der Geister in die Fasern des Gehirnmarkes eindringen, solche krümmen, oder zusammendrükken, denn hiervon wissen wir nichts gewisses, und es läst sich ausser diesem weiter nichts, nicht einmal durch Vermuthungen (m*) heraus bringen.
§. 3. Warum sich der Seele nicht das äusserliche Ob- ject darstellen kann.
Es ist diese Betrachtung sehr merkwürdig, und sie lässet sich in eine tiefe Erkenntnis der menschlichen Seele ein. Die Sache ist an sich gewis, und man hat sie schon vorlängst angemerkt (n). Man mus aber genau dabei unterscheiden, und zeigen, daß sich weder die Bilder von den Dingen im Gehirn, noch in der Seele vorstellig ma- chen lassen können. Jm Sehen fallen die gefärbte, und unter gewissem Grade, und auf gewisse Art gebrochne Lichtstrahlen, auf die Fasern der Nezzhaut, und sezzen selbige in Bewegung. Jn unserm Gehirn entstehet nichts als eine Bewegung (o). Ein wizziger Mann behauptete, daß das Bild, zum Exempel, von einem Vierekke durch zusammenhängende Fäden auf die Art ins Gehirn ge- bracht werde, daß zu beiden Seiten im Auge und im Gehirn eine gleichmäßige Neigung der kleinen Linien beobachtet würde; und so zeichne sich das Gemählde in das Gehirn ein (o*). Es nimmt aber dieser berühmte Mann an, daß sich diese Bewegung durch feste Fasern
fort-
(m*)[Spaltenumbruch]
Siehe die wizzige Hipo- these von Fasern, die im Auge und zugleich im Gehirn von dem Drukke der Sinnlichkeit hervorge- bracht werden, Hamburg. Magaz. T. XXV. p. 364.
(n)FRA FAOLO in vita GRISELINI pag. 51. GALILEUS suplem. ad Giorn de letter. I. HOO- KE method. of improv. Iohannes LOCKE de l'entendement L. II. [Spaltenumbruch]
c. 8. NEWTON pag. 108. 109. BOERHAAVE Instir. n. 510. S' GRAVEZANDE II. n. 2310. 3078 3079. Vormals SOCRA- TES: die weisse Farbe ist nicht am weissen Körper, noch sonst irgend wo. Theatect.
(o)pag. 530.
(o*)Hamb. Magaz. T. XII. p. 363.
Der Verſtand. XVII. Buch.
der Geiſter in die Faſern des Gehirnmarkes eindringen, ſolche kruͤmmen, oder zuſammendruͤkken, denn hiervon wiſſen wir nichts gewiſſes, und es laͤſt ſich auſſer dieſem weiter nichts, nicht einmal durch Vermuthungen (m*) heraus bringen.
§. 3. Warum ſich der Seele nicht das aͤuſſerliche Ob- ject darſtellen kann.
Es iſt dieſe Betrachtung ſehr merkwuͤrdig, und ſie laͤſſet ſich in eine tiefe Erkenntnis der menſchlichen Seele ein. Die Sache iſt an ſich gewis, und man hat ſie ſchon vorlaͤngſt angemerkt (n). Man mus aber genau dabei unterſcheiden, und zeigen, daß ſich weder die Bilder von den Dingen im Gehirn, noch in der Seele vorſtellig ma- chen laſſen koͤnnen. Jm Sehen fallen die gefaͤrbte, und unter gewiſſem Grade, und auf gewiſſe Art gebrochne Lichtſtrahlen, auf die Faſern der Nezzhaut, und ſezzen ſelbige in Bewegung. Jn unſerm Gehirn entſtehet nichts als eine Bewegung (o). Ein wizziger Mann behauptete, daß das Bild, zum Exempel, von einem Vierekke durch zuſammenhaͤngende Faͤden auf die Art ins Gehirn ge- bracht werde, daß zu beiden Seiten im Auge und im Gehirn eine gleichmaͤßige Neigung der kleinen Linien beobachtet wuͤrde; und ſo zeichne ſich das Gemaͤhlde in das Gehirn ein (o*). Es nimmt aber dieſer beruͤhmte Mann an, daß ſich dieſe Bewegung durch feſte Faſern
fort-
(m*)[Spaltenumbruch]
Siehe die wizzige Hipo- theſe von Faſern, die im Auge und zugleich im Gehirn von dem Drukke der Sinnlichkeit hervorge- bracht werden, Hamburg. Magaz. T. XXV. p. 364.
