so bequemten sie sich der Zusammenziehung der äussern Ribbenmuskeln, und dieses hat ehedem Hamberger(f) auf eine sehr einfache Art vorstellig gemacht, und es würde wenigstens nach dieser Theorie ein jegliches Glied beständig von der wechselweisen Zusammenziehung, und Ausstrekkung seiner Muskeln, die von dem Wechselzuge ihrer, beide beherrschenden Gegenmuskeln entsteht, hin und her gerissen werden. Es strekken nämlich die Biege- muskeln aller Orten, und am augenscheinlichsten an den Gliedmaaßen, die Ausstrekker ihres Gliedes aus, und sie werden dagegen von den Ausstrekkern wieder ausgestrekkt.
Christian Stroem(g), ein sinnreicher Erfinder von Hipotesen in der Phisiologie, nahm zur ohngepaar- ten Ader seine Zuflucht. Diese Ader, sagte er, werde in dem höchsten Grade des Einatmens gedrüktt: folglich stehe das Blut in den Gefässen der Ribbenmuskeln stille, und daher würden diese Hauptfedern des Einatmens kraftlos gemacht. Hierauf springen, ihrer Natur gemäs, die losgelassene Knorpel der Ribben zurükke, diese ohn- gepaarte Ader bekömmt Luft (h), und auf ihre Befreiung folgt ein neues Einatmen. Jn der That schwillt die ohngeparte Ader, indem wir einatmen, auf (i). Von zu- sammengedrükkten, oder schwellenden Adern, werden endlich nach und nach die Kräfte der Muskeln stumpf gemacht, wofern sie überhaupt stumpf werden: und wir haben endlich gezeigt, daß das Blut der Ribbenblutadern andre Abflüsse, ausser der ungepaarten Ader habe (k).
Dieser Hipotese ist diejenige nicht ungleich, welche eben dieser Mann (l) mit vieler Freigebigkeit ausgeboten,
und
(f)[Spaltenumbruch]
Angef. Ort. S. 35. 36. n. 43. 44.
(g)Nov. Theor. S. 58. So schreibt auch fizes conspect phys. S. 123. 124.
(h)[Spaltenumbruch]
S. 59.
(i) 5. Buch. Abschn. V.
(k) 8. Buch. §. 45.
(l) S. 66.
Das Atemholen. VIII. Buch.
ſo bequemten ſie ſich der Zuſammenziehung der aͤuſſern Ribbenmuskeln, und dieſes hat ehedem Hamberger(f) auf eine ſehr einfache Art vorſtellig gemacht, und es wuͤrde wenigſtens nach dieſer Theorie ein jegliches Glied beſtaͤndig von der wechſelweiſen Zuſammenziehung, und Ausſtrekkung ſeiner Muskeln, die von dem Wechſelzuge ihrer, beide beherrſchenden Gegenmuskeln entſteht, hin und her geriſſen werden. Es ſtrekken naͤmlich die Biege- muskeln aller Orten, und am augenſcheinlichſten an den Gliedmaaßen, die Ausſtrekker ihres Gliedes aus, und ſie werden dagegen von den Ausſtrekkern wieder ausgeſtrekkt.
Chriſtian Stroem(g), ein ſinnreicher Erfinder von Hipoteſen in der Phiſiologie, nahm zur ohngepaar- ten Ader ſeine Zuflucht. Dieſe Ader, ſagte er, werde in dem hoͤchſten Grade des Einatmens gedruͤktt: folglich ſtehe das Blut in den Gefaͤſſen der Ribbenmuskeln ſtille, und daher wuͤrden dieſe Hauptfedern des Einatmens kraftlos gemacht. Hierauf ſpringen, ihrer Natur gemaͤs, die losgelaſſene Knorpel der Ribben zuruͤkke, dieſe ohn- gepaarte Ader bekoͤmmt Luft (h), und auf ihre Befreiung folgt ein neues Einatmen. Jn der That ſchwillt die ohngeparte Ader, indem wir einatmen, auf (i). Von zu- ſammengedruͤkkten, oder ſchwellenden Adern, werden endlich nach und nach die Kraͤfte der Muskeln ſtumpf gemacht, wofern ſie uͤberhaupt ſtumpf werden: und wir haben endlich gezeigt, daß das Blut der Ribbenblutadern andre Abfluͤſſe, auſſer der ungepaarten Ader habe (k).
Dieſer Hipoteſe iſt diejenige nicht ungleich, welche eben dieſer Mann (l) mit vieler Freigebigkeit ausgeboten,
und
(f)[Spaltenumbruch]
Angef. Ort. S. 35. 36. n. 43. 44.
(g)Nov. Theor. S. 58. So ſchreibt auch fizeſ conſpect phyſ. S. 123. 124.
(h)[Spaltenumbruch]
S. 59.
(i) 5. Buch. Abſchn. V.
(k) 8. Buch. §. 45.
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Das Atemholen. VIII. Buch.
ſo bequemten ſie ſich der Zuſammenziehung der aͤuſſern
Ribbenmuskeln, und dieſes hat ehedem Hamberger (f)
auf eine ſehr einfache Art vorſtellig gemacht, und es
wuͤrde wenigſtens nach dieſer Theorie ein jegliches Glied
beſtaͤndig von der wechſelweiſen Zuſammenziehung, und
Ausſtrekkung ſeiner Muskeln, die von dem Wechſelzuge
ihrer, beide beherrſchenden Gegenmuskeln entſteht, hin
und her geriſſen werden. Es ſtrekken naͤmlich die Biege-
muskeln aller Orten, und am augenſcheinlichſten an den
Gliedmaaßen, die Ausſtrekker ihres Gliedes aus, und
ſie werden dagegen von den Ausſtrekkern wieder
ausgeſtrekkt.
Chriſtian Stroem (g), ein ſinnreicher Erfinder
von Hipoteſen in der Phiſiologie, nahm zur ohngepaar-
ten Ader ſeine Zuflucht. Dieſe Ader, ſagte er, werde
in dem hoͤchſten Grade des Einatmens gedruͤktt: folglich
ſtehe das Blut in den Gefaͤſſen der Ribbenmuskeln ſtille,
und daher wuͤrden dieſe Hauptfedern des Einatmens
kraftlos gemacht. Hierauf ſpringen, ihrer Natur gemaͤs,
die losgelaſſene Knorpel der Ribben zuruͤkke, dieſe ohn-
gepaarte Ader bekoͤmmt Luft (h), und auf ihre Befreiung
folgt ein neues Einatmen. Jn der That ſchwillt die
ohngeparte Ader, indem wir einatmen, auf (i). Von zu-
ſammengedruͤkkten, oder ſchwellenden Adern, werden
endlich nach und nach die Kraͤfte der Muskeln ſtumpf
gemacht, wofern ſie uͤberhaupt ſtumpf werden: und wir
haben endlich gezeigt, daß das Blut der Ribbenblutadern
andre Abfluͤſſe, auſſer der ungepaarten Ader habe (k).
Dieſer Hipoteſe iſt diejenige nicht ungleich, welche
eben dieſer Mann (l) mit vieler Freigebigkeit ausgeboten,
und
(f)
Angef. Ort. S. 35. 36. n.
43. 44.
(g) Nov. Theor. S. 58. So
ſchreibt auch fizeſ conſpect phyſ.
S. 123. 124.
(h)
S. 59.
(i) 5. Buch. Abſchn. V.
(k) 8. Buch. §. 45.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 3. Berlin, 1766, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende03_1766/414>, abgerufen am 22.11.2024.
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