Kräfte dazu mangeln, oder die Lunge eine Verhinderung leiden, oder es mögen sich Herz und Lunge wohl besin- den, aber der Zuflus des Blutes zur Lunge grösser, als gewöhnlich seyn, und von den gewöhnlichen Kräften des Einatmens nicht durchgesezzt werden können. Gewöhn- lichermaßen seufzen wir im traurigen Affekte, wenn uns gleichsam ein schweres Gewichte auf der Lunge liegt, und sich das Herz nur matt zusammenzieht. Wir seufzen auch, wenn die Lunge mit Blut überladen ist, in der Lungenentzündung (s), nach Anstrengungen, Laufen, und Ermüdungen. Hysterische Frauenspersonen erwa- chen, nach langen Ohnmachten, mit Seufzen wieder. Endlich nennt man heut zu Tage diejenigen engbrü- stig, welche ehedem suspiriosi hiessen, und dieses war Virgils Krankheit. Die Absicht der Natur bleibt in- dessen immer einerlei, nämlich den Lauf des Blutes durch die Lunge, so sehr, als möglich ist, zu erleichtern (t).
Folglich wird der Pulsschlag von dem Seufzen be- schleunigt (u), das Blut springt aus einem geöffneten Ge- fässe höher (r), und es dringt der Pulsschlag bis in die kleinen Gefässe vor (y).
Daß das Seufzen im Grame schädlich seyn solle (z), oder davon im Herzohre ein Geschwür entstehen könnte (a), dieses kann ich nicht absehen, da ich oft die gute Fol- gen von dieser wohlthätigen Erleichterung, und gleichsam auf der Stelle Trost erfahren habe. Jch mag die Kräfte, die das Seufzen hervorbringen, nicht noch einmal nennen; doch scheint das Zwerchfell am Seufzen den meisten An- theil zu haben.
(x) (y)
§. 31.
(s)[Spaltenumbruch]HAYMANN Comment. in BOERH. S. 107.
(t) Nach dem, was eben gesagt worden, im vorhergeh. §. 11.
(y) S. 16. Ueberhaupt vierzehn [Spaltenumbruch]
und eine halbe Linie hoch.
(z)thrvst. S. 70.
(a)NIC. FONTAN consp. et respir. S. 62.
(x)HALES haemast. S. 78.
(y) Vorhergeh. §. 11.
Das Atemholen. VIII. Buch.
Kraͤfte dazu mangeln, oder die Lunge eine Verhinderung leiden, oder es moͤgen ſich Herz und Lunge wohl beſin- den, aber der Zuflus des Blutes zur Lunge groͤſſer, als gewoͤhnlich ſeyn, und von den gewoͤhnlichen Kraͤften des Einatmens nicht durchgeſezzt werden koͤnnen. Gewoͤhn- lichermaßen ſeufzen wir im traurigen Affekte, wenn uns gleichſam ein ſchweres Gewichte auf der Lunge liegt, und ſich das Herz nur matt zuſammenzieht. Wir ſeufzen auch, wenn die Lunge mit Blut uͤberladen iſt, in der Lungenentzuͤndung (s), nach Anſtrengungen, Laufen, und Ermuͤdungen. Hyſteriſche Frauensperſonen erwa- chen, nach langen Ohnmachten, mit Seufzen wieder. Endlich nennt man heut zu Tage diejenigen engbruͤ- ſtig, welche ehedem ſuſpirioſi hieſſen, und dieſes war Virgils Krankheit. Die Abſicht der Natur bleibt in- deſſen immer einerlei, naͤmlich den Lauf des Blutes durch die Lunge, ſo ſehr, als moͤglich iſt, zu erleichtern (t).
Folglich wird der Pulsſchlag von dem Seufzen be- ſchleunigt (u), das Blut ſpringt aus einem geoͤffneten Ge- faͤſſe hoͤher (r), und es dringt der Pulsſchlag bis in die kleinen Gefaͤſſe vor (y).
Daß das Seufzen im Grame ſchaͤdlich ſeyn ſolle (z), oder davon im Herzohre ein Geſchwuͤr entſtehen koͤnnte (a), dieſes kann ich nicht abſehen, da ich oft die gute Fol- gen von dieſer wohlthaͤtigen Erleichterung, und gleichſam auf der Stelle Troſt erfahren habe. Jch mag die Kraͤfte, die das Seufzen hervorbringen, nicht noch einmal nennen; doch ſcheint das Zwerchfell am Seufzen den meiſten An- theil zu haben.
(x) (y)
§. 31.
(s)[Spaltenumbruch]HAYMANN Comment. in BOERH. S. 107.
(t) Nach dem, was eben geſagt worden, im vorhergeh. §. 11.
(y) S. 16. Ueberhaupt vierzehn [Spaltenumbruch]
und eine halbe Linie hoch.
(z)thrvſt. S. 70.
(a)NIC. FONTAN conſp. et reſpir. S. 62.
(x)HALES haemaſt. S. 78.
