Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

Thierische Bewegung. XI. Buch.
seinem Orte erzählt haben (u), doch in diesem Zustande
befindet sich ein jeder Muskel in einem lebendigen Men-
schen, oder in einem lebendigen Thiere, der Natur gemäs,
ausser wenn man will, daß er sich in Bewegung sezzen
soll. Man betrachte nur das Fleisch der Ribbenmus-
keln, denn diese gehören mit zu den willkürlichen Mus-
keln, wie solches nach der Thätigkeit wieder ruhig wird
(x), welk, weich, lang, flach wird, und in diesem Zustan-
de beständig verharrt, in welchen es kraft des Ausatmens
versezzt worden, bis in dieses Fleisch irgend eine neue
Kraft einflist, von der sie gereizt werden, das Einatmen
vorzunehmen. Jn andern Muskeln äussert sich eben diese
Kraft, und sie liegen noch längere Zeit stille, da sie unter
diejenigen Muskeln mit gehören, denen die Seele lange
Zeit Ruhe läst, ehe sie sie wieder gebrauchet, dergleichen
die Wendemuskeln des Kopfes sind. Diese sind die ganze
Zeit über, da sie die Seele nicht zu Hülfe nimmt, weich,
lang, und sie ruhen nicht im Zustande des Zusammenzie-
hens, sondern der Nachlassung.

Man muß hierbei noch ferner anmerken, daß ein
Muskel bei der willkürlichen Thätigkeit Schmerzen fült,
wenn er selbige zu lange fortsezzen mus, daß er davon
müde wird, und daß wir endlich davon ungemeine Be-
schwerlichkeit ausstehen müssen.

Folglich muß man nicht behaupten, daß sich die will-
kürlichen Muskeln sogar im Schlafe ohne auszuruhen im
Zustande des Zusammenziehens befinden, und eben so be-
ständig wirken, als das Herz, die Schliesmuskeln, der
Magen, und das Gedärme, als deren Bewegung, weil
sie von der, den Muskeln anerschaffnen Kraft abhängt,
von keiner Ruhe unterbrochen wird, und welche auch
durch keine Ermüdung Beschwerlichkeiten nach sich zieht.

Es
(u) [Spaltenumbruch] pag. 470 seqq.
(x) [Spaltenumbruch] de respir. Sect. I. überall,
wie auch hier, p. 480.

Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
ſeinem Orte erzaͤhlt haben (u), doch in dieſem Zuſtande
befindet ſich ein jeder Muſkel in einem lebendigen Men-
ſchen, oder in einem lebendigen Thiere, der Natur gemaͤs,
auſſer wenn man will, daß er ſich in Bewegung ſezzen
ſoll. Man betrachte nur das Fleiſch der Ribbenmuſ-
keln, denn dieſe gehoͤren mit zu den willkuͤrlichen Muſ-
keln, wie ſolches nach der Thaͤtigkeit wieder ruhig wird
(x), welk, weich, lang, flach wird, und in dieſem Zuſtan-
de beſtaͤndig verharrt, in welchen es kraft des Ausatmens
verſezzt worden, bis in dieſes Fleiſch irgend eine neue
Kraft einfliſt, von der ſie gereizt werden, das Einatmen
vorzunehmen. Jn andern Muſkeln aͤuſſert ſich eben dieſe
Kraft, und ſie liegen noch laͤngere Zeit ſtille, da ſie unter
diejenigen Muſkeln mit gehoͤren, denen die Seele lange
Zeit Ruhe laͤſt, ehe ſie ſie wieder gebrauchet, dergleichen
die Wendemuſkeln des Kopfes ſind. Dieſe ſind die ganze
Zeit uͤber, da ſie die Seele nicht zu Huͤlfe nimmt, weich,
lang, und ſie ruhen nicht im Zuſtande des Zuſammenzie-
hens, ſondern der Nachlaſſung.

