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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766.

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Das Atemholen. VIII. Buch.
Kräfte dazu mangeln, oder die Lunge eine Verhinderung
leiden, oder es mögen sich Herz und Lunge wohl besin-
den, aber der Zuflus des Blutes zur Lunge grösser, als
gewöhnlich seyn, und von den gewöhnlichen Kräften des
Einatmens nicht durchgesezzt werden können. Gewöhn-
lichermaßen seufzen wir im traurigen Affekte, wenn uns
gleichsam ein schweres Gewichte auf der Lunge liegt, und
sich das Herz nur matt zusammenzieht. Wir seufzen
auch, wenn die Lunge mit Blut überladen ist, in der
Lungenentzündung (s), nach Anstrengungen, Laufen, und
Ermüdungen. Hysterische Frauenspersonen erwa-
chen, nach langen Ohnmachten, mit Seufzen wieder.
Endlich nennt man heut zu Tage diejenigen engbrü-
stig, welche ehedem suspiriosi hiessen, und dieses war
Virgils Krankheit. Die Absicht der Natur bleibt in-
dessen immer einerlei, nämlich den Lauf des Blutes
durch die Lunge, so sehr, als möglich ist, zu erleichtern (t).

Folglich wird der Pulsschlag von dem Seufzen be-
schleunigt (u), das Blut springt aus einem geöffneten Ge-
fässe höher (r), und es dringt der Pulsschlag bis in die
kleinen Gefässe vor (y).

Daß das Seufzen im Grame schädlich seyn solle (z),
oder davon im Herzohre ein Geschwür entstehen könnte (a),
dieses kann ich nicht absehen, da ich oft die gute Fol-
gen von dieser wohlthätigen Erleichterung, und gleichsam
auf der Stelle Trost erfahren habe. Jch mag die Kräfte,
die das Seufzen hervorbringen, nicht noch einmal nennen;
doch scheint das Zwerchfell am Seufzen den meisten An-
theil zu haben.

(x)
(y)
§. 31.
(s) [Spaltenumbruch] HAYMANN Comment.
in BOERH.
S. 107.
(t) Nach dem, was eben gesagt
worden, im vorhergeh. §. 11.
(y) S. 16. Ueberhaupt vierzehn
[Spaltenumbruch] und eine halbe Linie hoch.
(z) thrvst. S. 70.
(a) NIC. FONTAN consp.
et respir.
S. 62.
(x) HALES haemast. S. 78.
(y) Vorhergeh. §. 11.

Das Atemholen. VIII. Buch.
Kraͤfte dazu mangeln, oder die Lunge eine Verhinderung
leiden, oder es moͤgen ſich Herz und Lunge wohl beſin-
den, aber der Zuflus des Blutes zur Lunge groͤſſer, als
gewoͤhnlich ſeyn, und von den gewoͤhnlichen Kraͤften des
Einatmens nicht durchgeſezzt werden koͤnnen. Gewoͤhn-
lichermaßen ſeufzen wir im traurigen Affekte, wenn uns
gleichſam ein ſchweres Gewichte auf der Lunge liegt, und
ſich das Herz nur matt zuſammenzieht. Wir ſeufzen
auch, wenn die Lunge mit Blut uͤberladen iſt, in der
Lungenentzuͤndung (s), nach Anſtrengungen, Laufen, und
Ermuͤdungen. Hyſteriſche Frauensperſonen erwa-
chen, nach langen Ohnmachten, mit Seufzen wieder.
Endlich nennt man heut zu Tage diejenigen engbruͤ-
ſtig, welche ehedem ſuſpirioſi hieſſen, und dieſes war
Virgils Krankheit. Die Abſicht der Natur bleibt in-
deſſen immer einerlei, naͤmlich den Lauf des Blutes
durch die Lunge, ſo ſehr, als moͤglich iſt, zu erleichtern (t).

