Da die Alten die Milchgefässe gemeiniglich nicht kann- ten(a), so stimmten alle darinn überein, das alles Nahr- hafte aus den Speisen, durch die Gekröseblutadern (b), und folglich zur Leber gehen müsse. Diese Modenhypo- these fand auch Versuche, die sie bestätigen mußten. Die Neuern behaupten in diesen Blutadern einen bittern Chi- lus (c), Milchstreifen (d), wenn man diese Gefässe un- terbinde, beobachtet zu haben. Andre fanden an den Mündungen der Gekröseblutadern Klappen(e).
Da ferner Kaspar Asellius die Milchgefässe derge- stalt bewähret hatte, daß Männer, denen die Wahrheit am Herzen liegt, dieser Art von Gefässen ihren Beifall nicht länger versagen konnten; so begieng doch Willhelm Harvey in diesem Punkte einige Schwachheiten (f). Er wollte nicht die Gekröseblutadern das Amt, die ernäh- rende Theile (g) aus dem Gedärme an sich zu ziehen, ver- richten lassen, und er behauptete, daß auch der Chilus, auf diesem Wege mit dem Blute fortgeführet werde; so wie er die Milchgefässe, als was überflüßiges verwarf (h). Adrian von Falkenburg(h*) sahe diese Gefässe zwar mit Chilus angefüllt, er konnte sich aber dennoch nicht entschliessen, ihnen den Auftrag zu thun, die Nahrung in das Blut hinüber zu führen.
Da man aber nunmehr den Brustkanal entdekkte, und es ausgemacht war, daß der Chilus nicht in die Leber käme, so haben viele berühmte Männer, im vori-
gen
(a)[Spaltenumbruch]
denn HEROPHILUS und ERASISTATUS wusten die Sache wohl, doch keiner von beiden wuste das Amt dieser Gesässe.
(b)HIPPOC. Peri arkhon kai sarkon ARISTOT. part. anim. L. IV. c. 4. GALENUS us. part. L. IV. c. 19. 20 &c.
(c)BILS Epist. p. 21.
(d)SWAMMERDAM not. ad. prodr. HORNII p. 28.
(e)[Spaltenumbruch]COLUMBUS L. VI. p. 165.
(f) Beim I. D. HORST Epist. p. 66. bei dem BARTHOLIN Cent. II. Ep. 66. 67.
(g)Exerc. II. p. 242. 187.
(h) beim HORST & de gener. anim. p. 165.
(h*) bei dem HORST p. 6. wie auch Is. CATTIER obs. 18.
II. Abſchn. Verrichtungen des duͤnnen.
Da die Alten die Milchgefaͤſſe gemeiniglich nicht kann- ten(a), ſo ſtimmten alle darinn uͤberein, das alles Nahr- hafte aus den Speiſen, durch die Gekroͤſeblutadern (b), und folglich zur Leber gehen muͤſſe. Dieſe Modenhypo- theſe fand auch Verſuche, die ſie beſtaͤtigen mußten. Die Neuern behaupten in dieſen Blutadern einen bittern Chi- lus (c), Milchſtreifen (d), wenn man dieſe Gefaͤſſe un- terbinde, beobachtet zu haben. Andre fanden an den Muͤndungen der Gekroͤſeblutadern Klappen(e).
Da ferner Kaſpar Aſellius die Milchgefaͤſſe derge- ſtalt bewaͤhret hatte, daß Maͤnner, denen die Wahrheit am Herzen liegt, dieſer Art von Gefaͤſſen ihren Beifall nicht laͤnger verſagen konnten; ſo begieng doch Willhelm Harvey in dieſem Punkte einige Schwachheiten (f). Er wollte nicht die Gekroͤſeblutadern das Amt, die ernaͤh- rende Theile (g) aus dem Gedaͤrme an ſich zu ziehen, ver- richten laſſen, und er behauptete, daß auch der Chilus, auf dieſem Wege mit dem Blute fortgefuͤhret werde; ſo wie er die Milchgefaͤſſe, als was uͤberfluͤßiges verwarf (h). Adrian von Falkenburg(h*) ſahe dieſe Gefaͤſſe zwar mit Chilus angefuͤllt, er konnte ſich aber dennoch nicht entſchlieſſen, ihnen den Auftrag zu thun, die Nahrung in das Blut hinuͤber zu fuͤhren.
