Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Buch. Das Herz.
ästigen Stämmen können gerechnet werden, da man doch
inzwischen siehet, daß Luft, Wasser, oder Queksilber,
welches man in die Blutadern des Herzens, oder in die
Schlagadern getrieben hat, wieder aus denselben heraus-
kommt. Jhr Erfinder war Vieussens (y), und die
Veranlassung zu seiner Erfindung war eine Hypothese.
Es suchte nämlich dieser berühmte Mann eine gährende
Materie (fermentum), welche dem Blute, in den Kam-
mern des Herzens, gewisse besondre Eigenschaften mit-
theilen sollte. Denn es kann die Blutader, welche sich
in die Höle des Herzens eröfnet, und von der die Am-
sterdamer
Zergliederer schon lange geredet hatten, zu
der erstern Classe gehöret haben (z). Nach Vieussens
Zeiten hat J. Adam Thebesius (a), und nachgehends
andre grosse Männer (b), auch ohnlängst der berühmte
Geisler (c), eben dergleichen vorgetragen. Hingegen
haben andere, entweder gegen diese kleine Mündungen
Zweifel erreget (d), oder doch in der That kein günstiges
Urtheil davon gefället (e). Folglich muß man die Ver-
suche als Zeugen annehmen, welche diese Sache bestäti-
gen können.

Man stekt ein Röhrchen in eine von den Blutadern
des Herzens, es mag die grosse, oder eine mittlere seyn,
welches gleich viel ist, weil sie alle an den meisten Orten
durch Aeste unter sich verbunden sind. Hierauf unter-
bindet man alle Blutaderstämme, so viel man deren mit
dem Faden fassen kann, nahe an den kleinen Mündungen.
Man treibet sodann Luft, gefärbtes Wasser, oder Quek-

silber
(y) [Spaltenumbruch] Jm Jahr 1706. in denen
Nouvelles decouvertes sur le coeur,
und nachgehends in dem Tractat
du coeur 17[1]5.
(z) Coll. priv. S. 10.
(a) Diss. de circulat. sanguin.
per cor. Leid.
1708. 4.
(b) Rochet in Galeria di Mi-
nerva. Tom.
7. S. 55. Phil. Ver-
[Spaltenumbruch] heyen
in Anat. Lancisius im an-
gezognen Werke. Kaauw, und an-
dere mehr.
(c) Jn seiner eigenen Streit-
schrift.
(d) J. Georg Duvernoy Com-
ment. acad. Petrop. T. II.
S. 295.
(e) Senac am angef. Ort S.
113. 115. 367.

Viertes Buch. Das Herz.
aͤſtigen Staͤmmen koͤnnen gerechnet werden, da man doch
inzwiſchen ſiehet, daß Luft, Waſſer, oder Quekſilber,
welches man in die Blutadern des Herzens, oder in die
Schlagadern getrieben hat, wieder aus denſelben heraus-
kommt. Jhr Erfinder war Vieuſſens (y), und die
Veranlaſſung zu ſeiner Erfindung war eine Hypotheſe.
Es ſuchte naͤmlich dieſer beruͤhmte Mann eine gaͤhrende
Materie (fermentum), welche dem Blute, in den Kam-
mern des Herzens, gewiſſe beſondre Eigenſchaften mit-
theilen ſollte. Denn es kann die Blutader, welche ſich
in die Hoͤle des Herzens eroͤfnet, und von der die Am-
ſterdamer
Zergliederer ſchon lange geredet hatten, zu
der erſtern Claſſe gehoͤret haben (z). Nach Vieuſſens
Zeiten hat J. Adam Thebeſius (a), und nachgehends
andre groſſe Maͤnner (b), auch ohnlaͤngſt der beruͤhmte
Geisler (c), eben dergleichen vorgetragen. Hingegen
haben andere, entweder gegen dieſe kleine Muͤndungen
Zweifel erreget (d), oder doch in der That kein guͤnſtiges
Urtheil davon gefaͤllet (e). Folglich muß man die Ver-
ſuche als Zeugen annehmen, welche dieſe Sache beſtaͤti-
gen koͤnnen.