(n)FRA FAOLO in vita GRISELINI pag. 51. GALILEUS ſuplem. ad Giorn de letter. I. HOO- KE method. of improv. Iohannes LOCKE de l’entendement L. II. [Spaltenumbruch]
c. 8. NEWTON pag. 108. 109. BOERHAAVE Inſtir. n. 510. S’ GRAVEZANDE II. n. 2310. 3078 3079. Vormals SOCRA- TES: die weiſſe Farbe iſt nicht am weiſſen Koͤrper, noch ſonſt irgend wo. Theatect.
(o)pag. 530.
(o*)Hamb. Magaz. T. XII. p. 363.
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Der Verſtand. XVII. Buch.
der Geiſter in die Faſern des Gehirnmarkes eindringen,
ſolche kruͤmmen, oder zuſammendruͤkken, denn hiervon
wiſſen wir nichts gewiſſes, und es laͤſt ſich auſſer dieſem
weiter nichts, nicht einmal durch Vermuthungen (m*)
heraus bringen.
§. 3.
Warum ſich der Seele nicht das aͤuſſerliche Ob-
ject darſtellen kann.
Es iſt dieſe Betrachtung ſehr merkwuͤrdig, und ſie
laͤſſet ſich in eine tiefe Erkenntnis der menſchlichen Seele
ein. Die Sache iſt an ſich gewis, und man hat ſie ſchon
vorlaͤngſt angemerkt (n). Man mus aber genau dabei
unterſcheiden, und zeigen, daß ſich weder die Bilder von
den Dingen im Gehirn, noch in der Seele vorſtellig ma-
chen laſſen koͤnnen. Jm Sehen fallen die gefaͤrbte, und
unter gewiſſem Grade, und auf gewiſſe Art gebrochne
Lichtſtrahlen, auf die Faſern der Nezzhaut, und ſezzen
ſelbige in Bewegung. Jn unſerm Gehirn entſtehet nichts
als eine Bewegung (o). Ein wizziger Mann behauptete,
daß das Bild, zum Exempel, von einem Vierekke durch
zuſammenhaͤngende Faͤden auf die Art ins Gehirn ge-
bracht werde, daß zu beiden Seiten im Auge und im
Gehirn eine gleichmaͤßige Neigung der kleinen Linien
beobachtet wuͤrde; und ſo zeichne ſich das Gemaͤhlde in
das Gehirn ein (o*). Es nimmt aber dieſer beruͤhmte
Mann an, daß ſich dieſe Bewegung durch feſte Faſern
fort-
(m*)
Siehe die wizzige Hipo-
theſe von Faſern, die im Auge
und zugleich im Gehirn von dem
Drukke der Sinnlichkeit hervorge-
bracht werden, Hamburg. Magaz.
T. XXV. p. 364.
(n) FRA FAOLO in vita
GRISELINI pag. 51. GALILEUS
ſuplem. ad Giorn de letter. I. HOO-
KE method. of improv. Iohannes
LOCKE de l’entendement L. II.
c. 8. NEWTON pag. 108. 109.
BOERHAAVE Inſtir. n. 510.
S’ GRAVEZANDE II. n. 2310.
3078 3079. Vormals SOCRA-
TES: die weiſſe Farbe iſt nicht am
weiſſen Koͤrper, noch ſonſt irgend
wo. Theatect.
(o) pag. 530.
(o*) Hamb. Magaz. T. XII. p.
363.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1046. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1064>, abgerufen am 23.11.2024.
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