Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768.

Bild:
<< vorherige Seite

Vom Gehirne X. Buch.
ein Feler bleibt, ob er gleich verdient vergeben zu werden.
Was die Ordnung im Vortrage betrift, so glaube ich,
daß man mir vorwerfen könne, warum ich nicht den
Anfang mit der harten Gehirnhaut gemacht. Allein ich
entschuldige mich damit, daß es mir nicht zuträglich
scheine, diese Historie von den Blutadern des Gehirns
zu trennen, noch diese Blutadern von den Schlagadern
abzusondern.

Wir begreifen hier unter dem Namen des Gehirns
das gesamte [fremdsprachliches Material - 9 Zeichen fehlen], oder die ganze weiche Masse
von der die empfindenden Fäden entspringen, und diese
Masse liegt im Kopfe der Thiere verschlossen. Jch sehe,
daß dieses Gehirn nur einigen wenigen Thierchen, z. E.
denjenigen Mikroskopenwürmern, die gemeiniglich rund
sind, und deren verschiedne Gestalten, Joblot, und deren
heftige Kriege Johann Hill beschrieben, wie auch den
Polipen des süssen Wassers, imgleichen den gleichartigen
Thierchen, ob sie gleich grösser sind, den Bandwürmern,
den Meernesseln und andern Zoophiten, welche Vitalinus
Donati mit vieler Geschicklichkeit untersucht hat, mangle.
Die Grösse der letztern verstattet schwerlich, daß man
ein etwa verstecktes Gehirn vermuten sollte, wofern ja
eins vorhanden wäre, indem ihre Theile, auch schon ohne
ein Vergrößrungsglas, deutlich genung in das Auge
fallen.

Hingegen findet man in denen Thieren, die Kopf
und Augen haben, durchgehends auch ein Gehirn, und
daneben ein Rükkenmark, und ich zweifle, ob man Au-
gen, ohne Gehirn, oder Gehirn, ohne Augen, an irgend
einem Thiere wargenommen habe. Demnach haben die
Würmer [Spaltenumbruch] (a), die Keilmuscheln (b), Schnekken (c), die

Ein-
(a) willis. anim. brutor. T. IV.
f. 1. vandelli dissert. II.
S.
123. tab. 4. f. 4.
(b) swammerdam biblia na-
[Spaltenumbruch] turae. tab. 4. f. 6. tab. 6. f.
1. Un-
billiger Weise läugnet solches lister
de cochleis.
S. 149.
(c) swammerdam ebendas.

Vom Gehirne X. Buch.
ein Feler bleibt, ob er gleich verdient vergeben zu werden.
Was die Ordnung im Vortrage betrift, ſo glaube ich,
daß man mir vorwerfen koͤnne, warum ich nicht den
Anfang mit der harten Gehirnhaut gemacht. Allein ich
entſchuldige mich damit, daß es mir nicht zutraͤglich
ſcheine, dieſe Hiſtorie von den Blutadern des Gehirns
zu trennen, noch dieſe Blutadern von den Schlagadern
abzuſondern.

Wir begreifen hier unter dem Namen des Gehirns
das geſamte [fremdsprachliches Material – 9 Zeichen fehlen], oder die ganze weiche Maſſe
von der die empfindenden Faͤden entſpringen, und dieſe
Maſſe liegt im Kopfe der Thiere verſchloſſen. Jch ſehe,
daß dieſes Gehirn nur einigen wenigen Thierchen, z. E.
denjenigen Mikroſkopenwuͤrmern, die gemeiniglich rund
ſind, und deren verſchiedne Geſtalten, Joblot, und deren
heftige Kriege Johann Hill beſchrieben, wie auch den
Polipen des ſuͤſſen Waſſers, imgleichen den gleichartigen
Thierchen, ob ſie gleich groͤſſer ſind, den Bandwuͤrmern,
den Meerneſſeln und andern Zoophiten, welche Vitalinus
Donati mit vieler Geſchicklichkeit unterſucht hat, mangle.
Die Groͤſſe der letztern verſtattet ſchwerlich, daß man
ein etwa verſtecktes Gehirn vermuten ſollte, wofern ja
eins vorhanden waͤre, indem ihre Theile, auch ſchon ohne
ein Vergroͤßrungsglas, deutlich genung in das Auge
fallen.

