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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768.

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VII. Ab. Ersch. d. leb. Geh. Die Empfind.

Hier wollen wir nichts weiter behaupten, oder nichts
annehmen, welches blos auf Muthmassungen beruhet.
Daß benachbarte Nerven einige Uebereinstimmung mit
einander haben, und daß sich die Schmerzen von einem
beschädigten Nerven zu einem andern besonders bestimm-
ten Nerven fortpflanzen, dieses lehren die Versuche über-
haupt, welche wir erzählt haben, man mag gleich die-
sen Erscheinungen einen Mechanismus geben, welchen
man will. Wir finden aber dergleichen Uebereinstim-
mung in der That von der Art, daß nicht nur die Em-
pfindung, sondern auch die Ursache des Krampfs, von
einem Nerven in einen andern bestimmten Nerven, und
nicht in andere Nerven übergehen. Daß aber dennoch
diese Verbindung vielmehr im Gehirne, als in den Ner-
ven statt finde, läßt sich auch so gar aus dem Gefühle
vermuthen, welches die Seele empfindet, und welches
gewiß gar nichts sein würde, wenn nicht ein ieder
schmerzhafter Eindruck, bis zum Gehirn hinaufstiege.

Daß die Empfindung des Angenehmen und Unan-
genehmen nach dem Zwergfelle hingehe u, widerspricht
nicht nur den anatomischen Kenntnissen; sondern auch
der Analogie. Es haben die Vögel ganz und gar kein
Zwergfell, und dennoch besitzen sie sehr scharfe Empfin-
dungen, sowol, was das Gehör und Gesichte, als auch
die Liebe, anbelangt.

§. 24.
Es sind die Nerven auch noch Werkzeuge zu den
Bewegungen. Die Versuche an den
Nerven. Der Krampf.

Wir haben bisher von der Empfindung gehandelt,
und von dieser dargethan, daß sie durch die Nerven ver-

richtet
u Buffon hist. natur. T. 7. p. 10. 12.
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VII. Ab. Erſch. d. leb. Geh. Die Empfind.

Hier wollen wir nichts weiter behaupten, oder nichts
annehmen, welches blos auf Muthmaſſungen beruhet.
Daß benachbarte Nerven einige Uebereinſtimmung mit
einander haben, und daß ſich die Schmerzen von einem
beſchaͤdigten Nerven zu einem andern beſonders beſtimm-
ten Nerven fortpflanzen, dieſes lehren die Verſuche uͤber-
haupt, welche wir erzaͤhlt haben, man mag gleich die-
ſen Erſcheinungen einen Mechanismus geben, welchen
man will. Wir finden aber dergleichen Uebereinſtim-
mung in der That von der Art, daß nicht nur die Em-
pfindung, ſondern auch die Urſache des Krampfs, von
einem Nerven in einen andern beſtimmten Nerven, und
nicht in andere Nerven uͤbergehen. Daß aber dennoch
dieſe Verbindung vielmehr im Gehirne, als in den Ner-
ven ſtatt finde, laͤßt ſich auch ſo gar aus dem Gefuͤhle
vermuthen, welches die Seele empfindet, und welches
gewiß gar nichts ſein wuͤrde, wenn nicht ein ieder
ſchmerzhafter Eindruck, bis zum Gehirn hinaufſtiege.

Daß die Empfindung des Angenehmen und Unan-
genehmen nach dem Zwergfelle hingehe u, widerſpricht
nicht nur den anatomiſchen Kenntniſſen; ſondern auch
der Analogie. Es haben die Voͤgel ganz und gar kein
Zwergfell, und dennoch beſitzen ſie ſehr ſcharfe Empfin-
dungen, ſowol, was das Gehoͤr und Geſichte, als auch
die Liebe, anbelangt.

§. 24.
Es ſind die Nerven auch noch Werkzeuge zu den
Bewegungen. Die Verſuche an den
Nerven. Der Krampf.

Wir haben bisher von der Empfindung gehandelt,
und von dieſer dargethan, daß ſie durch die Nerven ver-

richtet
u Buffon hiſt. natur. T. 7. p. 10. 12.
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[505/0541] VII. Ab. Erſch. d. leb. Geh. Die Empfind. Hier wollen wir nichts weiter behaupten, oder nichts annehmen, welches blos auf Muthmaſſungen beruhet. Daß benachbarte Nerven einige Uebereinſtimmung mit einander haben, und daß ſich die Schmerzen von einem beſchaͤdigten Nerven zu einem andern beſonders beſtimm- ten Nerven fortpflanzen, dieſes lehren die Verſuche uͤber- haupt, welche wir erzaͤhlt haben, man mag gleich die- ſen Erſcheinungen einen Mechanismus geben, welchen man will. Wir finden aber dergleichen Uebereinſtim- mung in der That von der Art, daß nicht nur die Em- pfindung, ſondern auch die Urſache des Krampfs, von einem Nerven in einen andern beſtimmten Nerven, und nicht in andere Nerven uͤbergehen. Daß aber dennoch dieſe Verbindung vielmehr im Gehirne, als in den Ner- ven ſtatt finde, laͤßt ſich auch ſo gar aus dem Gefuͤhle vermuthen, welches die Seele empfindet, und welches gewiß gar nichts ſein wuͤrde, wenn nicht ein ieder ſchmerzhafter Eindruck, bis zum Gehirn hinaufſtiege. Daß die Empfindung des Angenehmen und Unan- genehmen nach dem Zwergfelle hingehe u, widerſpricht nicht nur den anatomiſchen Kenntniſſen; ſondern auch der Analogie. Es haben die Voͤgel ganz und gar kein Zwergfell, und dennoch beſitzen ſie ſehr ſcharfe Empfin- dungen, ſowol, was das Gehoͤr und Geſichte, als auch die Liebe, anbelangt. §. 24. Es ſind die Nerven auch noch Werkzeuge zu den Bewegungen. Die Verſuche an den Nerven. Der Krampf. Wir haben bisher von der Empfindung gehandelt, und von dieſer dargethan, daß ſie durch die Nerven ver- richtet u Buffon hiſt. natur. T. 7. p. 10. 12. J i 5

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 505. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/541>, abgerufen am 22.11.2024.