Man muß hierbei noch ferner anmerken, daß ein
Muſkel bei der willkuͤrlichen Thaͤtigkeit Schmerzen fuͤlt,
wenn er ſelbige zu lange fortſezzen mus, daß er davon
muͤde wird, und daß wir endlich davon ungemeine Be-
ſchwerlichkeit ausſtehen muͤſſen.

Folglich muß man nicht behaupten, daß ſich die will-
kuͤrlichen Muſkeln ſogar im Schlafe ohne auszuruhen im
Zuſtande des Zuſammenziehens befinden, und eben ſo be-
ſtaͤndig wirken, als das Herz, die Schliesmuſkeln, der
Magen, und das Gedaͤrme, als deren Bewegung, weil
ſie von der, den Muſkeln anerſchaffnen Kraft abhaͤngt,
von keiner Ruhe unterbrochen wird, und welche auch
durch keine Ermuͤdung Beſchwerlichkeiten nach ſich zieht.

Es
(u) [Spaltenumbruch] pag. 470 ſeqq.
(x) [Spaltenumbruch] de reſpir. Sect. I. uͤberall,
wie auch hier, p. 480.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0066" n="48"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Thieri&#x017F;che Bewegung. <hi rendition="#aq">XI.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
&#x017F;einem Orte erza&#x0364;hlt haben <note place="foot" n="(u)"><cb/><hi rendition="#aq">pag. 470 &#x017F;eqq.</hi></note>, doch in die&#x017F;em Zu&#x017F;tande<lb/>
befindet &#x017F;ich ein jeder Mu&#x017F;kel in einem lebendigen Men-<lb/>
&#x017F;chen, oder in einem lebendigen Thiere, der Natur gema&#x0364;s,<lb/>
au&#x017F;&#x017F;er wenn man will, daß er &#x017F;ich in Bewegung &#x017F;ezzen<lb/>
&#x017F;oll. Man betrachte nur das Flei&#x017F;ch der Ribbenmu&#x017F;-<lb/>
keln, denn die&#x017F;e geho&#x0364;ren mit zu den willku&#x0364;rlichen Mu&#x017F;-<lb/>
keln, wie &#x017F;olches nach der Tha&#x0364;tigkeit wieder ruhig wird<lb/><note place="foot" n="(x)"><cb/><hi rendition="#aq">de re&#x017F;pir. Sect. I.</hi> u&#x0364;berall,<lb/>
wie auch hier, <hi rendition="#aq">p.</hi> 480.</note>, welk, weich, lang, flach wird, und in die&#x017F;em Zu&#x017F;tan-<lb/>
de be&#x017F;ta&#x0364;ndig verharrt, in welchen es kraft des Ausatmens<lb/>
ver&#x017F;ezzt worden, bis in die&#x017F;es Flei&#x017F;ch irgend eine neue<lb/>
Kraft einfli&#x017F;t, von der &#x017F;ie gereizt werden, das Einatmen<lb/>
vorzunehmen. Jn andern Mu&#x017F;keln a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ert &#x017F;ich eben die&#x017F;e<lb/>
Kraft, und &#x017F;ie liegen noch la&#x0364;ngere Zeit &#x017F;tille, da &#x017F;ie unter<lb/>
diejenigen Mu&#x017F;keln mit geho&#x0364;ren, denen die Seele lange<lb/>
Zeit Ruhe la&#x0364;&#x017F;t, ehe &#x017F;ie &#x017F;ie wieder gebrauchet, dergleichen<lb/>
die Wendemu&#x017F;keln des Kopfes &#x017F;ind. Die&#x017F;e &#x017F;ind die ganze<lb/>
Zeit u&#x0364;ber, da &#x017F;ie die Seele nicht zu Hu&#x0364;lfe nimmt, weich,<lb/>
lang, und &#x017F;ie ruhen nicht im Zu&#x017F;tande des Zu&#x017F;ammenzie-<lb/>
hens, &#x017F;ondern der Nachla&#x017F;&#x017F;ung.</p><lb/>
          <p>Man muß hierbei noch ferner anmerken, daß ein<lb/>
