der Empfindung des Ungemächlichen entstandnen Bewe- gung, das Luftschnappen zu zuschreiben, wäre eben so viel, als wenn man das Leben des ganzen menschli- chen Geschlechts an einem schwachen Faden hängen liesse.
Man mus also eine solche Ursache ausfindig machen, die sich so weit, als die thierischen Geschlechtsregister, wenn man sich der Ausdrükke des Lucretius bedienen darf, erstrekke. Jch und andre berühmte Männer ha- ben gesehen, daß junge Hunde mitten im Wasser Luft schnappen (h), und daß dieses ein junges Vögelchen lan- ge vor dem beständigen Atmen, im Gebrauche habe (i): es öffnet den Schnabel, es stekkt auch wohl die Zunge heraus (k), und es schnappt nach einer unbekannten An- nemlichkeit, es mag nun dieses Luft, oder Speise seyn. Ein durch den Schnitt an die Welt gebrachtes Thierchen bezeigt ebenfalls ein Bestreben zum Atemholen, indem es die Schenkel an sich zieht, und den Kopf niedrig hält (l). Ueberdem atmet eine ans Licht gesezzte Frucht um desto früher, je stärker sie gewesen: ist sie hingegen kraftlos, so bleibt sie, und zwar nicht eine gar zu kurze Zeit |lang, ohne Atem zu holen (m).
Wenn man diese Dinge erwägt, so scheint mir nichts glaublicher, als dieses, die Frucht schöpfe darum Luft, weil sie eben dieses Bestreben schon vorher kennt, und den Nahrungssaft im Amnion in sich genommen, nach- dem sie, sowohl in Menschen, als den mir bekannten Thieren eine Zeit lang, entweder weil die Fruchthaut zer- rissen, oder ausgeleert ist (n), kein Futter gehabt. Jch berühre hier die berühmte Frage nicht, welche ein berühm- ter Mann vor kurzem wieder auf die Bahn gebracht. Jndessen kann man wenigstens daran nicht zweifeln, daß
nicht
(h)[Spaltenumbruch]
Vergl. die vorherg. N. 1.
(i)Mem. sur le poul. T. II. S. 129. u. f.
(k) Angef. Ort. Obs. 256.
(l)[Spaltenumbruch]Sur la respirat. S. 343.
(m) 8 B. 4 A. 2 N.
(n) An den Vögeln, Mem. sur le poul. S. 16. 17.
Das Atemholen. VIII. Buch.
der Empfindung des Ungemaͤchlichen entſtandnen Bewe- gung, das Luftſchnappen zu zuſchreiben, waͤre eben ſo viel, als wenn man das Leben des ganzen menſchli- chen Geſchlechts an einem ſchwachen Faden haͤngen lieſſe.
Man mus alſo eine ſolche Urſache ausfindig machen, die ſich ſo weit, als die thieriſchen Geſchlechtsregiſter, wenn man ſich der Ausdruͤkke des Lucretius bedienen darf, erſtrekke. Jch und andre beruͤhmte Maͤnner ha- ben geſehen, daß junge Hunde mitten im Waſſer Luft ſchnappen (h), und daß dieſes ein junges Voͤgelchen lan- ge vor dem beſtaͤndigen Atmen, im Gebrauche habe (i): es oͤffnet den Schnabel, es ſtekkt auch wohl die Zunge heraus (k), und es ſchnappt nach einer unbekannten An- nemlichkeit, es mag nun dieſes Luft, oder Speiſe ſeyn. Ein durch den Schnitt an die Welt gebrachtes Thierchen bezeigt ebenfalls ein Beſtreben zum Atemholen, indem es die Schenkel an ſich zieht, und den Kopf niedrig haͤlt (l). Ueberdem atmet eine ans Licht geſezzte Frucht um deſto fruͤher, je ſtaͤrker ſie geweſen: iſt ſie hingegen kraftlos, ſo bleibt ſie, und zwar nicht eine gar zu kurze Zeit |lang, ohne Atem zu holen (m).