(y) Vorhergeh. §. 11.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0464"n="458"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Das Atemholen. <hirendition="#aq">VIII.</hi> Buch.</hi></fw><lb/>
Kraͤfte dazu mangeln, oder die Lunge eine Verhinderung<lb/>
leiden, oder es moͤgen ſich Herz und Lunge wohl beſin-<lb/>
den, aber der Zuflus des Blutes zur Lunge groͤſſer, als<lb/>
gewoͤhnlich ſeyn, und von den gewoͤhnlichen Kraͤften des<lb/>
Einatmens nicht durchgeſezzt werden koͤnnen. Gewoͤhn-<lb/>
lichermaßen ſeufzen wir im traurigen Affekte, wenn uns<lb/>
gleichſam ein ſchweres Gewichte auf der Lunge liegt, und<lb/>ſich das Herz nur matt zuſammenzieht. Wir ſeufzen<lb/>
auch, wenn die Lunge mit Blut uͤberladen iſt, in der<lb/>
Lungenentzuͤndung <noteplace="foot"n="(s)"><cb/><hirendition="#aq"><hirendition="#g">HAYMANN</hi> Comment.<lb/>
in <hirendition="#g">BOERH.</hi></hi> S. 107.</note>, nach Anſtrengungen, Laufen, und<lb/>
Ermuͤdungen. Hyſteriſche Frauensperſonen erwa-<lb/>
chen, nach langen Ohnmachten, mit Seufzen wieder.<lb/>
Endlich nennt man heut zu Tage diejenigen engbruͤ-<lb/>ſtig, welche ehedem <hirendition="#aq">ſuſpirioſi</hi> hieſſen, und dieſes war<lb/><hirendition="#fr">Virgils</hi> Krankheit. Die Abſicht der Natur bleibt in-<lb/>
deſſen immer einerlei, naͤmlich den Lauf des Blutes<lb/>
durch die Lunge, ſo ſehr, als moͤglich iſt, zu erleichtern <noteplace="foot"n="(t)">Nach dem, was eben geſagt<lb/>
worden, im vorhergeh. §. 11.</note>.</p><lb/><p>Folglich wird der Pulsſchlag von dem Seufzen be-<lb/>ſchleunigt (u), das Blut ſpringt aus einem geoͤffneten Ge-<lb/>
faͤſſe hoͤher (r), und es dringt der Pulsſchlag bis in die<lb/>
kleinen Gefaͤſſe vor <noteplace="foot"n="(y)">S. 16. Ueberhaupt vierzehn<lb/><cb/>
und eine halbe Linie hoch.</note>.</p><lb/><p>Daß das Seufzen im Grame ſchaͤdlich ſeyn ſolle <noteplace="foot"n="(z)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g"><hirendition="#k">thrvſt.</hi></hi></hi> S. 70.</note>,<lb/>
oder davon im Herzohre ein Geſchwuͤr entſtehen koͤnnte <noteplace="foot"n="(a)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g">NIC. FONTAN</hi> conſp.<lb/>
et reſpir.</hi> S. 62.</note>,<lb/>
dieſes kann ich nicht abſehen, da ich oft die gute Fol-<lb/>
gen von dieſer wohlthaͤtigen Erleichterung, und gleichſam<lb/>
auf der Stelle Troſt erfahren habe. Jch mag die Kraͤfte,<lb/>
die das Seufzen hervorbringen, nicht noch einmal nennen;<lb/>
doch ſcheint das Zwerchfell am Seufzen den meiſten An-<lb/>
theil zu haben.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">§. 31.</fw><lb/><noteplace="foot"n="(x)"><hirendition="#aq"><hirendition="#g">HALES</hi> haemaſt.</hi> S. 78.</note><lb/><noteplace="foot"n="(y)">Vorhergeh. §. 11.</note></div><lb/></div></div></body></text></TEI>
[458/0464]
Das Atemholen. VIII. Buch.
Kraͤfte dazu mangeln, oder die Lunge eine Verhinderung
leiden, oder es moͤgen ſich Herz und Lunge wohl beſin-
den, aber der Zuflus des Blutes zur Lunge groͤſſer, als
gewoͤhnlich ſeyn, und von den gewoͤhnlichen Kraͤften des
Einatmens nicht durchgeſezzt werden koͤnnen. Gewoͤhn-
lichermaßen ſeufzen wir im traurigen Affekte, wenn uns
gleichſam ein ſchweres Gewichte auf der Lunge liegt, und
ſich das Herz nur matt zuſammenzieht. Wir ſeufzen
auch, wenn die Lunge mit Blut uͤberladen iſt, in der
Lungenentzuͤndung (s), nach Anſtrengungen, Laufen, und
Ermuͤdungen. Hyſteriſche Frauensperſonen erwa-
chen, nach langen Ohnmachten, mit Seufzen wieder.
Endlich nennt man heut zu Tage diejenigen engbruͤ-
ſtig, welche ehedem ſuſpirioſi hieſſen, und dieſes war
Virgils Krankheit. Die Abſicht der Natur bleibt in-
deſſen immer einerlei, naͤmlich den Lauf des Blutes
durch die Lunge, ſo ſehr, als moͤglich iſt, zu erleichtern (t).
Folglich wird der Pulsſchlag von dem Seufzen be-
ſchleunigt (u), das Blut ſpringt aus einem geoͤffneten Ge-
faͤſſe hoͤher (r), und es dringt der Pulsſchlag bis in die
kleinen Gefaͤſſe vor (y).
Daß das Seufzen im Grame ſchaͤdlich ſeyn ſolle (z),
oder davon im Herzohre ein Geſchwuͤr entſtehen koͤnnte (a),
dieſes kann ich nicht abſehen, da ich oft die gute Fol-
gen von dieſer wohlthaͤtigen Erleichterung, und gleichſam
auf der Stelle Troſt erfahren habe. Jch mag die Kraͤfte,
die das Seufzen hervorbringen, nicht noch einmal nennen;
doch ſcheint das Zwerchfell am Seufzen den meiſten An-
theil zu haben.
§. 31.
(x)
(y)
(s)
HAYMANN Comment.
in BOERH. S. 107.
(t) Nach dem, was eben geſagt
worden, im vorhergeh. §. 11.
(y) S. 16. Ueberhaupt vierzehn
und eine halbe Linie hoch.
(z) thrvſt. S. 70.
(a) NIC. FONTAN conſp.
et reſpir. S. 62.
(x) HALES haemaſt. S. 78.
(y) Vorhergeh. §. 11.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/464>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.