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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

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Das Atemholen. VIII. Buch.

Zu dem Werke des Atemholens wird ein vielfaches
Werkzeug erfordert, nämlich die ganze Brust mit ihren
zugehörigen Knochen, Bändern, Muskeln, ferner das
Zwerchfell, die fleischigen Theile des Bauches, und an-
dre fleischige Stellen, die man zum Nakken, Halse und
Oberarme gemeiniglich zu rechnen pflegt.

Den Grund zur völligen Wirbelsäule machen die
sehr zalreichen kleinen Knöchigen, welche sich, vermittelst
ihrer Vergliederungen, Bändern und Muskeln, in eine
einzige Säule verwandeln. Es fängt sich diese Säule
vom heiligen Beine an, und sie endigt sich am Haupte.
Sie ist durchgängig an gesunden Menschen und in so fern
gerade, daß sie sich weder auf die linke noch rechte Sei-
te mehr neigt; allein die Einpressung der Kleider, oder
auch die Krankheiten, pflegen bisweilen diese gerade Linie
zu krümmen und ungestalt zu machen. Wir haben selbst
die Beobachtung von Wirbelsäulen vor uns, die sich wech-
selweise rechter Hand umbogen (a), und sich von da wie-
der linker Hand hin wandten. Es ist sehr gewönlich, daß
sich das dritte Wirbelbein des Rückgrades ein wenig auf
die rechte Seite überbeugt (b).

Doch diese gesammte Säule von Rükkenwirbeln ist
alsdenn nicht gerade zu nennen, wenn man auf die
Vorder- und Hinterteile des ganzen Körpers sein Absehen
richtet; in dieser Betrachtung ist sie schon in der mensch-
lichen Frucht gerader, und sie krümmt sich in erwachsnen
Menschen mit fo gewechselten Schlängelungen, daß ihr
oberes Ende an den Rükken näher zu liegen kömmt, als
ihr unteres Ende, oder mehr hinterwerts gelagert ist (c).
Wir nennen das Unterende, welches sich mit dem unter-
sten Lendenwirbel endigt, und unterhalb diesem Wirbel

läuft
(a) [Spaltenumbruch] Observ. patholog. XI.
(b) CHESELDEN osteo-
graphii. C. III.
(c) [Spaltenumbruch] VESAL. L. I. c. XIV. fig.
CHESELDEN T.
21.
Das Atemholen. VIII. Buch.

Zu dem Werke des Atemholens wird ein vielfaches
Werkzeug erfordert, naͤmlich die ganze Bruſt mit ihren
zugehoͤrigen Knochen, Baͤndern, Muſkeln, ferner das
Zwerchfell, die fleiſchigen Theile des Bauches, und an-
dre fleiſchige Stellen, die man zum Nakken, Halſe und
Oberarme gemeiniglich zu rechnen pflegt.

Den Grund zur voͤlligen Wirbelſaͤule machen die
ſehr zalreichen kleinen Knoͤchigen, welche ſich, vermittelſt
ihrer Vergliederungen, Baͤndern und Muſkeln, in eine
einzige Saͤule verwandeln. Es faͤngt ſich dieſe Saͤule
vom heiligen Beine an, und ſie endigt ſich am Haupte.
Sie iſt durchgaͤngig an geſunden Menſchen und in ſo fern
gerade, daß ſie ſich weder auf die linke noch rechte Sei-
te mehr neigt; allein die Einpreſſung der Kleider, oder
auch die Krankheiten, pflegen bisweilen dieſe gerade Linie
zu kruͤmmen und ungeſtalt zu machen. Wir haben ſelbſt
die Beobachtung von Wirbelſaͤulen vor uns, die ſich wech-
ſelweiſe rechter Hand umbogen (a), und ſich von da wie-
der linker Hand hin wandten. Es iſt ſehr gewoͤnlich, daß
ſich das dritte Wirbelbein des Ruͤckgrades ein wenig auf
die rechte Seite uͤberbeugt (b).

Doch dieſe geſammte Saͤule von Ruͤkkenwirbeln iſt
alsdenn nicht gerade zu nennen, wenn man auf die
Vorder- und Hinterteile des ganzen Koͤrpers ſein Abſehen
richtet; in dieſer Betrachtung iſt ſie ſchon in der menſch-
lichen Frucht gerader, und ſie kruͤmmt ſich in erwachſnen
Menſchen mit fo gewechſelten Schlaͤngelungen, daß ihr
oberes Ende an den Ruͤkken naͤher zu liegen koͤmmt, als
ihr unteres Ende, oder mehr hinterwerts gelagert iſt (c).
Wir nennen das Unterende, welches ſich mit dem unter-
ſten Lendenwirbel endigt, und unterhalb dieſem Wirbel

laͤuft
(a) [Spaltenumbruch] Obſerv. patholog. XI.
(b) CHESELDEN oſteo-
graphii. C. III.
(c) [Spaltenumbruch] VESAL. L. I. c. XIV. fig.
CHESELDEN T.
21.
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[2/0008] Das Atemholen. VIII. Buch. Zu dem Werke des Atemholens wird ein vielfaches Werkzeug erfordert, naͤmlich die ganze Bruſt mit ihren zugehoͤrigen Knochen, Baͤndern, Muſkeln, ferner das Zwerchfell, die fleiſchigen Theile des Bauches, und an- dre fleiſchige Stellen, die man zum Nakken, Halſe und Oberarme gemeiniglich zu rechnen pflegt. Den Grund zur voͤlligen Wirbelſaͤule machen die ſehr zalreichen kleinen Knoͤchigen, welche ſich, vermittelſt ihrer Vergliederungen, Baͤndern und Muſkeln, in eine einzige Saͤule verwandeln. Es faͤngt ſich dieſe Saͤule vom heiligen Beine an, und ſie endigt ſich am Haupte. Sie iſt durchgaͤngig an geſunden Menſchen und in ſo fern gerade, daß ſie ſich weder auf die linke noch rechte Sei- te mehr neigt; allein die Einpreſſung der Kleider, oder auch die Krankheiten, pflegen bisweilen dieſe gerade Linie zu kruͤmmen und ungeſtalt zu machen. Wir haben ſelbſt die Beobachtung von Wirbelſaͤulen vor uns, die ſich wech- ſelweiſe rechter Hand umbogen (a), und ſich von da wie- der linker Hand hin wandten. Es iſt ſehr gewoͤnlich, daß ſich das dritte Wirbelbein des Ruͤckgrades ein wenig auf die rechte Seite uͤberbeugt (b). Doch dieſe geſammte Saͤule von Ruͤkkenwirbeln iſt alsdenn nicht gerade zu nennen, wenn man auf die Vorder- und Hinterteile des ganzen Koͤrpers ſein Abſehen richtet; in dieſer Betrachtung iſt ſie ſchon in der menſch- lichen Frucht gerader, und ſie kruͤmmt ſich in erwachſnen Menſchen mit fo gewechſelten Schlaͤngelungen, daß ihr oberes Ende an den Ruͤkken naͤher zu liegen koͤmmt, als ihr unteres Ende, oder mehr hinterwerts gelagert iſt (c). Wir nennen das Unterende, welches ſich mit dem unter- ſten Lendenwirbel endigt, und unterhalb dieſem Wirbel laͤuft (a) Obſerv. patholog. XI. (b) CHESELDEN oſteo- graphii. C. III. (c) VESAL. L. I. c. XIV. fig. CHESELDEN T. 21.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/8>, abgerufen am 24.11.2024.