Wenn die peristaltische Bewegung abnimmt (g), so halten sich die Speisen länger an ihrem Orte auf, und geben Gelegenheit, resorbirt zu werden.
Auch alle andre Säfte werden stärker wieder eingeso- gen, wenn man schläft, und diese Ruhe entwendet sie nicht den Blutadern. Daher wird der Schleim in der Lunge so dikke, daß er sich darinnen anhäuft.
Die Muskeln finden an der Ruhe, und dem Schlafe eine Erleichterung von ihrer schmerzhaften und beständi- gen Anstrengung und Nachlassung.
Jn dem Nervensisteme wird so viel geistiges Element (h) wieder ergänzt, als nöthig ist, daß die dem Willen unterworfne Muskeln und Sinne ihr Geschäfte verrichten können. Zu gleich stellet sich die Munterkeit wieder ein, und wir fühlen uns zu allen Arbeiten der Seele und des Leibes, gleichsam von neuem belebt:
Daher scheint auch das Erwachen eine Wirkung des Schlafes zu sein. Boerhaave zweifelte, wenn kein Reizz von aussen dazu käme, ob wir jemals wieder von selbst aufwachen würden. Er gründet sich auf Erfahrun- gen, da ein ausserordentlicher langwieriger Schlaf, den- noch wieder schläfrig gemacht, und den Schlaf von neuem nothwendig gemacht hat. Man findet auch Exempel, die nicht sehr selten sind, von Menschen, welche aus unge- wissen Ursachen, sehr lange geschlafen haben. Man weis von jemanden, der vom 29. Junius, bis zum 13. Julius fortgeschlafen, nachher noch sechs Monate lang geschlafen, und nach kurzem Erwachen vom zwölften Jenner zum 22 Februar und länger schlafen können (i). Ein Langschlä- fer brachte siebzig Tage schlafend zu, nahm aber dazwi- schen öfters Speise zu sich. Da ein andrer in der sieb- zehnten Woche aufgewekkt wurde, so wurde er gesund (k).
So
(g)[Spaltenumbruch]pag. 598.
(h)SUPPRIAN n. 21. &c.
(i)Act. Erudit. 1707. p. 278. [Spaltenumbruch]
seqq. Iourn. des savans 1707. apr. Jst nicht bei der Hand.
(k)Phil. trans. n. 304.
E e e e 3
III. Abſchnitt. Der Schlaf.
Wenn die periſtaltiſche Bewegung abnimmt (g), ſo halten ſich die Speiſen laͤnger an ihrem Orte auf, und geben Gelegenheit, reſorbirt zu werden.
Auch alle andre Saͤfte werden ſtaͤrker wieder eingeſo- gen, wenn man ſchlaͤft, und dieſe Ruhe entwendet ſie nicht den Blutadern. Daher wird der Schleim in der Lunge ſo dikke, daß er ſich darinnen anhaͤuft.
Die Muſkeln finden an der Ruhe, und dem Schlafe eine Erleichterung von ihrer ſchmerzhaften und beſtaͤndi- gen Anſtrengung und Nachlaſſung.
Jn dem Nervenſiſteme wird ſo viel geiſtiges Element (h) wieder ergaͤnzt, als noͤthig iſt, daß die dem Willen unterworfne Muſkeln und Sinne ihr Geſchaͤfte verrichten koͤnnen. Zu gleich ſtellet ſich die Munterkeit wieder ein, und wir fuͤhlen uns zu allen Arbeiten der Seele und des Leibes, gleichſam von neuem belebt:
Daher ſcheint auch das Erwachen eine Wirkung des Schlafes zu ſein. Boerhaave zweifelte, wenn kein Reizz von auſſen dazu kaͤme, ob wir jemals wieder von ſelbſt aufwachen wuͤrden. Er gruͤndet ſich auf Erfahrun- gen, da ein auſſerordentlicher langwieriger Schlaf, den- noch wieder ſchlaͤfrig gemacht, und den Schlaf von neuem nothwendig gemacht hat. Man findet auch Exempel, die nicht ſehr ſelten ſind, von Menſchen, welche aus unge- wiſſen Urſachen, ſehr lange geſchlafen haben. Man weis von jemanden, der vom 29. Junius, bis zum 13. Julius fortgeſchlafen, nachher noch ſechs Monate lang geſchlafen, und nach kurzem Erwachen vom zwoͤlften Jenner zum 22 Februar und laͤnger ſchlafen koͤnnen (i). Ein Langſchlaͤ- fer brachte ſiebzig Tage ſchlafend zu, nahm aber dazwi- ſchen oͤfters Speiſe zu ſich. Da ein andrer in der ſieb- zehnten Woche aufgewekkt wurde, ſo wurde er geſund (k).
So
(g)[Spaltenumbruch]pag. 598.
(h)SUPPRIAN n. 21. &c.
(i)Act. Erudit. 1707. p. 278. [Spaltenumbruch]
ſeqq. Iourn. des ſavans 1707. apr. Jſt nicht bei der Hand.
(k)Phil. tranſ. n. 304.
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III. Abſchnitt. Der Schlaf.
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geben Gelegenheit, reſorbirt zu werden.
Auch alle andre Saͤfte werden ſtaͤrker wieder eingeſo-
gen, wenn man ſchlaͤft, und dieſe Ruhe entwendet ſie
nicht den Blutadern. Daher wird der Schleim in der
Lunge ſo dikke, daß er ſich darinnen anhaͤuft.
Die Muſkeln finden an der Ruhe, und dem Schlafe
eine Erleichterung von ihrer ſchmerzhaften und beſtaͤndi-
gen Anſtrengung und Nachlaſſung.
Jn dem Nervenſiſteme wird ſo viel geiſtiges Element
(h) wieder ergaͤnzt, als noͤthig iſt, daß die dem Willen
unterworfne Muſkeln und Sinne ihr Geſchaͤfte verrichten
koͤnnen. Zu gleich ſtellet ſich die Munterkeit wieder ein, und
wir fuͤhlen uns zu allen Arbeiten der Seele und des Leibes,
gleichſam von neuem belebt:
Daher ſcheint auch das Erwachen eine Wirkung des
Schlafes zu ſein. Boerhaave zweifelte, wenn kein
Reizz von auſſen dazu kaͤme, ob wir jemals wieder von
ſelbſt aufwachen wuͤrden. Er gruͤndet ſich auf Erfahrun-
gen, da ein auſſerordentlicher langwieriger Schlaf, den-
noch wieder ſchlaͤfrig gemacht, und den Schlaf von neuem
nothwendig gemacht hat. Man findet auch Exempel, die
nicht ſehr ſelten ſind, von Menſchen, welche aus unge-
wiſſen Urſachen, ſehr lange geſchlafen haben. Man weis
von jemanden, der vom 29. Junius, bis zum 13. Julius
fortgeſchlafen, nachher noch ſechs Monate lang geſchlafen,
und nach kurzem Erwachen vom zwoͤlften Jenner zum 22
Februar und laͤnger ſchlafen koͤnnen (i). Ein Langſchlaͤ-
fer brachte ſiebzig Tage ſchlafend zu, nahm aber dazwi-
ſchen oͤfters Speiſe zu ſich. Da ein andrer in der ſieb-
zehnten Woche aufgewekkt wurde, ſo wurde er geſund (k).
So
(g)
pag. 598.
(h) SUPPRIAN n. 21. &c.
(i) Act. Erudit. 1707. p. 278.
ſeqq. Iourn. des ſavans 1707. apr.
Jſt nicht bei der Hand.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1191>, abgerufen am 23.11.2024.
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