Berümte Holländer (b) wollen, daß überhaupt al- le, in der Blase erzeugte Galle in die Leber, und in den Zwölffingerdarm übergehen soll, ob gleich nach der Zeit ein berümter Schriftsteller (c) gestanden, daß sich in der Leber die Galle besonders abscheidet.
Jch sehe, daß man das Exempel vom Aale anfüh- ret (c*), bei dem man keine andere Galle, als die in der Blase antreffen soll: so wie man das Argument von einer Ausdämpfung, des in die Leberschlagader injicirten Wassers, oder der eingeblasnen Luft anführt, so in die Blase geschieht (d).
Die Vorstellung, daß sich alle Galle in der Blase erzeuge, ist schon längst aus der Mode gekommen. Denn da es so viele Thiere giebt, deren Galle sich blos von der Leber herschreibt (e), so widerspricht es sich über- haupt, daß die Leber in andern höchstänlichen, und ver- wandten Thieren (f), die Galle nicht hervorbringen sollte. Daß die Natur keiner Gallenblase bedürfe, läst sich auch daher zeigen, daß eine wirkliche, sehr bittere Galle, ohne dergleichen Beihülfe, entweder in der Leber einiger Thiere (g), oder auch in den Gallengängen des Menschen, wofern sie nur Zeit bekömmt, sich daselbst zu verweilen, abgeschieden wird (h).
Das könnte man aber wohl noch fragen, ob sich nicht ein gewisser Theil der Galle, und zwar der bitter- ste, in der Gallenblase erzeuge, da wir in derselben Bläs- chen sehen, und leichtdämpfende Schlagadern zugeben
müs-
(b)[Spaltenumbruch]BACK de| corde f. 11. c. 6. SYLV. Diss. med. VI. p. 27. 28. ferner VIEUSSENS tr. des liq. p. 335. Obs. post. VERHEYEN p. 36.
(c)Prax. Med. L. I. c. 44. p. 296. einige Galle erzeuge sich in der holen Leber VIEUSS. nach VER- HEYEN T. I. p. 36.
(c*)[Spaltenumbruch]
Auch RHYNE art. med. p. 122.
(d)SYLV. Disp med. VI. n. 33. ORTLOB n. 12 FRANKEN I. c. HALES haemastat. p. 129.
(e)p. 519. 520.
(f)p. 521.
(g)p. 544.
(h)Ibid. LUDWIG progr.
III. Abſchn. Jhr Bau.
Beruͤmte Hollaͤnder (b) wollen, daß uͤberhaupt al- le, in der Blaſe erzeugte Galle in die Leber, und in den Zwoͤlffingerdarm uͤbergehen ſoll, ob gleich nach der Zeit ein beruͤmter Schriftſteller (c) geſtanden, daß ſich in der Leber die Galle beſonders abſcheidet.
Jch ſehe, daß man das Exempel vom Aale anfuͤh- ret (c*), bei dem man keine andere Galle, als die in der Blaſe antreffen ſoll: ſo wie man das Argument von einer Ausdaͤmpfung, des in die Leberſchlagader injicirten Waſſers, oder der eingeblaſnen Luft anfuͤhrt, ſo in die Blaſe geſchieht (d).
Die Vorſtellung, daß ſich alle Galle in der Blaſe erzeuge, iſt ſchon laͤngſt aus der Mode gekommen. Denn da es ſo viele Thiere giebt, deren Galle ſich blos von der Leber herſchreibt (e), ſo widerſpricht es ſich uͤber- haupt, daß die Leber in andern hoͤchſtaͤnlichen, und ver- wandten Thieren (f), die Galle nicht hervorbringen ſollte. Daß die Natur keiner Gallenblaſe beduͤrfe, laͤſt ſich auch daher zeigen, daß eine wirkliche, ſehr bittere Galle, ohne dergleichen Beihuͤlfe, entweder in der Leber einiger Thiere (g), oder auch in den Gallengaͤngen des Menſchen, wofern ſie nur Zeit bekoͤmmt, ſich daſelbſt zu verweilen, abgeſchieden wird (h).