Mu&#x017F;kel bei der willku&#x0364;rlichen Tha&#x0364;tigkeit Schmerzen fu&#x0364;lt,<lb/>
wenn er &#x017F;elbige zu lange fort&#x017F;ezzen mus, daß er davon<lb/>
mu&#x0364;de wird, und daß wir endlich davon ungemeine Be-<lb/>
&#x017F;chwerlichkeit aus&#x017F;tehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Folglich muß man nicht behaupten, daß &#x017F;ich die will-<lb/>
ku&#x0364;rlichen Mu&#x017F;keln &#x017F;ogar im Schlafe ohne auszuruhen im<lb/>
Zu&#x017F;tande des Zu&#x017F;ammenziehens befinden, und eben &#x017F;o be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndig wirken, als das Herz, die Schliesmu&#x017F;keln, der<lb/>
Magen, und das Geda&#x0364;rme, als deren Bewegung, weil<lb/>
&#x017F;ie von der, den Mu&#x017F;keln aner&#x017F;chaffnen Kraft abha&#x0364;ngt,<lb/>
von keiner Ruhe unterbrochen wird, und welche auch<lb/>
durch keine Ermu&#x0364;dung Be&#x017F;chwerlichkeiten nach &#x017F;ich zieht.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0066] Thieriſche Bewegung. XI. Buch. ſeinem Orte erzaͤhlt haben (u), doch in dieſem Zuſtande befindet ſich ein jeder Muſkel in einem lebendigen Men- ſchen, oder in einem lebendigen Thiere, der Natur gemaͤs, auſſer wenn man will, daß er ſich in Bewegung ſezzen ſoll. Man betrachte nur das Fleiſch der Ribbenmuſ- keln, denn dieſe gehoͤren mit zu den willkuͤrlichen Muſ- keln, wie ſolches nach der Thaͤtigkeit wieder ruhig wird (x), welk, weich, lang, flach wird, und in dieſem Zuſtan- de beſtaͤndig verharrt, in welchen es kraft des Ausatmens verſezzt worden, bis in dieſes Fleiſch irgend eine neue Kraft einfliſt, von der ſie gereizt werden, das Einatmen vorzunehmen. Jn andern Muſkeln aͤuſſert ſich eben dieſe Kraft, und ſie liegen noch laͤngere Zeit ſtille, da ſie unter diejenigen Muſkeln mit gehoͤren, denen die Seele lange Zeit Ruhe laͤſt, ehe ſie ſie wieder gebrauchet, dergleichen die Wendemuſkeln des Kopfes ſind. Dieſe ſind die ganze Zeit uͤber, da ſie die Seele nicht zu Huͤlfe nimmt, weich, lang, und ſie ruhen nicht im Zuſtande des Zuſammenzie- hens, ſondern der Nachlaſſung. Man muß hierbei noch ferner anmerken, daß ein Muſkel bei der willkuͤrlichen Thaͤtigkeit Schmerzen fuͤlt, wenn er ſelbige zu lange fortſezzen mus, daß er davon muͤde wird, und daß wir endlich davon ungemeine Be- ſchwerlichkeit ausſtehen muͤſſen. Folglich muß man nicht behaupten, daß ſich die will- kuͤrlichen Muſkeln ſogar im Schlafe ohne auszuruhen im Zuſtande des Zuſammenziehens befinden, und eben ſo be- ſtaͤndig wirken, als das Herz, die Schliesmuſkeln, der Magen, und das Gedaͤrme, als deren Bewegung, weil ſie von der, den Muſkeln anerſchaffnen Kraft abhaͤngt, von keiner Ruhe unterbrochen wird, und welche auch durch keine Ermuͤdung Beſchwerlichkeiten nach ſich zieht. Es (u) pag. 470 ſeqq. (x) de reſpir. Sect. I. uͤberall, wie auch hier, p. 480.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/66
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/66>, abgerufen am 22.11.2024.