bringt ein trokner Zukker blos die Empfindung des Ge- fühls, und seine Trokkenheit zum Vorschein. Sobald derselbe aber aufgelöst ist (e*) und in die Poros der Haut eindringen kann, sogleich kosten wir seine Süßigkeit. Aus der Ursache haben Erden, die sich nicht weiter auflösen lassen, keinen Geschmak, so wie ein jeder Körper, der nicht zerfliest, geschmaklos bleibt. Und daher rührt vielleicht das von dem vortreflichen Sekondat beobachtete Phä- nomenon, da die Kristallen, von denen die Bagneren entstehen, anfänglich auf der Zunge ungeschmakt sind, nachher aber, wenn sie die Oberhaut der Zunge allmälich durchdrungen, einen scharfen Geschmak hervorbringen (f).
Doch es ist nicht genung, daß ein Körper in Wasser aufgelöst, oder flüßig sei, wenn man ihn schmekken soll; nein, er mus etwas salziges enthalten. Wir kennen Salz vornämlich daran, daß es geschikt sei, gekostet zu werden, und es scheinet dasselbe, ausser Wasser und Erde, welches eine unrichtige Zusammensezzung der Phisiker ist (g), vor- nämlich ein kräftiges und scharfes Element zu enthalten, welches eben nicht allein tauglich ist, unsre Wärzchen in Bewegung zu sezzen, sondern auch vermöge dieser eindrin- genden Kraft aufgelegt ist, Körper aufzulösen. Man vermutet, daß dieses bewegliche Principium von dem all- gemeinen Sauersalze abhängt (h), und daß die Sauer- salze mit verschiednen Erden, so wie die alkalische Salze mit einem Phlogiston und ihrer besondern Erde, bei einer gewissen Beimischung der übrigen Elementen, alle Arten des Geschmakkes ausmachen.
Wir wissen nicht recht, ob der Lebensgeist selbst einen Geschmak hat, und ob derselbe vielmehr ausser dem brenn-
baren
(e*)[Spaltenumbruch]
Aufgelöste Salze machen den Geschmak. BELLINUS c. 6. pag. 3.
(f)Obs. de physique pag. 50.
(g)Stahl von Salzen p. 58. Ob aber gleich das Mecksalz, durch [Spaltenumbruch]
wiederholte Auflösung sich in eine unauflösliche Erde verwandelt, so hat es doch dasjenige flüchtige Sau- ersalz verloren, welches eben macht, daß es Salz ist.
(h)L. VIII.
Der Geſchmak. XIII. Buch.
bringt ein trokner Zukker blos die Empfindung des Ge- fuͤhls, und ſeine Trokkenheit zum Vorſchein. Sobald derſelbe aber aufgeloͤſt iſt (e*) und in die Poros der Haut eindringen kann, ſogleich koſten wir ſeine Suͤßigkeit. Aus der Urſache haben Erden, die ſich nicht weiter aufloͤſen laſſen, keinen Geſchmak, ſo wie ein jeder Koͤrper, der nicht zerflieſt, geſchmaklos bleibt. Und daher ruͤhrt vielleicht das von dem vortreflichen Sekondat beobachtete Phaͤ- nomenon, da die Kriſtallen, von denen die Bagneren entſtehen, anfaͤnglich auf der Zunge ungeſchmakt ſind, nachher aber, wenn ſie die Oberhaut der Zunge allmaͤlich durchdrungen, einen ſcharfen Geſchmak hervorbringen (f).
Doch es iſt nicht genung, daß ein Koͤrper in Waſſer aufgeloͤſt, oder fluͤßig ſei, wenn man ihn ſchmekken ſoll; nein, er mus etwas ſalziges enthalten. Wir kennen Salz vornaͤmlich daran, daß es geſchikt ſei, gekoſtet zu werden, und es ſcheinet daſſelbe, auſſer Waſſer und Erde, welches eine unrichtige Zuſammenſezzung der Phiſiker iſt (g), vor- naͤmlich ein kraͤftiges und ſcharfes Element zu enthalten, welches eben nicht allein tauglich iſt, unſre Waͤrzchen in Bewegung zu ſezzen, ſondern auch vermoͤge dieſer eindrin- genden Kraft aufgelegt iſt, Koͤrper aufzuloͤſen. Man vermutet, daß dieſes bewegliche Principium von dem all- gemeinen Sauerſalze abhaͤngt (h), und daß die Sauer- ſalze mit verſchiednen Erden, ſo wie die alkaliſche Salze mit einem Phlogiſton und ihrer beſondern Erde, bei einer gewiſſen Beimiſchung der uͤbrigen Elementen, alle Arten des Geſchmakkes ausmachen.
