schlag eben so willkührlich, als die Bewegungen der Hand, oder des Fusses, nur mit einem besondern Unterschiede, den ich gleich anführen will. Die zum Leben gehörigen Be- wegungen sind allemal unentbehrlich; folglich siehet die Seele wohl ein, wenn sie nicht zugeben will, daß das aus ungleichartigen Grundstoffen zusammengesezte Blut in eine Fäulniß übergehen soll, daß sie daher nothwendig den Umlauf des Blutes auf alle Weise befördern müsse, weil dieser allein die Fäulung abzuhalten vermögend sey. Daher schlägt das Herz auch im Schlafe; denn es schleicht sich der Schlaf nach dem Gutbefinden der Seele ein, weil sie, da ihr schon bekannt ist, daß ihr Körper einer abwechselnden Ruhe benöthiget sey, die nicht so gar noth- wendigen Bewegungen eine Zeitlang aussezzet (s), und unterdessen nur die nothwendigen unterhält. Auf eben die Weise werden von der Seele, bei denen vom Schlage gerührten Personen, die sinnlichen und willkühr- lichen Bewegungen unterlassen, damit sie ihre Kräfte für die nothwendige Verrichtungen sparen könne (t).
Die Anhänger dieses berühmten Mannes pflegen ge- meiniglich diese willkührliche Ursache der Bewegung des Herzens mit einem besondern Zeugnisse zu bestätigen. Sie sagen, es hätte ein Officier (u), einige Zeit kurz vor seinem wirklich erfolgten Tode, lediglich vermöge seines Willens das Herz zum Stillstehen gebracht, und sich tod stellen können. Einige ziehen auch die zwischen denen Herzschlägen vorkommende Pausen hieher, die man öfters an einem matten Thiere beobachtet (x): sie glauben näm- lich, man könne daraus mit Recht schliessen, daß die See-
le
(s)[Spaltenumbruch]Theoria medica S. 437. NenterPhysiolog. c. 10. S. 316. Junker und andere.
(t)Sauvages oder Deshais de Hemiplegia.
(u) Der Oberste Townshend beim Georg Cheyneenglish Ma- [Spaltenumbruch]
lady, S. 307. PorterfieldsEs- says of a Society at Edimburgh, T. IV. S. 222. u. f.
(x) Diese Zwischenzeiten betra- gen bisweilen 15 und auch wol 24 Minuten, M. Listerde cochleis S. 13. 38. 39.
Viertes Buch. Das Herz.
ſchlag eben ſo willkuͤhrlich, als die Bewegungen der Hand, oder des Fuſſes, nur mit einem beſondern Unterſchiede, den ich gleich anfuͤhren will. Die zum Leben gehoͤrigen Be- wegungen ſind allemal unentbehrlich; folglich ſiehet die Seele wohl ein, wenn ſie nicht zugeben will, daß das aus ungleichartigen Grundſtoffen zuſammengeſezte Blut in eine Faͤulniß uͤbergehen ſoll, daß ſie daher nothwendig den Umlauf des Blutes auf alle Weiſe befoͤrdern muͤſſe, weil dieſer allein die Faͤulung abzuhalten vermoͤgend ſey. Daher ſchlaͤgt das Herz auch im Schlafe; denn es ſchleicht ſich der Schlaf nach dem Gutbefinden der Seele ein, weil ſie, da ihr ſchon bekannt iſt, daß ihr Koͤrper einer abwechſelnden Ruhe benoͤthiget ſey, die nicht ſo gar noth- wendigen Bewegungen eine Zeitlang ausſezzet (s), und unterdeſſen nur die nothwendigen unterhaͤlt. Auf eben die Weiſe werden von der Seele, bei denen vom Schlage geruͤhrten Perſonen, die ſinnlichen und willkuͤhr- lichen Bewegungen unterlaſſen, damit ſie ihre Kraͤfte fuͤr die nothwendige Verrichtungen ſparen koͤnne (t).
