enthielten,
einen
(r)
TIMAEUS L. III. caſ. 47.
(s) ARISTOT. gener anim. L.
I. c. 2.
(t) Eph. Nat. Cur. Cent. I.
obſ. 62.
(u) SERRES. p. 384. 345. &c.
(w) BUFFON. T. IV. P. 444.
II. p. 67. weil die organiſchen Theile
nicht wegflieſſen. Doch bei keuſchen
Perſonen flieſſen ſie auch nicht weg,
und verſchnittne Karpen werden
ebenfalls fett.
(x) VESAL. p. 647.
(x*) RUSSEL. Oecon. nat. p. 22.
(y) CHARLEVOIX Hiſtoire na-
turelle de St. Domingue.
(z) MURALT. Vademecum
p. 468.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 800. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/836>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.