Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite
II. Abschnitt. Hunger und Durst.
§. 3.
Die Abname unsrer feuchten und festen
Theile.

Da der Mensch täglich bei mittelmäßiger Rechnung
gegen funfzig Unzen durch die Haut verdünstet (a), und
beinahe eben so viel durch den Harn verliert (b), und et-
was noch durch den Stulgang, Speichel, und auf andre
Weise verloren geht, so siehet man leicht, daß der Körper
notwendiger Weise um ein ansehnliches schwinden müsse,
wenn dieser Abgang nicht wieder ersezzt würde.

Ein jedes verhungertes Thier verräth seinen erlittenen
Verlust, durch ein Magerwerden: es verliert augen-
scheinlich an seiner Schwere, und wiegt in vier und zwan-
zig Stunden um vier Pfunde weniger (c). Zuerst ver-
schwindet das Fett mit einer unglaublichen Geschwindig-
keit (d): so magern die Fische im Winter aus, nebst den
Schildkröten (e): die Murmelthiere werden wirklich ma-
ger (f). Am magersten waren alle diejenige Frauens-
personen (g), welche lange Zeit ohne Lust zu essen blieben,
und deren Geschichte wir bald lesen werden. Die vor
Hunger starben, an denen fand man die Faserpäkke ganz
glänzend, und gleichsam silberartig (g*). Doch es ver-
liert sich überhaupt in kurzem der Zufluß der Milch (h),
und die übrige wird alt und ranzig, so wie Saamen und
Eiter nunmehr aufhören (i), von der Natur bereitet zu
werden. Und so werden auch keine andre besondre Säfte

mehr
(a) [Spaltenumbruch] L. XII. p. 68. zwischen 60
Unzen und 30.
(b) Ibid.
(c) ROBINSON Essay. II. p.
454. gegen die 42 Unzen und 48.
on food and discharg. p. 84.
(d) Am Exempel der Lerchen
L. I. p. 41.
(e) Oeconom. Nachricht T. VI.
p. 329. seqq.
(f) [Spaltenumbruch] Hist. des terres Austral. T.
II. p.
68.
(g) Ray Wisdom of God. p.
292. Sed conf. L. I. p.
41.
(g*) Praef. ad hort. florent. p.
LIV.
(h) Siehe das Kupfer Cl. LOS-
SAV. casu ined. LOOS ob. 21. L.
I. &c.
(i) KNIGHT vindic. p. 82.
II. Abſchnitt. Hunger und Durſt.
§. 3.
Die Abname unſrer feuchten und feſten
Theile.

Da der Menſch taͤglich bei mittelmaͤßiger Rechnung
gegen funfzig Unzen durch die Haut verduͤnſtet (a), und
beinahe eben ſo viel durch den Harn verliert (b), und et-
was noch durch den Stulgang, Speichel, und auf andre
Weiſe verloren geht, ſo ſiehet man leicht, daß der Koͤrper
notwendiger Weiſe um ein anſehnliches ſchwinden muͤſſe,
wenn dieſer Abgang nicht wieder erſezzt wuͤrde.

Ein jedes verhungertes Thier verraͤth ſeinen erlittenen
Verluſt, durch ein Magerwerden: es verliert augen-
ſcheinlich an ſeiner Schwere, und wiegt in vier und zwan-
zig Stunden um vier Pfunde weniger (c). Zuerſt ver-
ſchwindet das Fett mit einer unglaublichen Geſchwindig-
keit (d): ſo magern die Fiſche im Winter aus, nebſt den
Schildkroͤten (e): die Murmelthiere werden wirklich ma-
ger (f). Am magerſten waren alle diejenige Frauens-
perſonen (g), welche lange Zeit ohne Luſt zu eſſen blieben,
und deren Geſchichte wir bald leſen werden. Die vor
Hunger ſtarben, an denen fand man die Faſerpaͤkke ganz
glaͤnzend, und gleichſam ſilberartig (g*). Doch es ver-
liert ſich uͤberhaupt in kurzem der Zufluß der Milch (h),
und die uͤbrige wird alt und ranzig, ſo wie Saamen und
Eiter nunmehr aufhoͤren (i), von der Natur bereitet zu
werden. Und ſo werden auch keine andre beſondre Saͤfte

