mehr zerlegt werden können. Wir müssen aber von den Fasern den Anfang machen, woraus der vornehmste Theil des Herzens bestehet. Sie sind allerdings mus- kelhaft, wenn man nicht entweder dem Galenus, der sich hierbei eines ziemlich subtilen Vernunftschlusses be- diente, daß sich nämlich das Herz, wenn man seine Ner- ven zerschnitten, nicht eben so, wie andre Muskeln, zu bewegen aufhöre, oder dem Hamberger Glauben bei- messen will (g), welcher seine Einwendung aus der Kü- che hernimmt. Viel richtiger nennt der Verfasser des Buches (h), welches unter den Hippocratischen Wer- ken aufbehalten worden, das Herz einen starken Mus- kel, und Celsus, der Nachfolger des Hippocrates, sagt, daß es von Natur muskelhaft sey (i). Unter den Neuern hat Nicol. Stenonis, der Sohn, die wahre Meinung wieder hergestellet (k), indem die Alten, und vornämlich Galenus, nicht glauben wollten, daß das- jenige könne ein Muskel genannt werden, was so offen- bar, und auf eine so vorzügliche Art, den Namen eines Eingeweides führte.
Es ist auch dieses ganz ausser allen Zweifel, daß man sehr selten bei Thieren wahrnimmt, daß die Herzfasern untereinander parallel und gerade fortlaufen, sondern sie sind vielmehr wirklich ästig und nezzförmig, und vereini- gen sich vermittelst ihrer Fortsäzze mit andern ihres glei- chen. Und eben daher entstehet die höchst mühsame Ent- wikkelung der Muskelschnüre am Herzen, weil die Fleisch- fasern überall unter sich zusammenhängen, und man kei- ne Schicht entblössen kann, daß man nicht zugleich eine (f)
Men-
(g)Physiol. med. S. 615. Es sey nämlich dies Fleisch von dem Fleische andrer Muskeln unter- schieden, und es lasse sich nicht so völlig weich kochen.
(h)[Spaltenumbruch][fremdsprachliches Material - 2 Wörter fehlen] n. 4.
(i)L. IV. c. 1.
(k)De Muscul. & gland. S. 22. Koppenhag. Ausgabe.
(f)[Spaltenumbruch]Administr. anat. L. VII. c. 10.
T t 5
Der Bau des Herzens.
mehr zerlegt werden koͤnnen. Wir muͤſſen aber von den Faſern den Anfang machen, woraus der vornehmſte Theil des Herzens beſtehet. Sie ſind allerdings mus- kelhaft, wenn man nicht entweder dem Galenus, der ſich hierbei eines ziemlich ſubtilen Vernunftſchluſſes be- diente, daß ſich naͤmlich das Herz, wenn man ſeine Ner- ven zerſchnitten, nicht eben ſo, wie andre Muskeln, zu bewegen aufhoͤre, oder dem Hamberger Glauben bei- meſſen will (g), welcher ſeine Einwendung aus der Kuͤ- che hernimmt. Viel richtiger nennt der Verfaſſer des Buches (h), welches unter den Hippocratiſchen Wer- ken aufbehalten worden, das Herz einen ſtarken Mus- kel, und Celſus, der Nachfolger des Hippocrates, ſagt, daß es von Natur muskelhaft ſey (i). Unter den Neuern hat Nicol. Stenonis, der Sohn, die wahre Meinung wieder hergeſtellet (k), indem die Alten, und vornaͤmlich Galenus, nicht glauben wollten, daß das- jenige koͤnne ein Muskel genannt werden, was ſo offen- bar, und auf eine ſo vorzuͤgliche Art, den Namen eines Eingeweides fuͤhrte.
Es iſt auch dieſes ganz auſſer allen Zweifel, daß man ſehr ſelten bei Thieren wahrnimmt, daß die Herzfaſern untereinander parallel und gerade fortlaufen, ſondern ſie ſind vielmehr wirklich aͤſtig und nezzfoͤrmig, und vereini- gen ſich vermittelſt ihrer Fortſaͤzze mit andern ihres glei- chen. Und eben daher entſtehet die hoͤchſt muͤhſame Ent- wikkelung der Muskelſchnuͤre am Herzen, weil die Fleiſch- faſern uͤberall unter ſich zuſammenhaͤngen, und man kei- ne Schicht entbloͤſſen kann, daß man nicht zugleich eine (f)
Men-
(g)Phyſiol. med. S. 615. Es ſey naͤmlich dies Fleiſch von dem Fleiſche andrer Muskeln unter- ſchieden, und es laſſe ſich nicht ſo voͤllig weich kochen.
(h)[Spaltenumbruch][fremdsprachliches Material – 2 Wörter fehlen] n. 4.
(i)L. IV. c. 1.
(k)De Muſcul. & gland. S. 22. Koppenhag. Ausgabe.
(f)[Spaltenumbruch]Adminiſtr. anat. L. VII. c. 10.
T t 5
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Der Bau des Herzens.
mehr zerlegt werden koͤnnen. Wir muͤſſen aber von den
Faſern den Anfang machen, woraus der vornehmſte
Theil des Herzens beſtehet. Sie ſind allerdings mus-
kelhaft, wenn man nicht entweder dem Galenus, der
ſich hierbei eines ziemlich ſubtilen Vernunftſchluſſes be-
diente, daß ſich naͤmlich das Herz, wenn man ſeine Ner-
ven zerſchnitten, nicht eben ſo, wie andre Muskeln, zu
bewegen aufhoͤre, oder dem Hamberger Glauben bei-
meſſen will (g), welcher ſeine Einwendung aus der Kuͤ-
che hernimmt. Viel richtiger nennt der Verfaſſer des
Buches (h), welches unter den Hippocratiſchen Wer-
ken aufbehalten worden, das Herz einen ſtarken Mus-
kel, und Celſus, der Nachfolger des Hippocrates,
ſagt, daß es von Natur muskelhaft ſey (i). Unter den
Neuern hat Nicol. Stenonis, der Sohn, die wahre
Meinung wieder hergeſtellet (k), indem die Alten, und
vornaͤmlich Galenus, nicht glauben wollten, daß das-
jenige koͤnne ein Muskel genannt werden, was ſo offen-
bar, und auf eine ſo vorzuͤgliche Art, den Namen eines
Eingeweides fuͤhrte.
Es iſt auch dieſes ganz auſſer allen Zweifel, daß man
ſehr ſelten bei Thieren wahrnimmt, daß die Herzfaſern
untereinander parallel und gerade fortlaufen, ſondern ſie
ſind vielmehr wirklich aͤſtig und nezzfoͤrmig, und vereini-
gen ſich vermittelſt ihrer Fortſaͤzze mit andern ihres glei-
chen. Und eben daher entſtehet die hoͤchſt muͤhſame Ent-
wikkelung der Muskelſchnuͤre am Herzen, weil die Fleiſch-
faſern uͤberall unter ſich zuſammenhaͤngen, und man kei-
ne Schicht entbloͤſſen kann, daß man nicht zugleich eine
Men-
(f)
(g) Phyſiol. med. S. 615. Es
ſey naͤmlich dies Fleiſch von dem
Fleiſche andrer Muskeln unter-
ſchieden, und es laſſe ſich nicht
ſo voͤllig weich kochen.
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(i) L. IV. c. 1.
(k) De Muſcul. & gland. S. 22.
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Adminiſtr. anat. L. VII. c. 10.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 665. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/721>, abgerufen am 23.11.2024.
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