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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775.

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Das Gedärme. XXIV. Buch.
die Natur gern die Analogie zu beobachten, und zu ei-
nerlei Geschäften, auch einerlei Werkzeuge anzuwenden.
Nun muß man in allen Thieren, ausser den vierfüßigen
Thieren und Wallsischen die Resorbirung der Gekröse-
blutadern nothwendig zugeben, weil man keinen andern
Weg vor sich sieht, wie die Nahrung ins Blut kommen
könnte. Wenn aber diese Blutadern in den Vögeln und
kalten Thieren den Chilus resorbiren, so würde es gewiß
sehr wahrscheinlich seyn, daß sie selbigen auch in den vier-
füßigen Thieren einsaugen, da diese vollkommen ähnliche
Blutadern haben, indem sogar der Frosch diese fortge-
hende Kreise der Gekröseblutadern hat, wie sie im Men-
schen vorkommen.

Man siehet einige Spuren vor sich, daß man in
den Vögeln durchsichtige (f) oder auch weisse (g) Blut-
adern angetroffen; man darf es aber noch zur Zeit
nicht wagen, solche unter die phisiologische Wirklichkei-
ten einzuschreiben. Es scheinet zwischen der Milch und
dem Chilo eine gewisse Verwandschaft zu seyn, indem
einerlei Thiere, entweder beide Säfte, oder keinen von
beiden, besizzen.

Von einer andern Art ist das Argument Ruy-
schens
(h). Es sahe dieser gute Alte daß die Drüsen
des Gekröses bei alten Leuten so klein und saftlos sind,
daß sie den milchigen Chilus nicht hindurch zu lassen
scheinen. Und dennoch weiß man, daß alte Personen
nach Essen und Trinken ein Verlangen tragen, davon
genährt werden, leben, fett werden, Kinder zeugen,
da es einige giebt, welche nach dem siebenzigsten Jahre,
welches doch in der That ein sichrer Anfang des hohen
Alters ist, noch ein halbes Jahrhundert überlebt haben.

Nun
(f) Jm Gekröse des Storchs Act. Hafn. T. V. p. 248.
(g) A. de MARCHET beim BIANCHI p. 910.
(h) Advers. III. n. 7. p. 23.

Das Gedaͤrme. XXIV. Buch.
die Natur gern die Analogie zu beobachten, und zu ei-
nerlei Geſchaͤften, auch einerlei Werkzeuge anzuwenden.
Nun muß man in allen Thieren, auſſer den vierfuͤßigen
Thieren und Wallſiſchen die Reſorbirung der Gekroͤſe-
blutadern nothwendig zugeben, weil man keinen andern
Weg vor ſich ſieht, wie die Nahrung ins Blut kommen
koͤnnte. Wenn aber dieſe Blutadern in den Voͤgeln und
kalten Thieren den Chilus reſorbiren, ſo wuͤrde es gewiß
ſehr wahrſcheinlich ſeyn, daß ſie ſelbigen auch in den vier-
fuͤßigen Thieren einſaugen, da dieſe vollkommen aͤhnliche
Blutadern haben, indem ſogar der Froſch dieſe fortge-
hende Kreiſe der Gekroͤſeblutadern hat, wie ſie im Men-
ſchen vorkommen.

Man ſiehet einige Spuren vor ſich, daß man in
den Voͤgeln durchſichtige (f) oder auch weiſſe (g) Blut-
adern angetroffen; man darf es aber noch zur Zeit
nicht wagen, ſolche unter die phiſiologiſche Wirklichkei-
ten einzuſchreiben. Es ſcheinet zwiſchen der Milch und
dem Chilo eine gewiſſe Verwandſchaft zu ſeyn, indem
einerlei Thiere, entweder beide Saͤfte, oder keinen von
beiden, beſizzen.

Von einer andern Art iſt das Argument Ruy-
ſchens
(h). Es ſahe dieſer gute Alte daß die Druͤſen
des Gekroͤſes bei alten Leuten ſo klein und ſaftlos ſind,
daß ſie den milchigen Chilus nicht hindurch zu laſſen
ſcheinen. Und dennoch weiß man, daß alte Perſonen
nach Eſſen und Trinken ein Verlangen tragen, davon
genaͤhrt werden, leben, fett werden, Kinder zeugen,
da es einige giebt, welche nach dem ſiebenzigſten Jahre,
welches doch in der That ein ſichrer Anfang des hohen
Alters iſt, noch ein halbes Jahrhundert uͤberlebt haben.

Nun
(f) Jm Gekroͤſe des Storchs Act. Hafn. T. V. p. 248.
(g) A. de MARCHET beim BIANCHI p. 910.
(h) Adverſ. III. n. 7. p. 23.
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[100/0136] Das Gedaͤrme. XXIV. Buch. die Natur gern die Analogie zu beobachten, und zu ei- nerlei Geſchaͤften, auch einerlei Werkzeuge anzuwenden. Nun muß man in allen Thieren, auſſer den vierfuͤßigen Thieren und Wallſiſchen die Reſorbirung der Gekroͤſe- blutadern nothwendig zugeben, weil man keinen andern Weg vor ſich ſieht, wie die Nahrung ins Blut kommen koͤnnte. Wenn aber dieſe Blutadern in den Voͤgeln und kalten Thieren den Chilus reſorbiren, ſo wuͤrde es gewiß ſehr wahrſcheinlich ſeyn, daß ſie ſelbigen auch in den vier- fuͤßigen Thieren einſaugen, da dieſe vollkommen aͤhnliche Blutadern haben, indem ſogar der Froſch dieſe fortge- hende Kreiſe der Gekroͤſeblutadern hat, wie ſie im Men- ſchen vorkommen. Man ſiehet einige Spuren vor ſich, daß man in den Voͤgeln durchſichtige (f) oder auch weiſſe (g) Blut- adern angetroffen; man darf es aber noch zur Zeit nicht wagen, ſolche unter die phiſiologiſche Wirklichkei- ten einzuſchreiben. Es ſcheinet zwiſchen der Milch und dem Chilo eine gewiſſe Verwandſchaft zu ſeyn, indem einerlei Thiere, entweder beide Saͤfte, oder keinen von beiden, beſizzen. Von einer andern Art iſt das Argument Ruy- ſchens (h). Es ſahe dieſer gute Alte daß die Druͤſen des Gekroͤſes bei alten Leuten ſo klein und ſaftlos ſind, daß ſie den milchigen Chilus nicht hindurch zu laſſen ſcheinen. Und dennoch weiß man, daß alte Perſonen nach Eſſen und Trinken ein Verlangen tragen, davon genaͤhrt werden, leben, fett werden, Kinder zeugen, da es einige giebt, welche nach dem ſiebenzigſten Jahre, welches doch in der That ein ſichrer Anfang des hohen Alters iſt, noch ein halbes Jahrhundert uͤberlebt haben. Nun (f) Jm Gekroͤſe des Storchs Act. Hafn. T. V. p. 248. (g) A. de MARCHET beim BIANCHI p. 910. (h) Adverſ. III. n. 7. p. 23.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/136>, abgerufen am 22.11.2024.