Wir wiſſen nicht recht, ob der Lebensgeiſt ſelbſt einen Geſchmak hat, und ob derſelbe vielmehr auſſer dem brenn-
baren
(e*)[Spaltenumbruch]
Aufgeloͤſte Salze machen den Geſchmak. BELLINUS c. 6. pag. 3.
(f)Obſ. de phyſique pag. 50.
(g)Stahl von Salzen p. 58. Ob aber gleich das Meckſalz, durch [Spaltenumbruch]
wiederholte Aufloͤſung ſich in eine unaufloͤsliche Erde verwandelt, ſo hat es doch dasjenige fluͤchtige Sau- erſalz verloren, welches eben macht, daß es Salz iſt.
(h)L. VIII.
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Der Geſchmak. XIII. Buch.
bringt ein trokner Zukker blos die Empfindung des Ge-
fuͤhls, und ſeine Trokkenheit zum Vorſchein. Sobald
derſelbe aber aufgeloͤſt iſt (e*) und in die Poros der Haut
eindringen kann, ſogleich koſten wir ſeine Suͤßigkeit. Aus
der Urſache haben Erden, die ſich nicht weiter aufloͤſen
laſſen, keinen Geſchmak, ſo wie ein jeder Koͤrper, der nicht
zerflieſt, geſchmaklos bleibt. Und daher ruͤhrt vielleicht
das von dem vortreflichen Sekondat beobachtete Phaͤ-
nomenon, da die Kriſtallen, von denen die Bagneren
entſtehen, anfaͤnglich auf der Zunge ungeſchmakt ſind,
nachher aber, wenn ſie die Oberhaut der Zunge allmaͤlich
durchdrungen, einen ſcharfen Geſchmak hervorbringen (f).
Doch es iſt nicht genung, daß ein Koͤrper in Waſſer
aufgeloͤſt, oder fluͤßig ſei, wenn man ihn ſchmekken ſoll;
nein, er mus etwas ſalziges enthalten. Wir kennen Salz
vornaͤmlich daran, daß es geſchikt ſei, gekoſtet zu werden,
und es ſcheinet daſſelbe, auſſer Waſſer und Erde, welches
eine unrichtige Zuſammenſezzung der Phiſiker iſt (g), vor-
naͤmlich ein kraͤftiges und ſcharfes Element zu enthalten,
welches eben nicht allein tauglich iſt, unſre Waͤrzchen in
Bewegung zu ſezzen, ſondern auch vermoͤge dieſer eindrin-
genden Kraft aufgelegt iſt, Koͤrper aufzuloͤſen. Man
vermutet, daß dieſes bewegliche Principium von dem all-
gemeinen Sauerſalze abhaͤngt (h), und daß die Sauer-
ſalze mit verſchiednen Erden, ſo wie die alkaliſche Salze
mit einem Phlogiſton und ihrer beſondern Erde, bei einer
gewiſſen Beimiſchung der uͤbrigen Elementen, alle Arten
des Geſchmakkes ausmachen.
Wir wiſſen nicht recht, ob der Lebensgeiſt ſelbſt einen
Geſchmak hat, und ob derſelbe vielmehr auſſer dem brenn-
baren
(e*)
Aufgeloͤſte Salze machen
den Geſchmak. BELLINUS c. 6.
pag. 3.
(f) Obſ. de phyſique pag. 50.
(g) Stahl von Salzen p. 58.
Ob aber gleich das Meckſalz, durch
wiederholte Aufloͤſung ſich in eine
unaufloͤsliche Erde verwandelt, ſo
hat es doch dasjenige fluͤchtige Sau-
erſalz verloren, welches eben macht,
daß es Salz iſt.
(h) L. VIII.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/432>, abgerufen am 22.11.2024.
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