Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Abschnitt. Werkzeug.
diejenige Süßigkeit, welche man im süssen Vitriolöle an-
trift, ist ohne Zweifel der Säure zuzuschreiben. Jm
Alaune stekkt von selbst schon eine Süßigkeit (a), und man
kann selbige durch wiederholte Auflösungen, und Abzie-
hung des Phlegma besonders haben. Jn den Thieren
ist die Süßigkeit seltner, und dennoch lässet sich ein süsses
Salz aus der Milch kochen: obgleich das ganze Wesen
der Milch, sonderlich der Molken, woraus der so genann-
te Milchzukker gekocht wird, sauer ist.

Man pflegt dieses so zu erklären, daß die säure Spiz-
zen so lange eine Süßigkeit verursachen, als sie gleichsam
in Scheiden stekken. Diese Scheide ist oftmals Oel,
bisweilen Erde, oder ein metallischer Kalk. Das Wein-
öl theilt der vitriolischen Säure (b) eine Süßigkeit mit.

Der bittre Geschmakk gehört vornämlich für die
Pflanzen, er ist mannigfaltig, allein alle sind darinnen
einstimmig, daß derselbe zu einerlei Klasse gehöre, wie
man vom Wermut, Enzian, Gottesgnadenkraute, von
der gemeinen Rhapontik, Aloe, Koloquinte, von den
meisten milchigen flachblättrigen Pflanzenblumen weis;
ferner gehören hieher die Gummata der heissen Länder,
welche mehrenteils aus dem Geschlechte der fünf blättrigen
irregulären Blumenbüschel (Umbellen) sind, als das
Galbanum, Mirrhen, und des verdorbnen Oels. Jn
Thieren giebt die Galle, und das Ohrenschmalz ein Exem-
pel von der Bitterkeit.

Unter den Mineralien hat man einige bittre metalli-
sche Auflösungen (c) sonderlich wenn man Silber im Ni-
tergeiste auflöset.

Jn dem Thierreich scheint sich das Bittre mit dem
Oele zu verbinden, aber nicht so in den Metallen, noch
deutlich genung in allen Pflanzen. Doch ist die Milch der
flachblumigen Pflanzenarten, und die Gummen der aus-
ländischen Gewächse, in vielen Exempeln ziemlich harzig.

Der
(a) [Spaltenumbruch] Idem p. 74.
(b) Idem de natur. dulced.
pag.
80.
(c) [Spaltenumbruch] BOYLE de mechan. form.
product. exp. 3. 5. BORRICH,
l. c. pag.
77.
D d 2

I. Abſchnitt. Werkzeug.
diejenige Suͤßigkeit, welche man im ſuͤſſen Vitrioloͤle an-
trift, iſt ohne Zweifel der Saͤure zuzuſchreiben. Jm
Alaune ſtekkt von ſelbſt ſchon eine Suͤßigkeit (a), und man
kann ſelbige durch wiederholte Aufloͤſungen, und Abzie-
hung des Phlegma beſonders haben. Jn den Thieren
iſt die Suͤßigkeit ſeltner, und dennoch laͤſſet ſich ein ſuͤſſes
Salz aus der Milch kochen: obgleich das ganze Weſen
der Milch, ſonderlich der Molken, woraus der ſo genann-
te Milchzukker gekocht wird, ſauer iſt.

Man pflegt dieſes ſo zu erklaͤren, daß die ſaͤure Spiz-
zen ſo lange eine Suͤßigkeit verurſachen, als ſie gleichſam
in Scheiden ſtekken. Dieſe Scheide iſt oftmals Oel,
bisweilen Erde, oder ein metalliſcher Kalk. Das Wein-
oͤl theilt der vitrioliſchen Saͤure (b) eine Suͤßigkeit mit.

Der bittre Geſchmakk gehoͤrt vornaͤmlich fuͤr die
Pflanzen, er iſt mannigfaltig, allein alle ſind darinnen
einſtimmig, daß derſelbe zu einerlei Klaſſe gehoͤre, wie
man vom Wermut, Enzian, Gottesgnadenkraute, von
der gemeinen Rhapontik, Aloe, Koloquinte, von den
meiſten milchigen flachblaͤttrigen Pflanzenblumen weis;
ferner gehoͤren hieher die Gummata der heiſſen Laͤnder,
welche mehrenteils aus dem Geſchlechte der fuͤnf blaͤttrigen
irregulaͤren Blumenbuͤſchel (Umbellen) ſind, als das
Galbanum, Mirrhen, und des verdorbnen Oels. Jn
Thieren giebt die Galle, und das Ohrenſchmalz ein Exem-
pel von der Bitterkeit.