Hingegen findet man in denen Thieren, die Kopf
und Augen haben, durchgehends auch ein Gehirn, und
daneben ein Ruͤkkenmark, und ich zweifle, ob man Au-
gen, ohne Gehirn, oder Gehirn, ohne Augen, an irgend
einem Thiere wargenommen habe. Demnach haben die
Wuͤrmer [Spaltenumbruch] (a), die Keilmuſcheln (b), Schnekken (c), die

Ein-
(a) williſ. anim. brutor. T. IV.
f. 1. vandelli diſſert. II.
S.
123. tab. 4. f. 4.
(b) ſwammerdam biblia na-
[Spaltenumbruch] turae. tab. 4. f. 6. tab. 6. f.
1. Un-
billiger Weiſe laͤugnet ſolches liſter
de cochleis.
S. 149.
(c) ſwammerdam ebendaſ.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0038" n="2"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vom Gehirne <hi rendition="#aq">X.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
ein Feler bleibt, ob er gleich verdient vergeben zu werden.<lb/>
Was die Ordnung im Vortrage betrift, &#x017F;o glaube ich,<lb/>
daß man mir vorwerfen ko&#x0364;nne, warum ich nicht den<lb/>
Anfang mit der harten Gehirnhaut gemacht. Allein ich<lb/>
ent&#x017F;chuldige mich damit, daß es mir nicht zutra&#x0364;glich<lb/>
&#x017F;cheine, die&#x017F;e Hi&#x017F;torie von den Blutadern des Gehirns<lb/>
zu trennen, noch die&#x017F;e Blutadern von den Schlagadern<lb/>
abzu&#x017F;ondern.</p><lb/>
            <p>Wir begreifen hier unter dem Namen des <hi rendition="#fr">Gehirns</hi><lb/>
das ge&#x017F;amte <gap reason="fm" unit="chars" quantity="9"/>, oder die ganze weiche Ma&#x017F;&#x017F;e<lb/>
von der die empfindenden Fa&#x0364;den ent&#x017F;pringen, und die&#x017F;e<lb/>
Ma&#x017F;&#x017F;e liegt im Kopfe der Thiere ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Jch &#x017F;ehe,<lb/>
daß die&#x017F;es Gehirn nur einigen wenigen Thierchen, z. E.<lb/>
denjenigen Mikro&#x017F;kopenwu&#x0364;rmern, die gemeiniglich rund<lb/>
&#x017F;ind, und deren ver&#x017F;chiedne Ge&#x017F;talten, <hi rendition="#fr">Joblot,</hi> und deren<lb/>
heftige Kriege Johann <hi rendition="#fr">Hill</hi> be&#x017F;chrieben, wie auch den<lb/>
Polipen des &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Wa&#x017F;&#x017F;ers, imgleichen den gleichartigen<lb/>
Thierchen, ob &#x017F;ie gleich gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ind, den Bandwu&#x0364;rmern,<lb/>
den Meerne&#x017F;&#x017F;eln und andern Zoophiten, welche Vitalinus<lb/><hi rendition="#fr">Donati</hi> mit vieler Ge&#x017F;chicklichkeit unter&#x017F;ucht hat, mangle.<lb/>
Die Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der letztern ver&#x017F;tattet &#x017F;chwerlich, daß man<lb/>
ein etwa ver&#x017F;tecktes Gehirn vermuten &#x017F;ollte, wofern ja<lb/>
eins vorhanden wa&#x0364;re, indem ihre Theile, auch &#x017F;chon ohne<lb/>
ein Vergro&#x0364;ßrungsglas, deutlich genung in das Auge<lb/>
fallen.</p><lb/>
            <p>Hingegen findet man in denen Thieren, die Kopf<lb/>
und Augen haben, durchgehends auch ein Gehirn, und<lb/>
daneben ein Ru&#x0364;kkenmark, und ich zweifle, ob man Au-<lb/>
gen, ohne Gehirn, oder Gehirn, ohne Augen, an irgend<lb/>