Wenn man dieſe Dinge erwaͤgt, ſo ſcheint mir nichts glaublicher, als dieſes, die Frucht ſchoͤpfe darum Luft, weil ſie eben dieſes Beſtreben ſchon vorher kennt, und den Nahrungsſaft im Amnion in ſich genommen, nach- dem ſie, ſowohl in Menſchen, als den mir bekannten Thieren eine Zeit lang, entweder weil die Fruchthaut zer- riſſen, oder ausgeleert iſt (n), kein Futter gehabt. Jch beruͤhre hier die beruͤhmte Frage nicht, welche ein beruͤhm- ter Mann vor kurzem wieder auf die Bahn gebracht. Jndeſſen kann man wenigſtens daran nicht zweifeln, daß
nicht
(h)[Spaltenumbruch]
Vergl. die vorherg. N. 1.
(i)Mem. ſur le poul. T. II. S. 129. u. f.
(k) Angef. Ort. Obſ. 256.
(l)[Spaltenumbruch]Sur la reſpirat. S. 343.
(m) 8 B. 4 A. 2 N.
(n) An den Voͤgeln, Mem. ſur le poul. S. 16. 17.
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[496[498]/0504]
Das Atemholen. VIII. Buch.
der Empfindung des Ungemaͤchlichen entſtandnen Bewe-
gung, das Luftſchnappen zu zuſchreiben, waͤre eben
ſo viel, als wenn man das Leben des ganzen menſchli-
chen Geſchlechts an einem ſchwachen Faden haͤngen lieſſe.
Man mus alſo eine ſolche Urſache ausfindig machen,
die ſich ſo weit, als die thieriſchen Geſchlechtsregiſter,
wenn man ſich der Ausdruͤkke des Lucretius bedienen
darf, erſtrekke. Jch und andre beruͤhmte Maͤnner ha-
ben geſehen, daß junge Hunde mitten im Waſſer Luft
ſchnappen (h), und daß dieſes ein junges Voͤgelchen lan-
ge vor dem beſtaͤndigen Atmen, im Gebrauche habe (i):
es oͤffnet den Schnabel, es ſtekkt auch wohl die Zunge
heraus (k), und es ſchnappt nach einer unbekannten An-
nemlichkeit, es mag nun dieſes Luft, oder Speiſe ſeyn.
Ein durch den Schnitt an die Welt gebrachtes Thierchen
bezeigt ebenfalls ein Beſtreben zum Atemholen, indem
es die Schenkel an ſich zieht, und den Kopf niedrig
haͤlt (l). Ueberdem atmet eine ans Licht geſezzte Frucht
um deſto fruͤher, je ſtaͤrker ſie geweſen: iſt ſie hingegen
kraftlos, ſo bleibt ſie, und zwar nicht eine gar zu kurze
Zeit |lang, ohne Atem zu holen (m).
Wenn man dieſe Dinge erwaͤgt, ſo ſcheint mir nichts
glaublicher, als dieſes, die Frucht ſchoͤpfe darum Luft,
weil ſie eben dieſes Beſtreben ſchon vorher kennt, und
den Nahrungsſaft im Amnion in ſich genommen, nach-
dem ſie, ſowohl in Menſchen, als den mir bekannten
Thieren eine Zeit lang, entweder weil die Fruchthaut zer-
riſſen, oder ausgeleert iſt (n), kein Futter gehabt. Jch
beruͤhre hier die beruͤhmte Frage nicht, welche ein beruͤhm-
ter Mann vor kurzem wieder auf die Bahn gebracht.
Jndeſſen kann man wenigſtens daran nicht zweifeln, daß
nicht
(h)
Vergl. die vorherg. N. 1.
(i) Mem. ſur le poul. T. II. S.
129. u. f.
(k) Angef. Ort. Obſ. 256.
(l)
Sur la reſpirat. S. 343.
(m) 8 B. 4 A. 2 N.
(n) An den Voͤgeln, Mem. ſur le
poul. S. 16. 17.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 496[498]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/504>, abgerufen am 22.11.2024.
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