Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite
III. Abschnitt. Ursachen.

Wir haben ausserdem durch Versuche gezeigt, daß
diese Werkzeuge, und wenigstens das Herz (p), und
sonderlich dessen Ohren (q), nebst dem Gedärme (r),
den Reiz durchaus nicht vertragen können, daß sie lange
Zeit ihre Bewegungen fortsezzen, und so gar in diesem
Stükke die unwillkürliche Muskeln übertreffen. Ob man
gleich bisweilen (s) die willkürliche Muskeln sich zusam-
menziehen gesehen, wenn das Herz, und das Gedärme
ruhig waren, so geschicht doch solches selten, und es hat
dagegen das Herz und das Gedärme, wie wir solches so
oft gezeigt haben (t), an dem Hühngen im Eie, an dem
immer beständigen Exempel der kalten und der meisten
warmen Thiere, jederzeit die Oberhand gehabt. Wenn
daher diese Werkzeuge sehr reizbar sind, und wenn sie
beständig gereizt werden (u), so darf man sich überhaupt
gar nicht wundern, daß sie sich beständig bewegen. Man
nehme dem Gedärme und dem ausgeleerten Herzen den
Reiz (y), so wird man sehen, daß auch diese Muskeln
ohne Bewegung bleiben.

Dahingegen geraten die Muskeln, welche dem Willen
unterworfen sind, da sie weniger reizbar sind (z), und von
den Gegenkräften der Antagonisten (a) in Schranken
erhalten werden, von freien Stükken nicht in deutliche
Bewegungen. Allein, wenn man sie durch Gift, Eisen,
elektrische Funken, oder irgend andre Schärfe, reizt, so
machen sie ebenfalls ihre unwillkürliche Bewegungen,
indem sie sich zusammenziehen (b).

Es hat aber das Anfehn, daß die Natur selbigen, bei
Gelegenheit des Willens (c), anstatt des Reizmittels,

eine
[Spaltenumbruch] dreimonatlich Hammern wider
Willen, Tulp. I. obs. 13.
(p) pag. 463.
(q) ibid.
(r) ibid.
(s) ibid.
(t) ibid.
(u) L. IV. p. 505.
(y) [Spaltenumbruch] L. IV. p. 490. seqq.
(z) pag. 463.
(a) pag. 506. 507.
(b) pag. 448.
(c) Der Wille wirket wie ein
Reiz, SIMSON on moscul,
mot. p.
93.
III. Abſchnitt. Urſachen.

Wir haben auſſerdem durch Verſuche gezeigt, daß
dieſe Werkzeuge, und wenigſtens das Herz (p), und
ſonderlich deſſen Ohren (q), nebſt dem Gedaͤrme (r),
den Reiz durchaus nicht vertragen koͤnnen, daß ſie lange
Zeit ihre Bewegungen fortſezzen, und ſo gar in dieſem
Stuͤkke die unwillkuͤrliche Muſkeln uͤbertreffen. Ob man
gleich bisweilen (s) die willkuͤrliche Muſkeln ſich zuſam-
menziehen geſehen, wenn das Herz, und das Gedaͤrme
ruhig waren, ſo geſchicht doch ſolches ſelten, und es hat
dagegen das Herz und das Gedaͤrme, wie wir ſolches ſo
oft gezeigt haben (t), an dem Huͤhngen im Eie, an dem
immer beſtaͤndigen Exempel der kalten und der meiſten
warmen Thiere, jederzeit die Oberhand gehabt. Wenn
daher dieſe Werkzeuge ſehr reizbar ſind, und wenn ſie
beſtaͤndig gereizt werden (u), ſo darf man ſich uͤberhaupt
gar nicht wundern, daß ſie ſich beſtaͤndig bewegen. Man
nehme dem Gedaͤrme und dem ausgeleerten Herzen den
Reiz (y), ſo wird man ſehen, daß auch dieſe Muſkeln
ohne Bewegung bleiben.

