bediente, um, wie ich damals vorhatte, einen Garten und Akker bei Göttingen abzuzeichnen, so habe ich immer mit einerlei Glase sowol entfernte als nahe Dinge sehr schön und deutlich gesehen, welche durch die Kunst eines Mahlerpinsels in dem Stükke auf verschiedene Art abge- mahlt werden (a), daß entfernte Dinge näher bei den nahen liegen, und die ganze Fläche vom Horizont bis zum Auge eine sehr kurze Breite hat. Doch es siehet auch das Auge entfernte und nahe Dinge zugleich, ob sich gleich die Grade der Unterscheidung hinter dem Punkte des deutlichen Sehens beständig vermindern (b).
Ferner bequeme sich überhaupt das Auge nicht zu den verschiedenen Entfernungen: Denn ein jeder gehe entweder näher zum Object, oder von demselben weiter zurükk, oder ziehe dasselbe näher gegen das Auge, und suche auf solche Art den deutlichen Sehpunkt, so oft wir ein Object nicht recht genau unterscheiden können (c). Wir würden uns aber der Veränderung des Auges zur Veränderung dieser Arbeit bedienen, wofern diese Arbeit in unserer Gewalt stünde.
Es ist ferner gewiß, daß wir durch ein Pappier, wel- ches mit zwei Löchern durchstochen worden, das Object in den Punkt des deutlichen Sehens einfach, in allen andern Punkten aber doppelt sehen (d), zum offenbaren Beweise, daß der Zustand des Auges, gewiß und bestimmt sei, um auf eine gewisse Weite deutlich sehen zu können, daß sich aber dieser Zustand nicht ändern lasse, um auch in einer andern Weite deutlich zu sehen.
Jch
(a)[Spaltenumbruch]Le CLERC systeme &c. p. 50. point de vue p. 78.
(b)Le CLERC systeme art. 7.
(c)IDEM syst. art. 27.
(d)De la HIRE pag. 628. 629. 630. Verschiedentlich beim du HA- MEL pag. 324. & Iournal des sa- vans 1685 MAITREIEAN P. 95. 96. Daher ist die Probe eines gu- [Spaltenumbruch]
ten Hohlglases, wenn es durch ein Pappierloch, ein Bild einfach vor- stellt, welches sich vorher doppelt sehen lies, nach dem Urtheile des la HIRE p. 623. Iourn. des savans 1685. n. 23. Beftehe P. 501. So wird auch SCHEINERI Sache er- kläret, Danziger Gesellsch. Ver- such. T. II. n. 6.
Das Sehen. XVI. Buch.
bediente, um, wie ich damals vorhatte, einen Garten und Akker bei Goͤttingen abzuzeichnen, ſo habe ich immer mit einerlei Glaſe ſowol entfernte als nahe Dinge ſehr ſchoͤn und deutlich geſehen, welche durch die Kunſt eines Mahlerpinſels in dem Stuͤkke auf verſchiedene Art abge- mahlt werden (a), daß entfernte Dinge naͤher bei den nahen liegen, und die ganze Flaͤche vom Horizont bis zum Auge eine ſehr kurze Breite hat. Doch es ſiehet auch das Auge entfernte und nahe Dinge zugleich, ob ſich gleich die Grade der Unterſcheidung hinter dem Punkte des deutlichen Sehens beſtaͤndig vermindern (b).
Ferner bequeme ſich uͤberhaupt das Auge nicht zu den verſchiedenen Entfernungen: Denn ein jeder gehe entweder naͤher zum Object, oder von demſelben weiter zuruͤkk, oder ziehe daſſelbe naͤher gegen das Auge, und ſuche auf ſolche Art den deutlichen Sehpunkt, ſo oft wir ein Object nicht recht genau unterſcheiden koͤnnen (c). Wir wuͤrden uns aber der Veraͤnderung des Auges zur Veraͤnderung dieſer Arbeit bedienen, wofern dieſe Arbeit in unſerer Gewalt ſtuͤnde.