Folglich wird der Pulsſchlag von dem Seufzen be-
ſchleunigt (u), das Blut ſpringt aus einem geoͤffneten Ge-
faͤſſe hoͤher (r), und es dringt der Pulsſchlag bis in die
kleinen Gefaͤſſe vor (y).

Daß das Seufzen im Grame ſchaͤdlich ſeyn ſolle (z),
oder davon im Herzohre ein Geſchwuͤr entſtehen koͤnnte (a),
dieſes kann ich nicht abſehen, da ich oft die gute Fol-
gen von dieſer wohlthaͤtigen Erleichterung, und gleichſam
auf der Stelle Troſt erfahren habe. Jch mag die Kraͤfte,
die das Seufzen hervorbringen, nicht noch einmal nennen;
doch ſcheint das Zwerchfell am Seufzen den meiſten An-
theil zu haben.

(x)
(y)
§. 31.
(s) [Spaltenumbruch] HAYMANN Comment.
in BOERH.
S. 107.
(t) Nach dem, was eben geſagt
worden, im vorhergeh. §. 11.
(y) S. 16. Ueberhaupt vierzehn
[Spaltenumbruch] und eine halbe Linie hoch.
(z) thrvſt. S. 70.
(a) NIC. FONTAN conſp.
et reſpir.
S. 62.
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[458/0464] Das Atemholen. VIII. Buch. Kraͤfte dazu mangeln, oder die Lunge eine Verhinderung leiden, oder es moͤgen ſich Herz und Lunge wohl beſin- den, aber der Zuflus des Blutes zur Lunge groͤſſer, als gewoͤhnlich ſeyn, und von den gewoͤhnlichen Kraͤften des Einatmens nicht durchgeſezzt werden koͤnnen. Gewoͤhn- lichermaßen ſeufzen wir im traurigen Affekte, wenn uns gleichſam ein ſchweres Gewichte auf der Lunge liegt, und ſich das Herz nur matt zuſammenzieht. Wir ſeufzen auch, wenn die Lunge mit Blut uͤberladen iſt, in der Lungenentzuͤndung (s), nach Anſtrengungen, Laufen, und Ermuͤdungen. Hyſteriſche Frauensperſonen erwa- chen, nach langen Ohnmachten, mit Seufzen wieder. Endlich nennt man heut zu Tage diejenigen engbruͤ- ſtig, welche ehedem ſuſpirioſi hieſſen, und dieſes war Virgils Krankheit. Die Abſicht der Natur bleibt in- deſſen immer einerlei, naͤmlich den Lauf des Blutes durch die Lunge, ſo ſehr, als moͤglich iſt, zu erleichtern (t). Folglich wird der Pulsſchlag von dem Seufzen be- ſchleunigt (u), das Blut ſpringt aus einem geoͤffneten Ge- faͤſſe hoͤher (r), und es dringt der Pulsſchlag bis in die kleinen Gefaͤſſe vor (y). Daß das Seufzen im Grame ſchaͤdlich ſeyn ſolle (z), oder davon im Herzohre ein Geſchwuͤr entſtehen koͤnnte (a), dieſes kann ich nicht abſehen, da ich oft die gute Fol- gen von dieſer wohlthaͤtigen Erleichterung, und gleichſam auf der Stelle Troſt erfahren habe. Jch mag die Kraͤfte, die das Seufzen hervorbringen, nicht noch einmal nennen; doch ſcheint das Zwerchfell am Seufzen den meiſten An- theil zu haben. §. 31. (x) (y) (s) HAYMANN Comment. in BOERH. S. 107. (t) Nach dem, was eben geſagt worden, im vorhergeh. §. 11. (y) S. 16. Ueberhaupt vierzehn und eine halbe Linie hoch. (z) thrvſt. S. 70. (a) NIC. FONTAN conſp. et reſpir. S. 62. (x) HALES haemaſt. S. 78. (y) Vorhergeh. §. 11.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/464>, abgerufen am 22.11.2024.