Dahingegen geraten die Muſkeln, welche dem Willen
unterworfen ſind, da ſie weniger reizbar ſind (z), und von
den Gegenkraͤften der Antagoniſten (a) in Schranken
erhalten werden, von freien Stuͤkken nicht in deutliche
Bewegungen. Allein, wenn man ſie durch Gift, Eiſen,
elektriſche Funken, oder irgend andre Schaͤrfe, reizt, ſo
machen ſie ebenfalls ihre unwillkuͤrliche Bewegungen,
indem ſie ſich zuſammenziehen (b).

Es hat aber das Anfehn, daß die Natur ſelbigen, bei
Gelegenheit des Willens (c), anſtatt des Reizmittels,

eine
[Spaltenumbruch] dreimonatlich Hammern wider
Willen, Tulp. I. obſ. 13.
(p) pag. 463.
(q) ibid.
(r) ibid.
(s) ibid.
(t) ibid.
(u) L. IV. p. 505.
(y) [Spaltenumbruch] L. IV. p. 490. ſeqq.
(z) pag. 463.
(a) pag. 506. 507.
(b) pag. 448.
(c) Der Wille wirket wie ein
Reiz, SIMSON on moſcul,
mot. p.
93.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0173" n="155"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Ab&#x017F;chnitt. Ur&#x017F;achen.</hi> </fw><lb/>
          <p>Wir haben au&#x017F;&#x017F;erdem durch Ver&#x017F;uche gezeigt, daß<lb/>
die&#x017F;e Werkzeuge, und wenig&#x017F;tens das Herz <note place="foot" n="(p)"><hi rendition="#aq">pag.</hi> 463.</note>, und<lb/>
&#x017F;onderlich de&#x017F;&#x017F;en Ohren <note place="foot" n="(q)"><hi rendition="#aq">ibid.</hi></note>, neb&#x017F;t dem Geda&#x0364;rme <note place="foot" n="(r)"><hi rendition="#aq">ibid.</hi></note>,<lb/>
den Reiz durchaus nicht vertragen ko&#x0364;nnen, daß &#x017F;ie lange<lb/>
Zeit ihre Bewegungen fort&#x017F;ezzen, und &#x017F;o gar in die&#x017F;em<lb/>
Stu&#x0364;kke die unwillku&#x0364;rliche Mu&#x017F;keln u&#x0364;bertreffen. Ob man<lb/>
gleich bisweilen <note place="foot" n="(s)"><hi rendition="#aq">ibid.</hi></note> die willku&#x0364;rliche Mu&#x017F;keln &#x017F;ich zu&#x017F;am-<lb/>
menziehen ge&#x017F;ehen, wenn das Herz, und das Geda&#x0364;rme<lb/>
ruhig waren, &#x017F;o ge&#x017F;chicht doch &#x017F;olches &#x017F;elten, und es hat<lb/>
dagegen das Herz und das Geda&#x0364;rme, wie wir &#x017F;olches &#x017F;o<lb/>
oft gezeigt haben <note place="foot" n="(t)"><hi rendition="#aq">ibid.</hi></note>, an dem Hu&#x0364;hngen im Eie, an dem<lb/>
immer be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Exempel der kalten und der mei&#x017F;ten<lb/>
warmen Thiere, jederzeit die Oberhand gehabt. Wenn<lb/>
daher die&#x017F;e Werkzeuge &#x017F;ehr reizbar &#x017F;ind, und wenn &#x017F;ie<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndig gereizt werden <note place="foot" n="(u)"><hi rendition="#aq">L. IV. p.</hi> 505.</note>, &#x017F;o darf man &#x017F;ich u&#x0364;berhaupt<lb/>
gar nicht wundern, daß &#x017F;ie &#x017F;ich be&#x017F;ta&#x0364;ndig bewegen. Man<lb/>
nehme dem Geda&#x0364;rme und dem ausgeleerten Herzen den<lb/>
Reiz <note place="foot" n="(y)"><cb/><hi rendition="#aq">L. IV. p. 490. &#x017F;eqq.</hi></note>, &#x017F;o wird man &#x017F;ehen, daß auch die&#x017F;e Mu&#x017F;keln<lb/>
ohne Bewegung bleiben.</p><lb/>
          <p>Dahingegen geraten die Mu&#x017F;keln, welche dem Willen<lb/>
unterworfen &#x017F;ind, da &#x017F;ie weniger reizbar &#x017F;ind <note place="foot" n="(z)"><hi rendition="#aq">pag.</hi> 463.</note>, und von<lb/>