Es iſt ferner gewiß, daß wir durch ein Pappier, wel- ches mit zwei Loͤchern durchſtochen worden, das Object in den Punkt des deutlichen Sehens einfach, in allen andern Punkten aber doppelt ſehen (d), zum offenbaren Beweiſe, daß der Zuſtand des Auges, gewiß und beſtimmt ſei, um auf eine gewiſſe Weite deutlich ſehen zu koͤnnen, daß ſich aber dieſer Zuſtand nicht aͤndern laſſe, um auch in einer andern Weite deutlich zu ſehen.
Jch
(a)[Spaltenumbruch]Le CLERC ſyſteme &c. p. 50. point de vue p. 78.
(b)Le CLERC ſyſteme art. 7.
(c)IDEM ſyſt. art. 27.
(d)De la HIRE pag. 628. 629. 630. Verſchiedentlich beim du HA- MEL pag. 324. & Iournal des ſa- vans 1685 MAITREIEAN P. 95. 96. Daher iſt die Probe eines gu- [Spaltenumbruch]
ten Hohlglaſes, wenn es durch ein Pappierloch, ein Bild einfach vor- ſtellt, welches ſich vorher doppelt ſehen lies, nach dem Urtheile des la HIRE p. 623. Iourn. des ſavans 1685. n. 23. Beftehe P. 501. So wird auch SCHEINERI Sache er- klaͤret, Danziger Geſellſch. Ver- ſuch. T. II. n. 6.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f1042"n="1024"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das Sehen. <hirendition="#aq">XVI.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
bediente, um, wie ich damals vorhatte, einen Garten<lb/>
und Akker bei Goͤttingen abzuzeichnen, ſo habe ich immer<lb/>
mit einerlei Glaſe ſowol entfernte als nahe Dinge ſehr<lb/>ſchoͤn und deutlich geſehen, welche durch die Kunſt eines<lb/>
Mahlerpinſels in dem Stuͤkke auf verſchiedene Art abge-<lb/>
mahlt werden <noteplace="foot"n="(a)"><cb/><hirendition="#aq">Le CLERC ſyſteme &c. p.<lb/>
50. point de vue p.</hi> 78.</note>, daß entfernte Dinge naͤher bei den<lb/>
nahen liegen, und die ganze Flaͤche vom Horizont bis<lb/>
zum Auge eine ſehr kurze Breite hat. Doch es ſiehet auch<lb/>
das Auge entfernte und nahe Dinge zugleich, ob ſich<lb/>
gleich die Grade der Unterſcheidung hinter dem Punkte<lb/>
des deutlichen Sehens beſtaͤndig vermindern <noteplace="foot"n="(b)"><hirendition="#aq">Le CLERC ſyſteme art.</hi> 7.</note>.</p><lb/><p>Ferner bequeme ſich uͤberhaupt das Auge nicht zu<lb/>
den verſchiedenen Entfernungen: Denn ein jeder gehe<lb/>
entweder naͤher zum Object, oder von demſelben weiter<lb/>
zuruͤkk, oder ziehe daſſelbe naͤher gegen das Auge, und<lb/>ſuche auf ſolche Art den deutlichen Sehpunkt, ſo oft wir<lb/>
ein Object nicht recht genau unterſcheiden koͤnnen <noteplace="foot"n="(c)"><hirendition="#aq">IDEM ſyſt. art.</hi> 27.</note>.<lb/>
Wir wuͤrden uns aber der Veraͤnderung des Auges zur<lb/>
Veraͤnderung dieſer Arbeit bedienen, wofern dieſe Arbeit<lb/>
in unſerer Gewalt ſtuͤnde.</p><lb/><p>Es iſt ferner gewiß, daß wir durch ein Pappier, wel-<lb/>
ches mit zwei Loͤchern durchſtochen worden, das Object in<lb/>
den Punkt des deutlichen Sehens einfach, in allen andern<lb/>
Punkten aber doppelt ſehen <noteplace="foot"n="(d)"><hirendition="#aq">De la HIRE pag.</hi> 628. 629.<lb/>
630. Verſchiedentlich beim <hirendition="#aq">du HA-<lb/>
MEL pag. 324. & Iournal des ſa-<lb/>
vans 1685 MAITREIEAN P.</hi> 95.<lb/>
96. Daher iſt die Probe eines gu-<lb/><cb/>
ten Hohlglaſes, wenn es durch ein<lb/>
Pappierloch, ein Bild einfach vor-<lb/>ſtellt, welches ſich vorher doppelt<lb/>ſehen lies, nach dem Urtheile des<lb/><hirendition="#aq">la HIRE p. 623. Iourn. des ſavans<lb/>
1685. n.</hi> 23. Beftehe <hirendition="#aq">P.</hi> 501. So<lb/>
wird auch <hirendition="#aq">SCHEINERI</hi> Sache er-<lb/>
klaͤret, <hirendition="#aq">Danziger Geſellſch. Ver-<lb/>ſuch. T. II. n.</hi> 6.</note>, zum offenbaren Beweiſe,<lb/>
daß der Zuſtand des Auges, gewiß und beſtimmt ſei, um<lb/>
auf eine gewiſſe Weite deutlich ſehen zu koͤnnen, daß ſich<lb/>
aber dieſer Zuſtand nicht aͤndern laſſe, um auch in einer<lb/>
andern Weite deutlich zu ſehen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[1024/1042]
Das Sehen. XVI. Buch.