mehr
(a) [Spaltenumbruch] L. XII. p. 68. zwiſchen 60
Unzen und 30.
(b) Ibid.
(c) ROBINSON Eſſay. II. p.
454. gegen die 42 Unzen und 48.
on food and diſcharg. p. 84.
(d) Am Exempel der Lerchen
L. I. p. 41.
(e) Oeconom. Nachricht T. VI.
p. 329. ſeqq.
(f) [Spaltenumbruch] Hiſt. des terres Auſtral. T.
II. p.
68.
(g) Ray Wisdom of God. p.
292. Sed conf. L. I. p.
41.
(g*) Praef. ad hort. florent. p.
LIV.
(h) Siehe das Kupfer Cl. LOS-
SAV. caſu ined. LOOS ob. 21. L.
I. &c.
(i) KNIGHT vindic. p. 82.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0271" n="235[251]"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Hunger und Dur&#x017F;t.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 3.<lb/><hi rendition="#b">Die Abname un&#x017F;rer feuchten und fe&#x017F;ten<lb/>
Theile.</hi></head><lb/>
            <p>Da der Men&#x017F;ch ta&#x0364;glich bei mittelma&#x0364;ßiger Rechnung<lb/>
gegen funfzig Unzen durch die Haut verdu&#x0364;n&#x017F;tet <note place="foot" n="(a)"><cb/><hi rendition="#aq">L. XII. p.</hi> 68. zwi&#x017F;chen 60<lb/>
Unzen und 30.</note>, und<lb/>
beinahe eben &#x017F;o viel durch den Harn verliert <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq">Ibid.</hi></note>, und et-<lb/>
was noch durch den Stulgang, Speichel, und auf andre<lb/>
Wei&#x017F;e verloren geht, &#x017F;o &#x017F;iehet man leicht, daß der Ko&#x0364;rper<lb/>
notwendiger Wei&#x017F;e um ein an&#x017F;ehnliches &#x017F;chwinden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
wenn die&#x017F;er Abgang nicht wieder er&#x017F;ezzt wu&#x0364;rde.</p><lb/>
            <p>Ein jedes verhungertes Thier verra&#x0364;th &#x017F;einen erlittenen<lb/>
Verlu&#x017F;t, durch ein Magerwerden: es verliert augen-<lb/>
&#x017F;cheinlich an &#x017F;einer Schwere, und wiegt in vier und zwan-<lb/>
zig Stunden um vier Pfunde weniger <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq">ROBINSON E&#x017F;&#x017F;ay. II. p.</hi><lb/>
454. gegen die 42 Unzen und 48.<lb/><hi rendition="#aq">on food and di&#x017F;charg. p.</hi> 84.</note>. Zuer&#x017F;t ver-<lb/>
&#x017F;chwindet das Fett mit einer unglaublichen Ge&#x017F;chwindig-<lb/>
keit <note place="foot" n="(d)">Am Exempel der Lerchen<lb/><hi rendition="#aq">L. I. p.</hi> 41.</note>: &#x017F;o magern die Fi&#x017F;che im Winter aus, neb&#x017F;t den<lb/>
Schildkro&#x0364;ten <note place="foot" n="(e)"><hi rendition="#aq">Oeconom. Nachricht T. VI.<lb/>
p. 329. &#x017F;eqq.</hi></note>: die Murmelthiere werden wirklich ma-<lb/>
ger <note place="foot" n="(f)"><cb/><hi rendition="#aq">Hi&#x017F;t. des terres Au&#x017F;tral. T.<lb/>
II. p.</hi> 68.</note>. Am mager&#x017F;ten waren alle diejenige Frauens-<lb/>
per&#x017F;onen <note place="foot" n="(g)"><hi rendition="#aq">Ray Wisdom of God. p.<lb/>
292. Sed conf. L. I. p.</hi> 41.</note>, welche lange Zeit ohne Lu&#x017F;t zu e&#x017F;&#x017F;en blieben,<lb/>
und deren Ge&#x017F;chichte wir bald le&#x017F;en werden. Die vor<lb/>