Man ſtekt ein Roͤhrchen in eine von den Blutadern
des Herzens, es mag die groſſe, oder eine mittlere ſeyn,
welches gleich viel iſt, weil ſie alle an den meiſten Orten
durch Aeſte unter ſich verbunden ſind. Hierauf unter-
bindet man alle Blutaderſtaͤmme, ſo viel man deren mit
dem Faden faſſen kann, nahe an den kleinen Muͤndungen.
Man treibet ſodann Luft, gefaͤrbtes Waſſer, oder Quek-

ſilber
(y) [Spaltenumbruch] Jm Jahr 1706. in denen
Nouvelles decouvertes ſur le coeur,
und nachgehends in dem Tractat
du coeur 17[1]5.
(z) Coll. priv. S. 10.
(a) Diſſ. de circulat. ſanguin.
per cor. Leid.
1708. 4.
(b) Rochet in Galeria di Mi-
nerva. Tom.
7. S. 55. Phil. Ver-
[Spaltenumbruch] heyen
in Anat. Lanciſius im an-
gezognen Werke. Kaauw, und an-
dere mehr.
(c) Jn ſeiner eigenen Streit-
ſchrift.
(d) J. Georg Duvernoy Com-
ment. acad. Petrop. T. II.
S. 295.
(e) Senac am angef. Ort S.
113. 115. 367.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0780" n="724"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Viertes Buch. Das Herz.</hi></fw><lb/>
a&#x0364;&#x017F;tigen Sta&#x0364;mmen ko&#x0364;nnen gerechnet werden, da man doch<lb/>
inzwi&#x017F;chen &#x017F;iehet, daß Luft, Wa&#x017F;&#x017F;er, oder Quek&#x017F;ilber,<lb/>
welches man in die Blutadern des Herzens, oder in die<lb/>
Schlagadern getrieben hat, wieder aus den&#x017F;elben heraus-<lb/>
kommt. Jhr Erfinder war <hi rendition="#fr">Vieu&#x017F;&#x017F;ens</hi> <note place="foot" n="(y)"><cb/>
Jm Jahr 1706. in denen<lb/><hi rendition="#aq">Nouvelles decouvertes &#x017F;ur le coeur,</hi><lb/>
und nachgehends in dem Tractat<lb/><hi rendition="#aq">du coeur</hi> 17<supplied>1</supplied>5.</note>, und die<lb/>
Veranla&#x017F;&#x017F;ung zu &#x017F;einer Erfindung war eine Hypothe&#x017F;e.<lb/>
Es &#x017F;uchte na&#x0364;mlich die&#x017F;er beru&#x0364;hmte Mann eine ga&#x0364;hrende<lb/>
Materie (<hi rendition="#aq">fermentum</hi>), welche dem Blute, in den Kam-<lb/>
mern des Herzens, gewi&#x017F;&#x017F;e be&#x017F;ondre Eigen&#x017F;chaften mit-<lb/>
theilen &#x017F;ollte. Denn es kann die Blutader, welche &#x017F;ich<lb/>
in die Ho&#x0364;le des Herzens ero&#x0364;fnet, und von der die <hi rendition="#fr">Am-<lb/>
&#x017F;terdamer</hi> Zergliederer &#x017F;chon lange geredet hatten, zu<lb/>
der er&#x017F;tern Cla&#x017F;&#x017F;e geho&#x0364;ret haben <note place="foot" n="(z)"><hi rendition="#aq">Coll. priv.</hi> S. 10.</note>. Nach <hi rendition="#fr">Vieu&#x017F;&#x017F;ens</hi><lb/>
Zeiten hat J. Adam <hi rendition="#fr">Thebe&#x017F;ius</hi> <note place="foot" n="(a)"><hi rendition="#aq">Di&#x017F;&#x017F;. de circulat. &#x017F;anguin.<lb/>
per cor. Leid.</hi> 1708. 4.</note>, und nachgehends<lb/>
andre gro&#x017F;&#x017F;e Ma&#x0364;nner <note place="foot" n="(b)"><hi rendition="#fr">Rochet</hi><hi rendition="#aq">in Galeria di Mi-<lb/>
nerva. Tom.</hi> 7. S. 55. Phil. <hi rendition="#fr">Ver-<lb/><cb/>
heyen</hi> <hi rendition="#aq">in Anat.</hi> <hi rendition="#fr">Lanci&#x017F;ius</hi> im an-<lb/>
gezognen Werke. <hi rendition="#fr">Kaauw,</hi> und an-<lb/>
dere mehr.</note>, auch ohnla&#x0364;ng&#x017F;t der beru&#x0364;hmte<lb/><hi rendition="#fr">Geisler</hi> <note place="foot" n="(c)">Jn &#x017F;einer eigenen Streit-<lb/>
&#x017F;chrift.</note>, eben dergleichen vorgetragen. Hingegen<lb/>
haben andere, entweder gegen die&#x017F;e kleine Mu&#x0364;ndungen<lb/>
