im gesunden Menschen, nach tausend Millionen Schlägen, nicht weniger reizbar, als es vor zwanzig Jaren war.
Sollte wohl derjenige die Seele für eine Baumeiste- rin halten, welcher Acht darauf giebt, wie selbige einen einfältigen Thierkörper, von unglaublicher Kunst, gerade so, wie einen der allerklügsten Menschen erbaut; und welcher nicht den mindesten Unterscheid in der gehörigen Bildung eines Kindes, das niemals seine gesunde Ver- nunft gebraucht (o), gegen ein Kind antrift, woraus ein Newton werden soll? Es pfleget mir bei dieser Gelegenheit das Exempel von einem dummen Menschen- geschlechte beizufallen, daran das benachbarte Walliser- land einen Ueberflus hervorbringt. Es sind hier die Leute zu allen Geschäften des menschlichen Lebens untüch- tig, und sie sizzen entweder beständig in der Sonne, oder sie liegen in ihren Betten, ihr ganzes Leben hindurch un- beweglich. Jch glaube daher, daß nie ein Dichter so was unglaubliches gesagt haben kann, als diese Macht einer Seele ist, die so spät und so wenig klug wird, und den- noch die Macht des grossen Schöpfers nachahmen soll; denn wenn Gott Pflanzen erschafft (p), so erbaut sich hier die Seele belebte Körper, die doch würdiger, als Pflanzen sind, auf eigne Rechnung. Wer ausserdem die grosse Aenlichkeit zwischen einer wachsenden Pflanze, und einem wachsenden Thiere, und die fast gleich grosse Macht der Wärme, bei Entwikkelung beider Keime, ge- nauer betrachten will, der wird sich nimmermehr bereden können, daß Pflanzen ohne Seele, und Thiere von der Seele erbaut werden können.
(p) Unsers geliebten TISSOTT inocul. justif. p. 130. BOROS- NAY disput. die Seele bedörfe nicht, daß für sie Luft, Wärme [Spaltenumbruch]
und Erde geschäftig sind. PER- RAULT du toucher pag. 81. als ob Thiere nicht die Kraft der Wärme empfänden, L. IV. p 437. oder Luft schöpften, und alle Pflan- zen von der Erde ernärt würden.
Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
im geſunden Menſchen, nach tauſend Millionen Schlaͤgen, nicht weniger reizbar, als es vor zwanzig Jaren war.
Sollte wohl derjenige die Seele fuͤr eine Baumeiſte- rin halten, welcher Acht darauf giebt, wie ſelbige einen einfaͤltigen Thierkoͤrper, von unglaublicher Kunſt, gerade ſo, wie einen der allerkluͤgſten Menſchen erbaut; und welcher nicht den mindeſten Unterſcheid in der gehoͤrigen Bildung eines Kindes, das niemals ſeine geſunde Ver- nunft gebraucht (o), gegen ein Kind antrift, woraus ein Newton werden ſoll? Es pfleget mir bei dieſer Gelegenheit das Exempel von einem dummen Menſchen- geſchlechte beizufallen, daran das benachbarte Walliſer- land einen Ueberflus hervorbringt. Es ſind hier die Leute zu allen Geſchaͤften des menſchlichen Lebens untuͤch- tig, und ſie ſizzen entweder beſtaͤndig in der Sonne, oder ſie liegen in ihren Betten, ihr ganzes Leben hindurch un- beweglich. Jch glaube daher, daß nie ein Dichter ſo was unglaubliches geſagt haben kann, als dieſe Macht einer Seele iſt, die ſo ſpaͤt und ſo wenig klug wird, und den- noch die Macht des groſſen Schoͤpfers nachahmen ſoll; denn wenn Gott Pflanzen erſchafft (p), ſo erbaut ſich hier die Seele belebte Koͤrper, die doch wuͤrdiger, als Pflanzen ſind, auf eigne Rechnung. Wer auſſerdem die groſſe Aenlichkeit zwiſchen einer wachſenden Pflanze, und einem wachſenden Thiere, und die faſt gleich groſſe Macht der Waͤrme, bei Entwikkelung beider Keime, ge- nauer betrachten will, der wird ſich nimmermehr bereden koͤnnen, daß Pflanzen ohne Seele, und Thiere von der Seele erbaut werden koͤnnen.
(p) Unſers geliebten TISSOTT inocul. juſtif. p. 130. BOROS- NAY diſput. die Seele bedoͤrfe nicht, daß fuͤr ſie Luft, Waͤrme [Spaltenumbruch]
und Erde geſchaͤftig ſind. PER- RAULT du toucher pag. 81. als ob Thiere nicht die Kraft der Waͤrme empfaͤnden, L. IV. p 437. oder Luft ſchoͤpften, und alle Pflan- zen von der Erde ernaͤrt wuͤrden.
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Thieriſche Bewegung. XI. Buch.
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nicht weniger reizbar, als es vor zwanzig Jaren war.
Sollte wohl derjenige die Seele fuͤr eine Baumeiſte-
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einfaͤltigen Thierkoͤrper, von unglaublicher Kunſt, gerade
ſo, wie einen der allerkluͤgſten Menſchen erbaut; und
welcher nicht den mindeſten Unterſcheid in der gehoͤrigen
Bildung eines Kindes, das niemals ſeine geſunde Ver-
nunft gebraucht (o), gegen ein Kind antrift, woraus
ein Newton werden ſoll? Es pfleget mir bei dieſer
Gelegenheit das Exempel von einem dummen Menſchen-
geſchlechte beizufallen, daran das benachbarte Walliſer-
land einen Ueberflus hervorbringt. Es ſind hier die
Leute zu allen Geſchaͤften des menſchlichen Lebens untuͤch-
tig, und ſie ſizzen entweder beſtaͤndig in der Sonne, oder
ſie liegen in ihren Betten, ihr ganzes Leben hindurch un-
beweglich. Jch glaube daher, daß nie ein Dichter ſo was
unglaubliches geſagt haben kann, als dieſe Macht einer
Seele iſt, die ſo ſpaͤt und ſo wenig klug wird, und den-
noch die Macht des groſſen Schoͤpfers nachahmen ſoll;
denn wenn Gott Pflanzen erſchafft (p), ſo erbaut ſich
hier die Seele belebte Koͤrper, die doch wuͤrdiger, als
Pflanzen ſind, auf eigne Rechnung. Wer auſſerdem
die groſſe Aenlichkeit zwiſchen einer wachſenden Pflanze,
und einem wachſenden Thiere, und die faſt gleich groſſe
Macht der Waͤrme, bei Entwikkelung beider Keime, ge-
nauer betrachten will, der wird ſich nimmermehr bereden
koͤnnen, daß Pflanzen ohne Seele, und Thiere von der
Seele erbaut werden koͤnnen.
§. 10.
(o)
Solches bekennt WHYTT
pag. 285.
(p) Unſers geliebten TISSOTT
inocul. juſtif. p. 130. BOROS-
NAY diſput. die Seele bedoͤrfe
nicht, daß fuͤr ſie Luft, Waͤrme
und Erde geſchaͤftig ſind. PER-
RAULT du toucher pag. 81.
als ob Thiere nicht die Kraft der
Waͤrme empfaͤnden, L. IV. p 437.
oder Luft ſchoͤpften, und alle Pflan-
zen von der Erde ernaͤrt wuͤrden.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/166>, abgerufen am 25.11.2024.
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