seines Schweisses, welchen er aus seinen Kleidern sog, er- qvikkt wurde, und erhielt sich das Leben davon.
Daher war in den erzälten Exempeln von einem lang- wierigen Fasten, gröstentheils das Wasser die Ursache davon, daß die Leute ihr Leben durchbrachten. Und da- her verlor auch Jemand, der kein Getränke zu sich nahm (b), innerhalb sechszig Tage, sieben Pfunde von seinem Gewichte, und er bekam dieses wieder, so bald er zu trin- ken anfing.
Beim Durste hilft aber viel, wenn man unter das Getränke eine Säure mischt: denn diese ist insonderheit geschikkt, die Reizbarkeit der ausführenden Mündungen des Speichels, der Schlund- und Magendünstungen zu befördern, um diese Theile mit einem neuen Zuflusse von Speichel und Säften zu erfrischen. Und eben diese Säure widersteht der harnhaften Schärfe noch besser, als das blosse Wasser.
Jndessen fehlt es doch dem Wasser an einer hinläng- lichen Menge von dichten, öligen, gallertartigen Stoffe, welche hinreichend wären, die gerinnbare Limphe des Blu- tes wieder herzustellen, und die Fasern zu stärken. Da- her haben Thiere, die mit blossem Wasser zufrieden sind, kein Fett (c); das Blut ist wässrig, will nicht geliefern, und es ist die Abname der Kräfte unvermeidlich (d). Ohne Speise erzeugt sich in den Wunden kein Eiter, häu- fig aber nach dem Genusse derselben (e).
Folglich hat die Natur bei diesem Geschäfte den Hun- ger zum zweiten Aufseher des Lebens bestellt, welcher uns zum Essen auffordert, und uns Speise zu geniessen befielt, darinnen Mehl, Oel und Gallert in grösserer Menge ent- halten ist, damit diese neue Grundstoffe hinlänglich wer-
den
(b)[Spaltenumbruch]MARCORELLE Mem. des sav. etrang. p. 194.
(c)RIVIN de agrest. cib. sanit.
(d)[Spaltenumbruch]Idem ibid.
(e)KNIGTH vindicat. p 82.
S 2
II. Abſchnitt. Hunger und Durſt.
ſeines Schweiſſes, welchen er aus ſeinen Kleidern ſog, er- qvikkt wurde, und erhielt ſich das Leben davon.
Daher war in den erzaͤlten Exempeln von einem lang- wierigen Faſten, groͤſtentheils das Waſſer die Urſache davon, daß die Leute ihr Leben durchbrachten. Und da- her verlor auch Jemand, der kein Getraͤnke zu ſich nahm (b), innerhalb ſechszig Tage, ſieben Pfunde von ſeinem Gewichte, und er bekam dieſes wieder, ſo bald er zu trin- ken anfing.
Beim Durſte hilft aber viel, wenn man unter das Getraͤnke eine Saͤure miſcht: denn dieſe iſt inſonderheit geſchikkt, die Reizbarkeit der ausfuͤhrenden Muͤndungen des Speichels, der Schlund- und Magenduͤnſtungen zu befoͤrdern, um dieſe Theile mit einem neuen Zufluſſe von Speichel und Saͤften zu erfriſchen. Und eben dieſe Saͤure widerſteht der harnhaften Schaͤrfe noch beſſer, als das bloſſe Waſſer.
Jndeſſen fehlt es doch dem Waſſer an einer hinlaͤng- lichen Menge von dichten, oͤligen, gallertartigen Stoffe, welche hinreichend waͤren, die gerinnbare Limphe des Blu- tes wieder herzuſtellen, und die Faſern zu ſtaͤrken. Da- her haben Thiere, die mit bloſſem Waſſer zufrieden ſind, kein Fett (c); das Blut iſt waͤſſrig, will nicht geliefern, und es iſt die Abname der Kraͤfte unvermeidlich (d). Ohne Speiſe erzeugt ſich in den Wunden kein Eiter, haͤu- fig aber nach dem Genuſſe derſelben (e).
Folglich hat die Natur bei dieſem Geſchaͤfte den Hun- ger zum zweiten Aufſeher des Lebens beſtellt, welcher uns zum Eſſen auffordert, und uns Speiſe zu genieſſen befielt, darinnen Mehl, Oel und Gallert in groͤſſerer Menge ent- halten iſt, damit dieſe neue Grundſtoffe hinlaͤnglich wer-
den
(b)[Spaltenumbruch]MARCORELLE Mém. des ſav. etrang. p. 194.
(c)RIVIN de agreſt. cib. ſanit.
(d)[Spaltenumbruch]Idem ibid.
(e)KNIGTH vindicat. p 82.
S 2
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[259[275]/0295]
II. Abſchnitt. Hunger und Durſt.
ſeines Schweiſſes, welchen er aus ſeinen Kleidern ſog, er-
qvikkt wurde, und erhielt ſich das Leben davon.
Daher war in den erzaͤlten Exempeln von einem lang-
wierigen Faſten, groͤſtentheils das Waſſer die Urſache
davon, daß die Leute ihr Leben durchbrachten. Und da-
her verlor auch Jemand, der kein Getraͤnke zu ſich nahm
(b), innerhalb ſechszig Tage, ſieben Pfunde von ſeinem
Gewichte, und er bekam dieſes wieder, ſo bald er zu trin-
ken anfing.
Beim Durſte hilft aber viel, wenn man unter das
Getraͤnke eine Saͤure miſcht: denn dieſe iſt inſonderheit
geſchikkt, die Reizbarkeit der ausfuͤhrenden Muͤndungen
des Speichels, der Schlund- und Magenduͤnſtungen zu
befoͤrdern, um dieſe Theile mit einem neuen Zufluſſe von
Speichel und Saͤften zu erfriſchen. Und eben dieſe
Saͤure widerſteht der harnhaften Schaͤrfe noch beſſer, als
das bloſſe Waſſer.
Jndeſſen fehlt es doch dem Waſſer an einer hinlaͤng-
lichen Menge von dichten, oͤligen, gallertartigen Stoffe,
welche hinreichend waͤren, die gerinnbare Limphe des Blu-
tes wieder herzuſtellen, und die Faſern zu ſtaͤrken. Da-
her haben Thiere, die mit bloſſem Waſſer zufrieden ſind,
kein Fett (c); das Blut iſt waͤſſrig, will nicht geliefern,
und es iſt die Abname der Kraͤfte unvermeidlich (d).
Ohne Speiſe erzeugt ſich in den Wunden kein Eiter, haͤu-
fig aber nach dem Genuſſe derſelben (e).
Folglich hat die Natur bei dieſem Geſchaͤfte den Hun-
ger zum zweiten Aufſeher des Lebens beſtellt, welcher uns
zum Eſſen auffordert, und uns Speiſe zu genieſſen befielt,
darinnen Mehl, Oel und Gallert in groͤſſerer Menge ent-
halten iſt, damit dieſe neue Grundſtoffe hinlaͤnglich wer-
den
(b)
MARCORELLE Mém. des
ſav. etrang. p. 194.
(c) RIVIN de agreſt. cib. ſanit.
(d)
Idem ibid.
(e) KNIGTH vindicat. p 82.
S 2
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 259[275]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/295>, abgerufen am 27.11.2024.
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