Da man aber nunmehr den Bruſtkanal entdekkte, und es ausgemacht war, daß der Chilus nicht in die Leber kaͤme, ſo haben viele beruͤhmte Maͤnner, im vori-
gen
(a)[Spaltenumbruch]
denn HEROPHILUS und ERASISTATUS wuſten die Sache wohl, doch keiner von beiden wuſte das Amt dieſer Geſaͤſſe.
(b)HIPPOC. Πεϱι αϱχων και σαϱκων ARISTOT. part. anim. L. IV. c. 4. GALENUS uſ. part. L. IV. c. 19. 20 &c.
(c)BILS Epiſt. p. 21.
(d)SWAMMERDAM not. ad. prodr. HORNII p. 28.
(e)[Spaltenumbruch]COLUMBUS L. VI. p. 165.
(f) Beim I. D. HORST Epiſt. p. 66. bei dem BARTHOLIN Cent. II. Ep. 66. 67.
(g)Exerc. II. p. 242. 187.
(h) beim HORST & de gener. anim. p. 165.
(h*) bei dem HORST p. 6. wie auch Iſ. CATTIER obſ. 18.
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hafte aus den Speiſen, durch die Gekroͤſeblutadern (b),
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theſe fand auch Verſuche, die ſie beſtaͤtigen mußten. Die
Neuern behaupten in dieſen Blutadern einen bittern Chi-
lus (c), Milchſtreifen (d), wenn man dieſe Gefaͤſſe un-
terbinde, beobachtet zu haben. Andre fanden an den
Muͤndungen der Gekroͤſeblutadern Klappen (e).
Da ferner Kaſpar Aſellius die Milchgefaͤſſe derge-
ſtalt bewaͤhret hatte, daß Maͤnner, denen die Wahrheit
am Herzen liegt, dieſer Art von Gefaͤſſen ihren Beifall
nicht laͤnger verſagen konnten; ſo begieng doch Willhelm
Harvey in dieſem Punkte einige Schwachheiten (f). Er
wollte nicht die Gekroͤſeblutadern das Amt, die ernaͤh-
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richten laſſen, und er behauptete, daß auch der Chilus,
auf dieſem Wege mit dem Blute fortgefuͤhret werde; ſo
wie er die Milchgefaͤſſe, als was uͤberfluͤßiges verwarf (h).
Adrian von Falkenburg (h*) ſahe dieſe Gefaͤſſe zwar
mit Chilus angefuͤllt, er konnte ſich aber dennoch nicht
entſchlieſſen, ihnen den Auftrag zu thun, die Nahrung
in das Blut hinuͤber zu fuͤhren.
Da man aber nunmehr den Bruſtkanal entdekkte,
und es ausgemacht war, daß der Chilus nicht in die
Leber kaͤme, ſo haben viele beruͤhmte Maͤnner, im vori-
gen
(a)
denn HEROPHILUS und
ERASISTATUS wuſten die Sache
wohl, doch keiner von beiden wuſte
das Amt dieſer Geſaͤſſe.
(b) HIPPOC. Πεϱι αϱχων και
σαϱκων ARISTOT. part. anim.
L. IV. c. 4. GALENUS uſ. part.
L. IV. c. 19. 20 &c.
(c) BILS Epiſt. p. 21.
(d) SWAMMERDAM not. ad.
prodr. HORNII p. 28.
(e)
COLUMBUS L. VI. p. 165.
(f) Beim I. D. HORST Epiſt.
p. 66. bei dem BARTHOLIN
Cent. II. Ep. 66. 67.
(g) Exerc. II. p. 242. 187.
(h) beim HORST & de gener.
anim. p. 165.
(h*) bei dem HORST p. 6. wie
auch Iſ. CATTIER obſ. 18.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 7. Berlin, 1775, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende07_1775/131>, abgerufen am 21.11.2024.
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