den Gegenkra&#x0364;ften der Antagoni&#x017F;ten <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq">pag.</hi> 506. 507.</note> in Schranken<lb/>
erhalten werden, von freien Stu&#x0364;kken nicht in deutliche<lb/>
Bewegungen. Allein, wenn man &#x017F;ie durch Gift, Ei&#x017F;en,<lb/>
elektri&#x017F;che Funken, oder irgend andre Scha&#x0364;rfe, reizt, &#x017F;o<lb/>
machen &#x017F;ie ebenfalls ihre unwillku&#x0364;rliche Bewegungen,<lb/>
indem &#x017F;ie &#x017F;ich zu&#x017F;ammenziehen <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq">pag.</hi> 448.</note>.</p><lb/>
          <p>Es hat aber das Anfehn, daß die Natur &#x017F;elbigen, bei<lb/>
Gelegenheit des Willens <note place="foot" n="(c)">Der Wille wirket wie ein<lb/>
Reiz, <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SIMSON</hi> on mo&#x017F;cul,<lb/>
mot. p.</hi> 93.</note>, an&#x017F;tatt des Reizmittels,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">eine</fw><lb/><note xml:id="f28" prev="#f27" place="foot" n="(o)"><cb/>
dreimonatlich Hammern wider<lb/>
Willen, <hi rendition="#aq">Tulp. I. ob&#x017F;.</hi> 13.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0173] III. Abſchnitt. Urſachen. Wir haben auſſerdem durch Verſuche gezeigt, daß dieſe Werkzeuge, und wenigſtens das Herz (p), und ſonderlich deſſen Ohren (q), nebſt dem Gedaͤrme (r), den Reiz durchaus nicht vertragen koͤnnen, daß ſie lange Zeit ihre Bewegungen fortſezzen, und ſo gar in dieſem Stuͤkke die unwillkuͤrliche Muſkeln uͤbertreffen. Ob man gleich bisweilen (s) die willkuͤrliche Muſkeln ſich zuſam- menziehen geſehen, wenn das Herz, und das Gedaͤrme ruhig waren, ſo geſchicht doch ſolches ſelten, und es hat dagegen das Herz und das Gedaͤrme, wie wir ſolches ſo oft gezeigt haben (t), an dem Huͤhngen im Eie, an dem immer beſtaͤndigen Exempel der kalten und der meiſten warmen Thiere, jederzeit die Oberhand gehabt. Wenn daher dieſe Werkzeuge ſehr reizbar ſind, und wenn ſie beſtaͤndig gereizt werden (u), ſo darf man ſich uͤberhaupt gar nicht wundern, daß ſie ſich beſtaͤndig bewegen. Man nehme dem Gedaͤrme und dem ausgeleerten Herzen den Reiz (y), ſo wird man ſehen, daß auch dieſe Muſkeln ohne Bewegung bleiben. Dahingegen geraten die Muſkeln, welche dem Willen unterworfen ſind, da ſie weniger reizbar ſind (z), und von den Gegenkraͤften der Antagoniſten (a) in Schranken erhalten werden, von freien Stuͤkken nicht in deutliche Bewegungen. Allein, wenn man ſie durch Gift, Eiſen, elektriſche Funken, oder irgend andre Schaͤrfe, reizt, ſo machen ſie ebenfalls ihre unwillkuͤrliche Bewegungen, indem ſie ſich zuſammenziehen (b). Es hat aber das Anfehn, daß die Natur ſelbigen, bei Gelegenheit des Willens (c), anſtatt des Reizmittels, eine (o) (p) pag. 463. (q) ibid. (r) ibid. (s) ibid. (t) ibid. (u) L. IV. p. 505. (y) L. IV. p. 490. ſeqq. (z) pag. 463. (a) pag. 506. 507. (b) pag. 448. (c) Der Wille wirket wie ein Reiz, SIMSON on moſcul, mot. p. 93. (o) dreimonatlich Hammern wider Willen, Tulp. I. obſ. 13.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/173
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/173>, abgerufen am 25.11.2024.