Unter den Mineralien hat man einige bittre metalli-
ſche Aufloͤſungen (c) ſonderlich wenn man Silber im Ni-
tergeiſte aufloͤſet.

Jn dem Thierreich ſcheint ſich das Bittre mit dem
Oele zu verbinden, aber nicht ſo in den Metallen, noch
deutlich genung in allen Pflanzen. Doch iſt die Milch der
flachblumigen Pflanzenarten, und die Gummen der aus-
laͤndiſchen Gewaͤchſe, in vielen Exempeln ziemlich harzig.

Der
(a) [Spaltenumbruch] Idem p. 74.
(b) Idem de natur. dulced.
pag.
80.
(c) [Spaltenumbruch] BOYLE de mechan. form.
product. exp. 3. 5. BORRICH,
l. c. pag.
77.
D d 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0437" n="419"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Werkzeug.</hi></fw><lb/>
diejenige Su&#x0364;ßigkeit, welche man im &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Vitriolo&#x0364;le an-<lb/>
trift, i&#x017F;t ohne Zweifel der Sa&#x0364;ure zuzu&#x017F;chreiben. Jm<lb/>
Alaune &#x017F;tekkt von &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chon eine Su&#x0364;ßigkeit <note place="foot" n="(a)"><cb/><hi rendition="#aq">Idem p.</hi> 74.</note>, und man<lb/>
kann &#x017F;elbige durch wiederholte Auflo&#x0364;&#x017F;ungen, und Abzie-<lb/>
hung des Phlegma be&#x017F;onders haben. Jn den Thieren<lb/>
i&#x017F;t die Su&#x0364;ßigkeit &#x017F;eltner, und dennoch la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich ein &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;es<lb/>
Salz aus der Milch kochen: obgleich das ganze We&#x017F;en<lb/>
der Milch, &#x017F;onderlich der Molken, woraus der &#x017F;o genann-<lb/>
te Milchzukker gekocht wird, &#x017F;auer i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Man pflegt die&#x017F;es &#x017F;o zu erkla&#x0364;ren, daß die &#x017F;a&#x0364;ure Spiz-<lb/>
zen &#x017F;o lange eine Su&#x0364;ßigkeit verur&#x017F;achen, als &#x017F;ie gleich&#x017F;am<lb/>
in Scheiden &#x017F;tekken. Die&#x017F;e Scheide i&#x017F;t oftmals Oel,<lb/>
bisweilen Erde, oder ein metalli&#x017F;cher Kalk. Das Wein-<lb/>
o&#x0364;l theilt der vitrioli&#x017F;chen Sa&#x0364;ure <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq">Idem de natur. dulced.<lb/>
pag.</hi> 80.</note> eine Su&#x0364;ßigkeit mit.</p><lb/>
            <p>Der bittre Ge&#x017F;chmakk geho&#x0364;rt vorna&#x0364;mlich fu&#x0364;r die<lb/>
Pflanzen, er i&#x017F;t mannigfaltig, allein alle &#x017F;ind darinnen<lb/>
ein&#x017F;timmig, daß der&#x017F;elbe zu einerlei Kla&#x017F;&#x017F;e geho&#x0364;re, wie<lb/>
man vom Wermut, Enzian, Gottesgnadenkraute, von<lb/>
der gemeinen Rhapontik, Aloe, Koloquinte, von den<lb/>
mei&#x017F;ten milchigen flachbla&#x0364;ttrigen Pflanzenblumen weis;<lb/>
ferner geho&#x0364;ren hieher die Gummata der hei&#x017F;&#x017F;en La&#x0364;nder,<lb/>
welche mehrenteils aus dem Ge&#x017F;chlechte der fu&#x0364;nf bla&#x0364;ttrigen<lb/>
irregula&#x0364;ren Blumenbu&#x0364;&#x017F;chel (Umbellen) &#x017F;ind, als das<lb/>
Galbanum, Mirrhen, und des verdorbnen Oels. Jn<lb/>
Thieren giebt die Galle, und das Ohren&#x017F;chmalz ein Exem-<lb/>
