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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

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Der Geruch. XIV. Buch.

Was mich betrift, so glaube ich völlig, daß keine
Speise gesund sei, welche stinket. So erregt die beige-
mischte Fäulnis in dem Käse, in Fleisch und Fischen,
wenn diese Speisen nicht frisch sind, einen übeln Geruch.
Diese Fäulnis lässet sich bisweilen durch die Nothwendig-
keit, ein andermal durch die Zartheit, des in seine Grund-
theile schon zerfallenden Fleisches entschuldigen. Da übri-
gens die Fäulnis das menschliche Wesen zerstört, so macht
sie auch solche Speisen zum Fieber, Skorbut, und Durch-
laufe geschikkt. Eine etwas stärkere Fäulnis macht Eier
und Fleisch emetisch. Es bekam der Käse jemanden übel,
den er im Ekel aß (u), es erfolgte ein gefärliches Fieber,
und ich erinnere mich noch ganz wohl, da mir einige Ver-
wandte Käse, als ich noch jung war, wider meinen Wil-
len durch einen unzeitigen Spaß aufdrungen, daß ich
denselben mit grosser Beschwerlichkeit, und erst nach lan-
ger Zeit, nachdem er verdorben aufgestossen, verdauen
können. Die Frucht vom Durion, welche wie man sagt,
angenehm schmekken soll, ob gleich der Geruch ekelhaft
ist, lässet sich nur mit Gefahr essen. Denn so wie sie faul
riecht, so erregt sie Durchlauf und andre Uebel (u*)

Dahingegen halte ich |davor, daß man so leicht keine
Speise ungesund finden wird, welche einen angenehmen
Geruch bei sich führt. Jch kehre mich hier an die mine-
ralischen Gifte nicht, welche entweder ohne Geruch sind
(x), oder auch gefallen (y). Die Natur hat diese Gifte
uns nicht verliehen, und also auch nicht deswegen Unter-
richt gegeben. Endlich kömmt der Geschmakk dem Ge-
ruch zu Hülfe, wofern ja derselbe bisweilen stumm wäre.
Das Mezereon (Seidelbast, deutscher Pfeffer) hat eine

Blume
(u) [Spaltenumbruch] BRADLEY ladies direct.
p.
86.
(u*) RUMPER herbar. Anboin.
L. I. c.
4.
(x) Ein Wasser ohne Geschmakk
und ohne Geruch war tödlich, und
steht unter den Giften, BRINVIL-
[Spaltenumbruch] LIERS mem. avant. 1699. P. II.
p.
183.
(y) Der Arsenik hat einen lieb-
lichen, aber giftigen Geruch, wenn
er nach der Tachenianischen Art
bereitet wird, BOERHAAVE
morb. nerv. p.
437.
Der Geruch. XIV. Buch.

Was mich betrift, ſo glaube ich voͤllig, daß keine
Speiſe geſund ſei, welche ſtinket. So erregt die beige-
miſchte Faͤulnis in dem Kaͤſe, in Fleiſch und Fiſchen,
wenn dieſe Speiſen nicht friſch ſind, einen uͤbeln Geruch.
Dieſe Faͤulnis laͤſſet ſich bisweilen durch die Nothwendig-
keit, ein andermal durch die Zartheit, des in ſeine Grund-
theile ſchon zerfallenden Fleiſches entſchuldigen. Da uͤbri-
gens die Faͤulnis das menſchliche Weſen zerſtoͤrt, ſo macht
ſie auch ſolche Speiſen zum Fieber, Skorbut, und Durch-
laufe geſchikkt. Eine etwas ſtaͤrkere Faͤulnis macht Eier
und Fleiſch emetiſch. Es bekam der Kaͤſe jemanden uͤbel,
den er im Ekel aß (u), es erfolgte ein gefaͤrliches Fieber,
und ich erinnere mich noch ganz wohl, da mir einige Ver-
wandte Kaͤſe, als ich noch jung war, wider meinen Wil-
len durch einen unzeitigen Spaß aufdrungen, daß ich
denſelben mit groſſer Beſchwerlichkeit, und erſt nach lan-
ger Zeit, nachdem er verdorben aufgeſtoſſen, verdauen
koͤnnen. Die Frucht vom Durion, welche wie man ſagt,
angenehm ſchmekken ſoll, ob gleich der Geruch ekelhaft
iſt, laͤſſet ſich nur mit Gefahr eſſen. Denn ſo wie ſie faul
riecht, ſo erregt ſie Durchlauf und andre Uebel (u*)