einem Thiere wargenommen habe. Demnach haben die<lb/>
Wu&#x0364;rmer <cb/>
<note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">willi&#x017F;.</hi></hi> anim. brutor. T. IV.<lb/>
f. 1. <hi rendition="#g"><hi rendition="#k">vandelli</hi></hi> di&#x017F;&#x017F;ert. II.</hi> S.<lb/>
123. <hi rendition="#aq">tab. 4. f.</hi> 4.</note>, die Keilmu&#x017F;cheln <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">&#x017F;wammerdam</hi></hi> biblia na-<lb/><cb/>
turae. tab. 4. f. 6. tab. 6. f.</hi> 1. Un-<lb/>
billiger Wei&#x017F;e la&#x0364;ugnet &#x017F;olches <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">li&#x017F;ter</hi></hi><lb/>
de cochleis.</hi> S. 149.</note>, Schnekken <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">&#x017F;wammerdam</hi></hi></hi> ebenda&#x017F;.</note>, die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ein-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0038] Vom Gehirne X. Buch. ein Feler bleibt, ob er gleich verdient vergeben zu werden. Was die Ordnung im Vortrage betrift, ſo glaube ich, daß man mir vorwerfen koͤnne, warum ich nicht den Anfang mit der harten Gehirnhaut gemacht. Allein ich entſchuldige mich damit, daß es mir nicht zutraͤglich ſcheine, dieſe Hiſtorie von den Blutadern des Gehirns zu trennen, noch dieſe Blutadern von den Schlagadern abzuſondern. Wir begreifen hier unter dem Namen des Gehirns das geſamte _________, oder die ganze weiche Maſſe von der die empfindenden Faͤden entſpringen, und dieſe Maſſe liegt im Kopfe der Thiere verſchloſſen. Jch ſehe, daß dieſes Gehirn nur einigen wenigen Thierchen, z. E. denjenigen Mikroſkopenwuͤrmern, die gemeiniglich rund ſind, und deren verſchiedne Geſtalten, Joblot, und deren heftige Kriege Johann Hill beſchrieben, wie auch den Polipen des ſuͤſſen Waſſers, imgleichen den gleichartigen Thierchen, ob ſie gleich groͤſſer ſind, den Bandwuͤrmern, den Meerneſſeln und andern Zoophiten, welche Vitalinus Donati mit vieler Geſchicklichkeit unterſucht hat, mangle. Die Groͤſſe der letztern verſtattet ſchwerlich, daß man ein etwa verſtecktes Gehirn vermuten ſollte, wofern ja eins vorhanden waͤre, indem ihre Theile, auch ſchon ohne ein Vergroͤßrungsglas, deutlich genung in das Auge fallen. Hingegen findet man in denen Thieren, die Kopf und Augen haben, durchgehends auch ein Gehirn, und daneben ein Ruͤkkenmark, und ich zweifle, ob man Au- gen, ohne Gehirn, oder Gehirn, ohne Augen, an irgend einem Thiere wargenommen habe. Demnach haben die Wuͤrmer (a), die Keilmuſcheln (b), Schnekken (c), die Ein- (a) williſ. anim. brutor. T. IV. f. 1. vandelli diſſert. II. S. 123. tab. 4. f. 4. (b) ſwammerdam biblia na- turae. tab. 4. f. 6. tab. 6. f. 1. Un- billiger Weiſe laͤugnet ſolches liſter de cochleis. S. 149. (c) ſwammerdam ebendaſ.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/38
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 4. Berlin, 1768, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende04_1768/38>, abgerufen am 25.11.2024.