Endlich kann man die Probe sehr leicht machen, daß wir durch Oerter voller häslichen Gestankes, und mitten durch heimliche Gemächer gehen können, ohne im ge- ringsten von diesem Gestanke belästiget zu werden, weil es uns frei steht, wärend dieser Zeit ohne Einathmen zu bleiben.
§. 2. Der Weg, welchen die Geruchtheile nehmen.
Da diejenigen Theile, welche den Geruch beschäfti- gen, flüchtiger Art sind, so breiten sie sich ohne Zweifel so gleich überall in der ganzen Nase aus. Es ist dieses nämlich die besondre Art der Geruchdünste, daß sie durch alle Löcher in alle Winkel einschleichen. Folglich werden sie die Nase anfüllen, und sich in den Schleimhölen aus- breiten.
Man könnte noch fragen, ob die Geruchstoffe auch bis zum Gehirne gelangen, ob wir dieses gleich von der Luft schon geläugnet haben (z)
Die Alten folgten der Theorie beständig, daß die Luft (a) durch die Löcher des siebförmigen Knochens in die vordre Gehirnkammer, nebst den Geruchtheilen ge- lange (b); daß in dieser Kammer der Sinn des Ge- ruches vor sich gehe (c), daß das Gehirn selbst, Kraft der erweiterten Kammer, aus der Nase die Luft an sich ziehe, und daß aus diesem Grunde der untere Theil der Kammern auf den Siebknochen aufliege (d). Und folg- lich wären die Siebknochen aus dem Grunde unter einan- der verwikkelt, damit nicht die rohe Luft zum Gehirn kommen könne (e).
Schneider hat vorlängst diesen Weg (f) wiederlegt, und seine sämmtliche Nachkommenschaft findet die Wege
des
(z)[Spaltenumbruch]L. X. p. 174. 175.
(a)GALENUS, de util. respi- rat. fin. &c.
(b)AVICENNA, p. 9. 6.
(c)GALEN. instrument. odor. c. 4. ORIBAS. p. 48. 52.
(d)[Spaltenumbruch]ORIBASIUS, p. 52.
(e)Idem p. 18.
(f)De CATARRH. L. II. s. 2. Er irret, daß sie nicht zum Stirn- sinus komme.
Der Geruch. XIV. Buch.
Endlich kann man die Probe ſehr leicht machen, daß wir durch Oerter voller haͤslichen Geſtankes, und mitten durch heimliche Gemaͤcher gehen koͤnnen, ohne im ge- ringſten von dieſem Geſtanke belaͤſtiget zu werden, weil es uns frei ſteht, waͤrend dieſer Zeit ohne Einathmen zu bleiben.
§. 2. Der Weg, welchen die Geruchtheile nehmen.
Da diejenigen Theile, welche den Geruch beſchaͤfti- gen, fluͤchtiger Art ſind, ſo breiten ſie ſich ohne Zweifel ſo gleich uͤberall in der ganzen Naſe aus. Es iſt dieſes naͤmlich die beſondre Art der Geruchduͤnſte, daß ſie durch alle Loͤcher in alle Winkel einſchleichen. Folglich werden ſie die Naſe anfuͤllen, und ſich in den Schleimhoͤlen aus- breiten.
Man koͤnnte noch fragen, ob die Geruchſtoffe auch bis zum Gehirne gelangen, ob wir dieſes gleich von der Luft ſchon gelaͤugnet haben (z)
Die Alten folgten der Theorie beſtaͤndig, daß die Luft (a) durch die Loͤcher des ſiebfoͤrmigen Knochens in die vordre Gehirnkammer, nebſt den Geruchtheilen ge- lange (b); daß in dieſer Kammer der Sinn des Ge- ruches vor ſich gehe (c), daß das Gehirn ſelbſt, Kraft der erweiterten Kammer, aus der Naſe die Luft an ſich ziehe, und daß aus dieſem Grunde der untere Theil der Kammern auf den Siebknochen aufliege (d). Und folg- lich waͤren die Siebknochen aus dem Grunde unter einan- der verwikkelt, damit nicht die rohe Luft zum Gehirn kommen koͤnne (e).
Schneider hat vorlaͤngſt dieſen Weg (f) wiederlegt, und ſeine ſaͤmmtliche Nachkommenſchaft findet die Wege
des
(z)[Spaltenumbruch]L. X. p. 174. 175.
(a)GALENUS, de util. reſpi- rat. fin. &c.
(b)AVICENNA, p. 9. 6.
(c)GALEN. inſtrument. odor. c. 4. ORIBAS. p. 48. 52.
(d)[Spaltenumbruch]ORIBASIUS, p. 52.
(e)Idem p. 18.
