Nach dieser Vorbereitung hebt sich die Zunge vermö- ge der Griffelzungenmuskeln in die Höhe, sie drükkt sich an den Gaumen an (e), erstlich mit ihrer Spizze, und hierauf auch nach und nach mit ihrem hintern Theile. Und auf solche Art wälzet sich die Speise, welche keinen andern Weg offen findet, nach hinten zu und gegen den Schlund fort. Die Zunge kann auch ihre Spizze rükk- werts krümmen, der Strasse der Speise beförderlich sein, und nach und nach zurükke gezogen werden (f).
Hierzu kömmt noch, wenigstens oft, die Kraft des Saugens, und dieses sonderlich, wenn wir trinken. Wir ziehen nämlich stufenweise die Zunge zurükke, um durch ihren Rükkzug Plazz zu machen, wohin sich die vordere Ladung allmälich wälzen soll (g), und endlich wenden wir das Einatmen selbst dazu an (h), daß die äussere Luft, die nach Art eines Stromes in den Mund eindringt, Speise und Trank herabwälzen möge. Man hat ge- glaubt, daß man auf keine andere Weise, noch ohne Ein- atmen Speise herabschlingen könne (i), und hauptsäch- lich dieser Ursache wegen, sagen berümte Männer, daß die Frucht nicht durch den Mund ernärt werde, da sie gar nicht Atem holt. Es wird aber jeder leicht einsehen, daß wir, bei ruhiger Brust, ohne Einatmen, mit geschlos- senem Munde und Nase, sehr gut herabschlukken, und sehr selten zugleich da Luft in uns ziehen können.
§. 22.
(e)[Spaltenumbruch]ALBIN p. 21. PETIT Mem. de 1716. p. 15. 16. und Mem. de 1715. p. 145. SENAC. Ess. de phys. p. 494. HAMBERGER p. 356. n. 9. und p. 358.
(f)HEUCHER oper. omn. p. 551. HAMBERGER p. 359.
(g)PETIT 1715 p. 143. HAM- BERGER p. 358. 361. not. 12. add. ALBIN p. 11. Am Wasserigel lei- stete die Zunge allein diesen gan- [Spaltenumbruch]
zen Dienst MORAND. Mem. de l'Acad. 1739. p. 263.
(h)PETIT 1715. p. 144. 1716. p. 20. 21. GLISSON ventr. et in- test. p. 296. HAMBERGER Elem. p. 356.
(i) Kein Thier kann ohne zu erstikken, unter dem Wasser Spei- se verschlukken BIRCH T. I. p. 117.
Weg zum Magen. XVIII. Buch.
Nach dieſer Vorbereitung hebt ſich die Zunge vermoͤ- ge der Griffelzungenmuſkeln in die Hoͤhe, ſie druͤkkt ſich an den Gaumen an (e), erſtlich mit ihrer Spizze, und hierauf auch nach und nach mit ihrem hintern Theile. Und auf ſolche Art waͤlzet ſich die Speiſe, welche keinen andern Weg offen findet, nach hinten zu und gegen den Schlund fort. Die Zunge kann auch ihre Spizze ruͤkk- werts kruͤmmen, der Straſſe der Speiſe befoͤrderlich ſein, und nach und nach zuruͤkke gezogen werden (f).
Hierzu koͤmmt noch, wenigſtens oft, die Kraft des Saugens, und dieſes ſonderlich, wenn wir trinken. Wir ziehen naͤmlich ſtufenweiſe die Zunge zuruͤkke, um durch ihren Ruͤkkzug Plazz zu machen, wohin ſich die vordere Ladung allmaͤlich waͤlzen ſoll (g), und endlich wenden wir das Einatmen ſelbſt dazu an (h), daß die aͤuſſere Luft, die nach Art eines Stromes in den Mund eindringt, Speiſe und Trank herabwaͤlzen moͤge. Man hat ge- glaubt, daß man auf keine andere Weiſe, noch ohne Ein- atmen Speiſe herabſchlingen koͤnne (i), und hauptſaͤch- lich dieſer Urſache wegen, ſagen beruͤmte Maͤnner, daß die Frucht nicht durch den Mund ernaͤrt werde, da ſie gar nicht Atem holt. Es wird aber jeder leicht einſehen, daß wir, bei ruhiger Bruſt, ohne Einatmen, mit geſchloſ- ſenem Munde und Naſe, ſehr gut herabſchlukken, und ſehr ſelten zugleich da Luft in uns ziehen koͤnnen.