pel von der Bitterkeit.</p><lb/>
            <p>Unter den Mineralien hat man einige bittre metalli-<lb/>
&#x017F;che Auflo&#x0364;&#x017F;ungen <note place="foot" n="(c)"><cb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">BOYLE</hi> de mechan. form.<lb/>
product. exp. 3. 5. <hi rendition="#g">BORRICH,</hi><lb/>
l. c. pag.</hi> 77.</note> &#x017F;onderlich wenn man Silber im Ni-<lb/>
tergei&#x017F;te auflo&#x0364;&#x017F;et.</p><lb/>
            <p>Jn dem Thierreich &#x017F;cheint &#x017F;ich das Bittre mit dem<lb/>
Oele zu verbinden, aber nicht &#x017F;o in den Metallen, noch<lb/>
deutlich genung in allen Pflanzen. Doch i&#x017F;t die Milch der<lb/>
flachblumigen Pflanzenarten, und die Gummen der aus-<lb/>
la&#x0364;ndi&#x017F;chen Gewa&#x0364;ch&#x017F;e, in vielen Exempeln ziemlich harzig.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">D d 2</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[419/0437] I. Abſchnitt. Werkzeug. diejenige Suͤßigkeit, welche man im ſuͤſſen Vitrioloͤle an- trift, iſt ohne Zweifel der Saͤure zuzuſchreiben. Jm Alaune ſtekkt von ſelbſt ſchon eine Suͤßigkeit (a), und man kann ſelbige durch wiederholte Aufloͤſungen, und Abzie- hung des Phlegma beſonders haben. Jn den Thieren iſt die Suͤßigkeit ſeltner, und dennoch laͤſſet ſich ein ſuͤſſes Salz aus der Milch kochen: obgleich das ganze Weſen der Milch, ſonderlich der Molken, woraus der ſo genann- te Milchzukker gekocht wird, ſauer iſt. Man pflegt dieſes ſo zu erklaͤren, daß die ſaͤure Spiz- zen ſo lange eine Suͤßigkeit verurſachen, als ſie gleichſam in Scheiden ſtekken. Dieſe Scheide iſt oftmals Oel, bisweilen Erde, oder ein metalliſcher Kalk. Das Wein- oͤl theilt der vitrioliſchen Saͤure (b) eine Suͤßigkeit mit. Der bittre Geſchmakk gehoͤrt vornaͤmlich fuͤr die Pflanzen, er iſt mannigfaltig, allein alle ſind darinnen einſtimmig, daß derſelbe zu einerlei Klaſſe gehoͤre, wie man vom Wermut, Enzian, Gottesgnadenkraute, von der gemeinen Rhapontik, Aloe, Koloquinte, von den meiſten milchigen flachblaͤttrigen Pflanzenblumen weis; ferner gehoͤren hieher die Gummata der heiſſen Laͤnder, welche mehrenteils aus dem Geſchlechte der fuͤnf blaͤttrigen irregulaͤren Blumenbuͤſchel (Umbellen) ſind, als das Galbanum, Mirrhen, und des verdorbnen Oels. Jn Thieren giebt die Galle, und das Ohrenſchmalz ein Exem- pel von der Bitterkeit. Unter den Mineralien hat man einige bittre metalli- ſche Aufloͤſungen (c) ſonderlich wenn man Silber im Ni- tergeiſte aufloͤſet. Jn dem Thierreich ſcheint ſich das Bittre mit dem Oele zu verbinden, aber nicht ſo in den Metallen, noch deutlich genung in allen Pflanzen. Doch iſt die Milch der flachblumigen Pflanzenarten, und die Gummen der aus- laͤndiſchen Gewaͤchſe, in vielen Exempeln ziemlich harzig. Der (a) Idem p. 74. (b) Idem de natur. dulced. pag. 80. (c) BOYLE de mechan. form. product. exp. 3. 5. BORRICH, l. c. pag. 77. D d 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/437
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/437>, abgerufen am 17.05.2024.