(f)De CATARRH. L. II. ſ. 2. Er irret, daß ſie nicht zum Stirn- ſinus komme.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0522"n="504"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Der Geruch. <hirendition="#aq">XIV.</hi> Buch.</hi></fw><lb/><p>Endlich kann man die Probe ſehr leicht machen, daß<lb/>
wir durch Oerter voller haͤslichen Geſtankes, und mitten<lb/>
durch heimliche Gemaͤcher gehen koͤnnen, ohne im ge-<lb/>
ringſten von dieſem Geſtanke belaͤſtiget zu werden, weil<lb/>
es uns frei ſteht, waͤrend dieſer Zeit ohne Einathmen zu<lb/>
bleiben.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b">§. 2.<lb/>
Der Weg, welchen die Geruchtheile nehmen.</hi></head><lb/><p>Da diejenigen Theile, welche den Geruch beſchaͤfti-<lb/>
gen, fluͤchtiger Art ſind, ſo breiten ſie ſich ohne Zweifel<lb/>ſo gleich uͤberall in der ganzen Naſe aus. Es iſt dieſes<lb/>
naͤmlich die beſondre Art der Geruchduͤnſte, daß ſie durch<lb/>
alle Loͤcher in alle Winkel einſchleichen. Folglich werden<lb/>ſie die Naſe anfuͤllen, und ſich in den Schleimhoͤlen aus-<lb/>
breiten.</p><lb/><p>Man koͤnnte noch fragen, ob die Geruchſtoffe auch<lb/>
bis zum Gehirne gelangen, ob wir dieſes gleich von der<lb/>
Luft ſchon gelaͤugnet haben <noteplace="foot"n="(z)"><cb/><hirendition="#aq">L. X. p.</hi> 174. 175.</note></p><lb/><p>Die Alten folgten der Theorie beſtaͤndig, daß die<lb/>
Luft <noteplace="foot"n="(a)"><hirendition="#aq">GALENUS, de util. reſpi-<lb/>
rat. fin. &c.</hi></note> durch die Loͤcher des ſiebfoͤrmigen Knochens in<lb/>
die vordre Gehirnkammer, nebſt den Geruchtheilen ge-<lb/>
lange <noteplace="foot"n="(b)"><hirendition="#aq">AVICENNA, p.</hi> 9. 6.</note>; daß in dieſer Kammer der Sinn des Ge-<lb/>
ruches vor ſich gehe <noteplace="foot"n="(c)"><hirendition="#aq">GALEN. inſtrument. odor.<lb/>
c. 4. ORIBAS. p.</hi> 48. 52.</note>, daß das Gehirn ſelbſt, Kraft<lb/>
der erweiterten Kammer, aus der Naſe die Luft an ſich<lb/>
ziehe, und daß aus dieſem Grunde der untere Theil der<lb/>
Kammern auf den Siebknochen aufliege <noteplace="foot"n="(d)"><cb/><hirendition="#aq">ORIBASIUS, p.</hi> 52.</note>. Und folg-<lb/>
lich waͤren die Siebknochen aus dem Grunde unter einan-<lb/>
der verwikkelt, damit nicht die rohe Luft zum Gehirn<lb/>
kommen koͤnne <noteplace="foot"n="(e)"><hirendition="#aq">Idem p.</hi> 18.</note>.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Schneider</hi> hat vorlaͤngſt dieſen Weg <noteplace="foot"n="(f)"><hirendition="#aq">De CATARRH. L. II. ſ.</hi> 2.<lb/>
Er irret, daß ſie nicht zum Stirn-<lb/>ſinus komme.</note> wiederlegt,<lb/>
und ſeine ſaͤmmtliche Nachkommenſchaft findet die Wege<lb/><fwplace="bottom"type="catch">des</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[504/0522]
Der Geruch. XIV. Buch.
Endlich kann man die Probe ſehr leicht machen, daß
wir durch Oerter voller haͤslichen Geſtankes, und mitten
durch heimliche Gemaͤcher gehen koͤnnen, ohne im ge-
ringſten von dieſem Geſtanke belaͤſtiget zu werden, weil
es uns frei ſteht, waͤrend dieſer Zeit ohne Einathmen zu
bleiben.
§. 2.
Der Weg, welchen die Geruchtheile nehmen.
Da diejenigen Theile, welche den Geruch beſchaͤfti-
gen, fluͤchtiger Art ſind, ſo breiten ſie ſich ohne Zweifel
ſo gleich uͤberall in der ganzen Naſe aus. Es iſt dieſes
naͤmlich die beſondre Art der Geruchduͤnſte, daß ſie durch
alle Loͤcher in alle Winkel einſchleichen. Folglich werden
ſie die Naſe anfuͤllen, und ſich in den Schleimhoͤlen aus-
breiten.
Man koͤnnte noch fragen, ob die Geruchſtoffe auch
bis zum Gehirne gelangen, ob wir dieſes gleich von der
Luft ſchon gelaͤugnet haben (z)
Die Alten folgten der Theorie beſtaͤndig, daß die
Luft (a) durch die Loͤcher des ſiebfoͤrmigen Knochens in
die vordre Gehirnkammer, nebſt den Geruchtheilen ge-
lange (b); daß in dieſer Kammer der Sinn des Ge-
ruches vor ſich gehe (c), daß das Gehirn ſelbſt, Kraft
der erweiterten Kammer, aus der Naſe die Luft an ſich
ziehe, und daß aus dieſem Grunde der untere Theil der
Kammern auf den Siebknochen aufliege (d). Und folg-
lich waͤren die Siebknochen aus dem Grunde unter einan-
der verwikkelt, damit nicht die rohe Luft zum Gehirn
kommen koͤnne (e).
Schneider hat vorlaͤngſt dieſen Weg (f) wiederlegt,
und ſeine ſaͤmmtliche Nachkommenſchaft findet die Wege
des
(z)
L. X. p. 174. 175.
(a) GALENUS, de util. reſpi-
rat. fin. &c.
(b) AVICENNA, p. 9. 6.
(c) GALEN. inſtrument. odor.
c. 4. ORIBAS. p. 48. 52.
(d)
ORIBASIUS, p. 52.
(e) Idem p. 18.
(f) De CATARRH. L. II. ſ. 2.
Er irret, daß ſie nicht zum Stirn-
ſinus komme.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/522>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.