bediente, um, wie ich damals vorhatte, einen Garten
und Akker bei Goͤttingen abzuzeichnen, ſo habe ich immer
mit einerlei Glaſe ſowol entfernte als nahe Dinge ſehr
ſchoͤn und deutlich geſehen, welche durch die Kunſt eines
Mahlerpinſels in dem Stuͤkke auf verſchiedene Art abge-
mahlt werden (a), daß entfernte Dinge naͤher bei den
nahen liegen, und die ganze Flaͤche vom Horizont bis
zum Auge eine ſehr kurze Breite hat. Doch es ſiehet auch
das Auge entfernte und nahe Dinge zugleich, ob ſich
gleich die Grade der Unterſcheidung hinter dem Punkte
des deutlichen Sehens beſtaͤndig vermindern (b).
Ferner bequeme ſich uͤberhaupt das Auge nicht zu
den verſchiedenen Entfernungen: Denn ein jeder gehe
entweder naͤher zum Object, oder von demſelben weiter
zuruͤkk, oder ziehe daſſelbe naͤher gegen das Auge, und
ſuche auf ſolche Art den deutlichen Sehpunkt, ſo oft wir
ein Object nicht recht genau unterſcheiden koͤnnen (c).
Wir wuͤrden uns aber der Veraͤnderung des Auges zur
Veraͤnderung dieſer Arbeit bedienen, wofern dieſe Arbeit
in unſerer Gewalt ſtuͤnde.
Es iſt ferner gewiß, daß wir durch ein Pappier, wel-
ches mit zwei Loͤchern durchſtochen worden, das Object in
den Punkt des deutlichen Sehens einfach, in allen andern
Punkten aber doppelt ſehen (d), zum offenbaren Beweiſe,
daß der Zuſtand des Auges, gewiß und beſtimmt ſei, um
auf eine gewiſſe Weite deutlich ſehen zu koͤnnen, daß ſich
aber dieſer Zuſtand nicht aͤndern laſſe, um auch in einer
andern Weite deutlich zu ſehen.
Jch
(a)
Le CLERC ſyſteme &c. p.
50. point de vue p. 78.
(b) Le CLERC ſyſteme art. 7.
(c) IDEM ſyſt. art. 27.
(d) De la HIRE pag. 628. 629.
630. Verſchiedentlich beim du HA-
MEL pag. 324. & Iournal des ſa-
vans 1685 MAITREIEAN P. 95.
96. Daher iſt die Probe eines gu-
ten Hohlglaſes, wenn es durch ein
Pappierloch, ein Bild einfach vor-
ſtellt, welches ſich vorher doppelt
ſehen lies, nach dem Urtheile des
la HIRE p. 623. Iourn. des ſavans
1685. n. 23. Beftehe P. 501. So
wird auch SCHEINERI Sache er-
klaͤret, Danziger Geſellſch. Ver-
ſuch. T. II. n. 6.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 5. Berlin, 1772, S. 1024. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende05_1772/1042>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.