Das koͤnnte man aber wohl noch fragen, ob ſich nicht ein gewiſſer Theil der Galle, und zwar der bitter- ſte, in der Gallenblaſe erzeuge, da wir in derſelben Blaͤs- chen ſehen, und leichtdaͤmpfende Schlagadern zugeben
muͤſ-
(b)[Spaltenumbruch]BACK de| corde f. 11. c. 6. SYLV. Diſſ. med. VI. p. 27. 28. ferner VIEUSSENS tr. des liq. p. 335. Obſ. poſt. VERHEYEN p. 36.
(c)Prax. Med. L. I. c. 44. p. 296. einige Galle erzeuge ſich in der holen Leber VIEUSS. nach VER- HEYEN T. I. p. 36.
(c*)[Spaltenumbruch]
Auch RHYNE art. med. p. 122.
(d)SYLV. Diſp med. VI. n. 33. ORTLOB n. 12 FRANKEN I. c. HALES hæmaſtat. p. 129.
(e)p. 519. 520.
(f)p. 521.
(g)p. 544.
(h)Ibid. LUDWIG progr.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0883"n="863"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#aq">III.</hi> Abſchn. Jhr Bau.</hi></fw><lb/><p>Beruͤmte Hollaͤnder <noteplace="foot"n="(b)"><cb/><hirendition="#aq">BACK de| corde f. 11. c. 6.<lb/>
SYLV. Diſſ. med. VI. p.</hi> 27. 28.<lb/>
ferner <hirendition="#aq"><hirendition="#g">VIEUSSENS</hi> tr. des liq.<lb/>
p. 335. Obſ. poſt. VERHEYEN<lb/>
p.</hi> 36.</note> wollen, daß uͤberhaupt al-<lb/>
le, in der Blaſe erzeugte Galle in die Leber, und in den<lb/>
Zwoͤlffingerdarm uͤbergehen ſoll, ob gleich nach der Zeit<lb/>
ein beruͤmter Schriftſteller <noteplace="foot"n="(c)"><hirendition="#aq">Prax. Med. L. I. c. 44. p.</hi> 296.<lb/>
einige Galle erzeuge ſich in der<lb/>
holen Leber <hirendition="#aq">VIEUSS.</hi> nach <hirendition="#aq">VER-<lb/>
HEYEN T. I. p.</hi> 36.</note> geſtanden, daß ſich in der<lb/>
Leber die Galle beſonders abſcheidet.</p><lb/><p>Jch ſehe, daß man das Exempel vom Aale anfuͤh-<lb/>
ret <noteplace="foot"n="(c*)"><cb/>
Auch <hirendition="#aq"><hirendition="#g">RHYNE</hi> art. med.<lb/>
p.</hi> 122.</note>, bei dem man keine andere Galle, als die in<lb/>
der Blaſe antreffen ſoll: ſo wie man das Argument von<lb/>
einer Ausdaͤmpfung, des in die Leberſchlagader injicirten<lb/>
Waſſers, oder der eingeblaſnen Luft anfuͤhrt, ſo in die<lb/>
Blaſe geſchieht <noteplace="foot"n="(d)"><hirendition="#aq">SYLV. Diſp med. VI. n. 33.<lb/>
ORTLOB n. 12 FRANKEN I. c.<lb/>
HALES hæmaſtat. p.</hi> 129.</note>.</p><lb/><p>Die Vorſtellung, daß ſich alle Galle in der Blaſe<lb/>
erzeuge, iſt ſchon laͤngſt aus der Mode gekommen. Denn<lb/>
da es ſo viele Thiere giebt, deren Galle ſich blos von<lb/>
der Leber herſchreibt <noteplace="foot"n="(e)"><hirendition="#aq">p.</hi> 519. 520.</note>, ſo widerſpricht es ſich uͤber-<lb/>
haupt, daß die Leber in andern hoͤchſtaͤnlichen, und ver-<lb/>
wandten Thieren <noteplace="foot"n="(f)"><hirendition="#aq">p.</hi> 521.</note>, die Galle nicht hervorbringen<lb/>ſollte. Daß die Natur keiner Gallenblaſe beduͤrfe, laͤſt<lb/>ſich auch daher zeigen, daß eine wirkliche, ſehr bittere<lb/>