Die Anhaͤnger dieſes beruͤhmten Mannes pflegen ge- meiniglich dieſe willkuͤhrliche Urſache der Bewegung des Herzens mit einem beſondern Zeugniſſe zu beſtaͤtigen. Sie ſagen, es haͤtte ein Officier (u), einige Zeit kurz vor ſeinem wirklich erfolgten Tode, lediglich vermoͤge ſeines Willens das Herz zum Stillſtehen gebracht, und ſich tod ſtellen koͤnnen. Einige ziehen auch die zwiſchen denen Herzſchlaͤgen vorkommende Pauſen hieher, die man oͤfters an einem matten Thiere beobachtet (x): ſie glauben naͤm- lich, man koͤnne daraus mit Recht ſchlieſſen, daß die See-
le
(s)[Spaltenumbruch]Theoria medica S. 437. NenterPhyſiolog. c. 10. S. 316. Junker und andere.
(t)Sauvages oder Deshais de Hemiplegia.
(u) Der Oberſte Townshend beim Georg Cheyneenglish Ma- [Spaltenumbruch]
lady, S. 307. PorterfieldsEſ- ſays of a Society at Edimburgh, T. IV. S. 222. u. f.
(x) Dieſe Zwiſchenzeiten betra- gen bisweilen 15 und auch wol 24 Minuten, M. Liſterde cochleis S. 13. 38. 39.
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[920/0976]
Viertes Buch. Das Herz.
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oder des Fuſſes, nur mit einem beſondern Unterſchiede, den
ich gleich anfuͤhren will. Die zum Leben gehoͤrigen Be-
wegungen ſind allemal unentbehrlich; folglich ſiehet die
Seele wohl ein, wenn ſie nicht zugeben will, daß das aus
ungleichartigen Grundſtoffen zuſammengeſezte Blut in
eine Faͤulniß uͤbergehen ſoll, daß ſie daher nothwendig
den Umlauf des Blutes auf alle Weiſe befoͤrdern muͤſſe,
weil dieſer allein die Faͤulung abzuhalten vermoͤgend ſey.
Daher ſchlaͤgt das Herz auch im Schlafe; denn es ſchleicht
ſich der Schlaf nach dem Gutbefinden der Seele ein,
weil ſie, da ihr ſchon bekannt iſt, daß ihr Koͤrper einer
abwechſelnden Ruhe benoͤthiget ſey, die nicht ſo gar noth-
wendigen Bewegungen eine Zeitlang ausſezzet (s),
und unterdeſſen nur die nothwendigen unterhaͤlt. Auf
eben die Weiſe werden von der Seele, bei denen vom
Schlage geruͤhrten Perſonen, die ſinnlichen und willkuͤhr-
lichen Bewegungen unterlaſſen, damit ſie ihre Kraͤfte
fuͤr die nothwendige Verrichtungen ſparen koͤnne (t).
Die Anhaͤnger dieſes beruͤhmten Mannes pflegen ge-
meiniglich dieſe willkuͤhrliche Urſache der Bewegung des
Herzens mit einem beſondern Zeugniſſe zu beſtaͤtigen.
Sie ſagen, es haͤtte ein Officier (u), einige Zeit kurz vor
ſeinem wirklich erfolgten Tode, lediglich vermoͤge ſeines
Willens das Herz zum Stillſtehen gebracht, und ſich tod
ſtellen koͤnnen. Einige ziehen auch die zwiſchen denen
Herzſchlaͤgen vorkommende Pauſen hieher, die man oͤfters
an einem matten Thiere beobachtet (x): ſie glauben naͤm-
lich, man koͤnne daraus mit Recht ſchlieſſen, daß die See-
le
(s)
Theoria medica S. 437.
Nenter Phyſiolog. c. 10. S. 316.
Junker und andere.
(t) Sauvages oder Deshais
de Hemiplegia.
(u) Der Oberſte Townshend
beim Georg Cheyne english Ma-
lady, S. 307. Porterfields Eſ-
ſays of a Society at Edimburgh,
T. IV. S. 222. u. f.
(x) Dieſe Zwiſchenzeiten betra-
gen bisweilen 15 und auch wol 24
Minuten, M. Liſter de cochleis
S. 13. 38. 39.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 920. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/976>, abgerufen am 23.11.2024.
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