Dahingegen halte ich |davor, daß man ſo leicht keine
Speiſe ungeſund finden wird, welche einen angenehmen
Geruch bei ſich fuͤhrt. Jch kehre mich hier an die mine-
raliſchen Gifte nicht, welche entweder ohne Geruch ſind
(x), oder auch gefallen (y). Die Natur hat dieſe Gifte
uns nicht verliehen, und alſo auch nicht deswegen Unter-
richt gegeben. Endlich koͤmmt der Geſchmakk dem Ge-
ruch zu Huͤlfe, wofern ja derſelbe bisweilen ſtumm waͤre.
Das Mezereon (Seidelbaſt, deutſcher Pfeffer) hat eine

Blume
(u) [Spaltenumbruch] BRADLEY ladies direct.
p.
86.
(u*) RUMPER herbar. Anboin.
L. I. c.
4.
(x) Ein Waſſer ohne Geſchmakk
und ohne Geruch war toͤdlich, und
ſteht unter den Giften, BRINVIL-
[Spaltenumbruch] LIERS mem. avant. 1699. P. II.
p.
183.
(y) Der Arſenik hat einen lieb-
lichen, aber giftigen Geruch, wenn
er nach der Tachenianiſchen Art
bereitet wird, BOERHAAVE
morb. nerv. p.
437.
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[518/0536] Der Geruch. XIV. Buch. Was mich betrift, ſo glaube ich voͤllig, daß keine Speiſe geſund ſei, welche ſtinket. So erregt die beige- miſchte Faͤulnis in dem Kaͤſe, in Fleiſch und Fiſchen, wenn dieſe Speiſen nicht friſch ſind, einen uͤbeln Geruch. Dieſe Faͤulnis laͤſſet ſich bisweilen durch die Nothwendig- keit, ein andermal durch die Zartheit, des in ſeine Grund- theile ſchon zerfallenden Fleiſches entſchuldigen. Da uͤbri- gens die Faͤulnis das menſchliche Weſen zerſtoͤrt, ſo macht ſie auch ſolche Speiſen zum Fieber, Skorbut, und Durch- laufe geſchikkt. Eine etwas ſtaͤrkere Faͤulnis macht Eier und Fleiſch emetiſch. Es bekam der Kaͤſe jemanden uͤbel, den er im Ekel aß (u), es erfolgte ein gefaͤrliches Fieber, und ich erinnere mich noch ganz wohl, da mir einige Ver- wandte Kaͤſe, als ich noch jung war, wider meinen Wil- len durch einen unzeitigen Spaß aufdrungen, daß ich denſelben mit groſſer Beſchwerlichkeit, und erſt nach lan- ger Zeit, nachdem er verdorben aufgeſtoſſen, verdauen koͤnnen. Die Frucht vom Durion, welche wie man ſagt, angenehm ſchmekken ſoll, ob gleich der Geruch ekelhaft iſt, laͤſſet ſich nur mit Gefahr eſſen. Denn ſo wie ſie faul riecht, ſo erregt ſie Durchlauf und andre Uebel (u*) Dahingegen halte ich |davor, daß man ſo leicht keine Speiſe ungeſund finden wird, welche einen angenehmen Geruch bei ſich fuͤhrt. Jch kehre mich hier an die mine- raliſchen Gifte nicht, welche entweder ohne Geruch ſind (x), oder auch gefallen (y). Die Natur hat dieſe Gifte uns nicht verliehen, und alſo auch nicht deswegen Unter- richt gegeben. Endlich koͤmmt der Geſchmakk dem Ge- ruch zu Huͤlfe, wofern ja derſelbe bisweilen ſtumm waͤre. Das Mezereon (Seidelbaſt, deutſcher Pfeffer) hat eine Blume (u) BRADLEY ladies direct. p. 86. (u*) RUMPER herbar. Anboin. L. I. c. 4. (x) Ein Waſſer ohne Geſchmakk und ohne Geruch war toͤdlich, und ſteht unter den Giften, BRINVIL- LIERS mem. avant. 1699. P. II. p. 183. (y) Der Arſenik hat einen lieb- lichen, aber giftigen Geruch, wenn er nach der Tachenianiſchen Art bereitet wird, BOERHAAVE morb. nerv. p. 437.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/536>, abgerufen am 22.11.2024.