Galle, ohne dergleichen Beihuͤlfe, entweder in der Leber<lb/>
einiger Thiere <noteplace="foot"n="(g)"><hirendition="#aq">p.</hi> 544.</note>, oder auch in den Gallengaͤngen des<lb/>
Menſchen, wofern ſie nur Zeit bekoͤmmt, ſich daſelbſt<lb/>
zu verweilen, abgeſchieden wird <noteplace="foot"n="(h)"><hirendition="#aq">Ibid. LUDWIG progr.</hi></note>.</p><lb/><p>Das koͤnnte man aber wohl noch fragen, ob ſich<lb/>
nicht ein gewiſſer Theil der Galle, und zwar der bitter-<lb/>ſte, in der Gallenblaſe erzeuge, da wir in derſelben Blaͤs-<lb/>
chen ſehen, und leichtdaͤmpfende Schlagadern zugeben<lb/><fwplace="bottom"type="catch">muͤſ-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[863/0883]
III. Abſchn. Jhr Bau.
Beruͤmte Hollaͤnder (b) wollen, daß uͤberhaupt al-
le, in der Blaſe erzeugte Galle in die Leber, und in den
Zwoͤlffingerdarm uͤbergehen ſoll, ob gleich nach der Zeit
ein beruͤmter Schriftſteller (c) geſtanden, daß ſich in der
Leber die Galle beſonders abſcheidet.
Jch ſehe, daß man das Exempel vom Aale anfuͤh-
ret (c*), bei dem man keine andere Galle, als die in
der Blaſe antreffen ſoll: ſo wie man das Argument von
einer Ausdaͤmpfung, des in die Leberſchlagader injicirten
Waſſers, oder der eingeblaſnen Luft anfuͤhrt, ſo in die
Blaſe geſchieht (d).
Die Vorſtellung, daß ſich alle Galle in der Blaſe
erzeuge, iſt ſchon laͤngſt aus der Mode gekommen. Denn
da es ſo viele Thiere giebt, deren Galle ſich blos von
der Leber herſchreibt (e), ſo widerſpricht es ſich uͤber-
haupt, daß die Leber in andern hoͤchſtaͤnlichen, und ver-
wandten Thieren (f), die Galle nicht hervorbringen
ſollte. Daß die Natur keiner Gallenblaſe beduͤrfe, laͤſt
ſich auch daher zeigen, daß eine wirkliche, ſehr bittere
Galle, ohne dergleichen Beihuͤlfe, entweder in der Leber
einiger Thiere (g), oder auch in den Gallengaͤngen des
Menſchen, wofern ſie nur Zeit bekoͤmmt, ſich daſelbſt
zu verweilen, abgeſchieden wird (h).
Das koͤnnte man aber wohl noch fragen, ob ſich
nicht ein gewiſſer Theil der Galle, und zwar der bitter-
ſte, in der Gallenblaſe erzeuge, da wir in derſelben Blaͤs-
chen ſehen, und leichtdaͤmpfende Schlagadern zugeben
muͤſ-
(b)
BACK de| corde f. 11. c. 6.
SYLV. Diſſ. med. VI. p. 27. 28.
ferner VIEUSSENS tr. des liq.
p. 335. Obſ. poſt. VERHEYEN
p. 36.
(c) Prax. Med. L. I. c. 44. p. 296.
einige Galle erzeuge ſich in der
holen Leber VIEUSS. nach VER-
HEYEN T. I. p. 36.
(c*)
Auch RHYNE art. med.
p. 122.
(d) SYLV. Diſp med. VI. n. 33.
ORTLOB n. 12 FRANKEN I. c.
HALES hæmaſtat. p. 129.
(e) p. 519. 520.
(f) p. 521.
(g) p. 544.
(h) Ibid. LUDWIG progr.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 863. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/883>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.