§. 22.
(e)[Spaltenumbruch]ALBIN p. 21. PETIT Mém. de 1716. p. 15. 16. und Mém. de 1715. p. 145. SENAC. Eſſ. de phyſ. p. 494. HAMBERGER p. 356. n. 9. und p. 358.
(f)HEUCHER oper. omn. p. 551. HAMBERGER p. 359.
(g)PETIT 1715 p. 143. HAM- BERGER p. 358. 361. not. 12. add. ALBIN p. 11. Am Waſſerigel lei- ſtete die Zunge allein dieſen gan- [Spaltenumbruch]
zen Dienſt MORAND. Mém. de l’Acad. 1739. p. 263.
(h)PETIT 1715. p. 144. 1716. p. 20. 21. GLISSON ventr. et in- teſt. p. 296. HAMBERGER Elem. p. 356.
(i) Kein Thier kann ohne zu erſtikken, unter dem Waſſer Spei- ſe verſchlukken BIRCH T. I. p. 117.
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Weg zum Magen. XVIII. Buch.
Nach dieſer Vorbereitung hebt ſich die Zunge vermoͤ-
ge der Griffelzungenmuſkeln in die Hoͤhe, ſie druͤkkt ſich
an den Gaumen an (e), erſtlich mit ihrer Spizze, und
hierauf auch nach und nach mit ihrem hintern Theile.
Und auf ſolche Art waͤlzet ſich die Speiſe, welche keinen
andern Weg offen findet, nach hinten zu und gegen den
Schlund fort. Die Zunge kann auch ihre Spizze ruͤkk-
werts kruͤmmen, der Straſſe der Speiſe befoͤrderlich ſein,
und nach und nach zuruͤkke gezogen werden (f).
Hierzu koͤmmt noch, wenigſtens oft, die Kraft des
Saugens, und dieſes ſonderlich, wenn wir trinken. Wir
ziehen naͤmlich ſtufenweiſe die Zunge zuruͤkke, um durch
ihren Ruͤkkzug Plazz zu machen, wohin ſich die vordere
Ladung allmaͤlich waͤlzen ſoll (g), und endlich wenden
wir das Einatmen ſelbſt dazu an (h), daß die aͤuſſere Luft,
die nach Art eines Stromes in den Mund eindringt,
Speiſe und Trank herabwaͤlzen moͤge. Man hat ge-
glaubt, daß man auf keine andere Weiſe, noch ohne Ein-
atmen Speiſe herabſchlingen koͤnne (i), und hauptſaͤch-
lich dieſer Urſache wegen, ſagen beruͤmte Maͤnner, daß
die Frucht nicht durch den Mund ernaͤrt werde, da ſie
gar nicht Atem holt. Es wird aber jeder leicht einſehen,
daß wir, bei ruhiger Bruſt, ohne Einatmen, mit geſchloſ-
ſenem Munde und Naſe, ſehr gut herabſchlukken, und ſehr
ſelten zugleich da Luft in uns ziehen koͤnnen.
§. 22.
(e)
ALBIN p. 21. PETIT Mém.
de 1716. p. 15. 16. und Mém. de
1715. p. 145. SENAC. Eſſ. de
phyſ. p. 494. HAMBERGER p.
356. n. 9. und p. 358.
(f) HEUCHER oper. omn. p.
551. HAMBERGER p. 359.
(g) PETIT 1715 p. 143. HAM-
BERGER p. 358. 361. not. 12. add.
ALBIN p. 11. Am Waſſerigel lei-
ſtete die Zunge allein dieſen gan-
zen Dienſt MORAND. Mém. de
l’Acad. 1739. p. 263.
(h) PETIT 1715. p. 144. 1716.
p. 20. 21. GLISSON ventr. et in-
teſt. p. 296. HAMBERGER Elem.
p. 356.
(i) Kein Thier kann ohne zu
erſtikken, unter dem Waſſer Spei-
ſe verſchlukken BIRCH T. I.
p. 117.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/158>, abgerufen am 03.12.2024.
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