Hunger &#x017F;tarben, an denen fand man die Fa&#x017F;erpa&#x0364;kke ganz<lb/>
gla&#x0364;nzend, und gleich&#x017F;am &#x017F;ilberartig <note place="foot" n="(g*)"><hi rendition="#aq">Praef. ad hort. florent. p.<lb/>
LIV.</hi></note>. Doch es ver-<lb/>
liert &#x017F;ich u&#x0364;berhaupt in kurzem der Zufluß der Milch <note place="foot" n="(h)">Siehe das Kupfer <hi rendition="#aq">Cl. LOS-<lb/>
SAV. ca&#x017F;u ined. LOOS ob. 21. L.<lb/>
I. &amp;c.</hi></note>,<lb/>
und die u&#x0364;brige wird alt und ranzig, &#x017F;o wie Saamen und<lb/>
Eiter nunmehr aufho&#x0364;ren <note place="foot" n="(i)"><hi rendition="#aq">KNIGHT vindic. p.</hi> 82.</note>, von der Natur bereitet zu<lb/>
werden. Und &#x017F;o werden auch keine andre be&#x017F;ondre Sa&#x0364;fte<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mehr</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[235[251]/0271] II. Abſchnitt. Hunger und Durſt. §. 3. Die Abname unſrer feuchten und feſten Theile. Da der Menſch taͤglich bei mittelmaͤßiger Rechnung gegen funfzig Unzen durch die Haut verduͤnſtet (a), und beinahe eben ſo viel durch den Harn verliert (b), und et- was noch durch den Stulgang, Speichel, und auf andre Weiſe verloren geht, ſo ſiehet man leicht, daß der Koͤrper notwendiger Weiſe um ein anſehnliches ſchwinden muͤſſe, wenn dieſer Abgang nicht wieder erſezzt wuͤrde. Ein jedes verhungertes Thier verraͤth ſeinen erlittenen Verluſt, durch ein Magerwerden: es verliert augen- ſcheinlich an ſeiner Schwere, und wiegt in vier und zwan- zig Stunden um vier Pfunde weniger (c). Zuerſt ver- ſchwindet das Fett mit einer unglaublichen Geſchwindig- keit (d): ſo magern die Fiſche im Winter aus, nebſt den Schildkroͤten (e): die Murmelthiere werden wirklich ma- ger (f). Am magerſten waren alle diejenige Frauens- perſonen (g), welche lange Zeit ohne Luſt zu eſſen blieben, und deren Geſchichte wir bald leſen werden. Die vor Hunger ſtarben, an denen fand man die Faſerpaͤkke ganz glaͤnzend, und gleichſam ſilberartig (g*). Doch es ver- liert ſich uͤberhaupt in kurzem der Zufluß der Milch (h), und die uͤbrige wird alt und ranzig, ſo wie Saamen und Eiter nunmehr aufhoͤren (i), von der Natur bereitet zu werden. Und ſo werden auch keine andre beſondre Saͤfte mehr (a) L. XII. p. 68. zwiſchen 60 Unzen und 30. (b) Ibid. (c) ROBINSON Eſſay. II. p. 454. gegen die 42 Unzen und 48. on food and diſcharg. p. 84. (d) Am Exempel der Lerchen L. I. p. 41. (e) Oeconom. Nachricht T. VI. p. 329. ſeqq. (f) Hiſt. des terres Auſtral. T. II. p. 68. (g) Ray Wisdom of God. p. 292. Sed conf. L. I. p. 41. (g*) Praef. ad hort. florent. p. LIV. (h) Siehe das Kupfer Cl. LOS- SAV. caſu ined. LOOS ob. 21. L. I. &c. (i) KNIGHT vindic. p. 82.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/271
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 235[251]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/271>, abgerufen am 21.11.2024.