Zweifel erreget <note place="foot" n="(d)">J. Georg <hi rendition="#fr">Duvernoy</hi> <hi rendition="#aq">Com-<lb/>
ment. acad. Petrop. T. II.</hi> S. 295.</note>, oder doch in der That kein gu&#x0364;n&#x017F;tiges<lb/>
Urtheil davon gefa&#x0364;llet <note place="foot" n="(e)"><hi rendition="#fr">Senac</hi> am angef. Ort S.<lb/>
113. 115. 367.</note>. Folglich muß man die Ver-<lb/>
&#x017F;uche als Zeugen annehmen, welche die&#x017F;e Sache be&#x017F;ta&#x0364;ti-<lb/>
gen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
            <p>Man &#x017F;tekt ein Ro&#x0364;hrchen in eine von den Blutadern<lb/>
des Herzens, es mag die gro&#x017F;&#x017F;e, oder eine mittlere &#x017F;eyn,<lb/>
welches gleich viel i&#x017F;t, weil &#x017F;ie alle an den mei&#x017F;ten Orten<lb/>
durch Ae&#x017F;te unter &#x017F;ich verbunden &#x017F;ind. Hierauf unter-<lb/>
bindet man alle Blutader&#x017F;ta&#x0364;mme, &#x017F;o viel man deren mit<lb/>
dem Faden fa&#x017F;&#x017F;en kann, nahe an den kleinen Mu&#x0364;ndungen.<lb/>
Man treibet &#x017F;odann Luft, gefa&#x0364;rbtes Wa&#x017F;&#x017F;er, oder Quek-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ilber</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[724/0780] Viertes Buch. Das Herz. aͤſtigen Staͤmmen koͤnnen gerechnet werden, da man doch inzwiſchen ſiehet, daß Luft, Waſſer, oder Quekſilber, welches man in die Blutadern des Herzens, oder in die Schlagadern getrieben hat, wieder aus denſelben heraus- kommt. Jhr Erfinder war Vieuſſens (y), und die Veranlaſſung zu ſeiner Erfindung war eine Hypotheſe. Es ſuchte naͤmlich dieſer beruͤhmte Mann eine gaͤhrende Materie (fermentum), welche dem Blute, in den Kam- mern des Herzens, gewiſſe beſondre Eigenſchaften mit- theilen ſollte. Denn es kann die Blutader, welche ſich in die Hoͤle des Herzens eroͤfnet, und von der die Am- ſterdamer Zergliederer ſchon lange geredet hatten, zu der erſtern Claſſe gehoͤret haben (z). Nach Vieuſſens Zeiten hat J. Adam Thebeſius (a), und nachgehends andre groſſe Maͤnner (b), auch ohnlaͤngſt der beruͤhmte Geisler (c), eben dergleichen vorgetragen. Hingegen haben andere, entweder gegen dieſe kleine Muͤndungen Zweifel erreget (d), oder doch in der That kein guͤnſtiges Urtheil davon gefaͤllet (e). Folglich muß man die Ver- ſuche als Zeugen annehmen, welche dieſe Sache beſtaͤti- gen koͤnnen. Man ſtekt ein Roͤhrchen in eine von den Blutadern des Herzens, es mag die groſſe, oder eine mittlere ſeyn, welches gleich viel iſt, weil ſie alle an den meiſten Orten durch Aeſte unter ſich verbunden ſind. Hierauf unter- bindet man alle Blutaderſtaͤmme, ſo viel man deren mit dem Faden faſſen kann, nahe an den kleinen Muͤndungen. Man treibet ſodann Luft, gefaͤrbtes Waſſer, oder Quek- ſilber (y) Jm Jahr 1706. in denen Nouvelles decouvertes ſur le coeur, und nachgehends in dem Tractat du coeur 1715. (z) Coll. priv. S. 10. (a) Diſſ. de circulat. ſanguin. per cor. Leid. 1708. 4. (b) Rochet in Galeria di Mi- nerva. Tom. 7. S. 55. Phil. Ver- heyen in Anat. Lanciſius im an- gezognen Werke. Kaauw, und an- dere mehr. (c) Jn ſeiner eigenen Streit- ſchrift. (d) J. Georg Duvernoy Com- ment. acad. Petrop. T. II. S. 295. (e) Senac am angef. Ort S. 113. 115. 367.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/780
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 724. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/780>, abgerufen am 23.11.2024.