Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Herzohren.
und es pfleget besonders an diesem Orte die Holader von
einem eignen Lungenlappen unterstüzzet zu werden. Die-
se untere Holader ist um etwas weiter, als die obere, und
es verhalten sich überhaupt ihre Durchmesser wie eins zu
anderthalb gegen einander (p).

Wir wollen vorerst die obere Holader von derjeni-
gen Seite beschreiben (q), wo dieselbe in den Herzbeutel
eingeschlossen ist. Hier ist sie kleiner, als die untere,
sie steiget gerade über sich in die Höhe, und kömmt in
derjenigen Gegend ganz ohne alle Aeste an, wo sie den
Herzbeutel, der daselbst angewachsen ist, aufnimt. Es
geschiehet ungemein selten, daß sich die ungepaarte Blut-
ader innerhalb der Herzbeutelhöle in die obere Holader
hineinbegiebt, und doch hat es Wilh. Cheselden (r),
und an einem Schweine Claudius Nicolaus le Cat (s)
wahrgenommen: an einem Affen scheinet dieser Bau
nichts ungewöhnliches zu seyn, indem Galenus (t)
denselben nicht anders beschreibt. Diesen Mann wi-
derlegte der gelehrte Vesalius mit seinen am Menschen
gemachten Versuchen (u), dem nachhero Jacob Syl-
vius
(x) ein lächerliches Argument entgegen sezte: er be-
hauptete nämlich, daß die Brust am Menschen ehemals
länger gewesen, als sie nun zu unsern Zeiten wäre, und
daher hätte die ungepaarte Ader, welche immerzu noth-
wendig einerlei Länge haben müste, zur damaligen Zeit
nicht über den Herzbeutel hinüber steigen können, wie
sie nun heutiges Tages, da unsre Brust kürzer wäre, zu
thun pflegte. Die Erdichtungen dieses hizzigen Greises
widerlegte Eustachius, der sonst ein strenger Verfech-

ter
(p) [Spaltenumbruch] Wie 12 zu 8 san-
[t]orin
Obs. anat.
S. 145.
(q) evstachivs T. XV. f. 2.
(r) Phil. Trans. n. 337.
(s) Histoire de l'Acad. roy. des
scienc. 1738. obs.
6. 7.
(t) [Spaltenumbruch] De administr. anat. L. VII.
c.
9.
(u) L. III. c. 7.
(x) In calumniae 17. depulsione,
S. 144.

Die Herzohren.
und es pfleget beſonders an dieſem Orte die Holader von
einem eignen Lungenlappen unterſtuͤzzet zu werden. Die-
ſe untere Holader iſt um etwas weiter, als die obere, und
es verhalten ſich uͤberhaupt ihre Durchmeſſer wie eins zu
anderthalb gegen einander (p).

Wir wollen vorerſt die obere Holader von derjeni-
gen Seite beſchreiben (q), wo dieſelbe in den Herzbeutel
eingeſchloſſen iſt. Hier iſt ſie kleiner, als die untere,
ſie ſteiget gerade uͤber ſich in die Hoͤhe, und koͤmmt in
derjenigen Gegend ganz ohne alle Aeſte an, wo ſie den
Herzbeutel, der daſelbſt angewachſen iſt, aufnimt. Es
geſchiehet ungemein ſelten, daß ſich die ungepaarte Blut-
ader innerhalb der Herzbeutelhoͤle in die obere Holader
hineinbegiebt, und doch hat es Wilh. Cheſelden (r),
und an einem Schweine Claudius Nicolaus le Cat (s)
wahrgenommen: an einem Affen ſcheinet dieſer Bau
nichts ungewoͤhnliches zu ſeyn, indem Galenus (t)
denſelben nicht anders beſchreibt. Dieſen Mann wi-
derlegte der gelehrte Veſalius mit ſeinen am Menſchen
gemachten Verſuchen (u), dem nachhero Jacob Syl-
vius
(x) ein laͤcherliches Argument entgegen ſezte: er be-
hauptete naͤmlich, daß die Bruſt am Menſchen ehemals
laͤnger geweſen, als ſie nun zu unſern Zeiten waͤre, und
daher haͤtte die ungepaarte Ader, welche immerzu noth-
wendig einerlei Laͤnge haben muͤſte, zur damaligen Zeit
nicht uͤber den Herzbeutel hinuͤber ſteigen koͤnnen, wie
ſie nun heutiges Tages, da unſre Bruſt kuͤrzer waͤre, zu
thun pflegte. Die Erdichtungen dieſes hizzigen Greiſes
widerlegte Euſtachius, der ſonſt ein ſtrenger Verfech-

ter
(p) [Spaltenumbruch] Wie 12 zu 8 san-
[t]orin
Obſ. anat.
S. 145.
(q) evstachivs T. XV. f. 2.
(r) Phil. Trans. n. 337.
(s) Hiſtoire de l’Acad. roy. des
ſcienc. 1738. obſ.
6. 7.
(t) [Spaltenumbruch] De adminiſtr. anat. L. VII.
c.
9.
(u) L. III. c. 7.
(x) In calumniae 17. depulſione,
S. 144.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0645" n="589"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Herzohren.</hi></fw><lb/>
und es pfleget be&#x017F;onders an die&#x017F;em Orte die Holader von<lb/>
einem eignen Lungenlappen unter&#x017F;tu&#x0364;zzet zu werden. Die-<lb/>
&#x017F;e untere Holader i&#x017F;t um etwas weiter, als die obere, und<lb/>
es verhalten &#x017F;ich u&#x0364;berhaupt ihre Durchme&#x017F;&#x017F;er wie eins zu<lb/>
anderthalb gegen einander <note place="foot" n="(p)"><cb/>
Wie 12 <formula notation="TeX">\{5}{12}</formula> zu 8 <formula notation="TeX">\{20}{22}</formula> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">san-<lb/><supplied>t</supplied>orin</hi> Ob&#x017F;. anat.</hi> S. 145.</note>.</p><lb/>
            <p>Wir wollen vorer&#x017F;t die obere Holader von derjeni-<lb/>
gen Seite be&#x017F;chreiben <note place="foot" n="(q)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">evstachivs</hi> T. XV. f.</hi> 2.</note>, wo die&#x017F;elbe in den Herzbeutel<lb/>
einge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t. Hier i&#x017F;t &#x017F;ie kleiner, als die untere,<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;teiget gerade u&#x0364;ber &#x017F;ich in die Ho&#x0364;he, und ko&#x0364;mmt in<lb/>
derjenigen Gegend ganz ohne alle Ae&#x017F;te an, wo &#x017F;ie den<lb/>
Herzbeutel, der da&#x017F;elb&#x017F;t angewach&#x017F;en i&#x017F;t, aufnimt. Es<lb/>
ge&#x017F;chiehet ungemein &#x017F;elten, daß &#x017F;ich die ungepaarte Blut-<lb/>
ader innerhalb der Herzbeutelho&#x0364;le in die obere Holader<lb/>
hineinbegiebt, und doch hat es Wilh. <hi rendition="#fr">Che&#x017F;elden</hi> <note place="foot" n="(r)"><hi rendition="#aq">Phil. Trans. n.</hi> 337.</note>,<lb/>
und an einem Schweine Claudius Nicolaus le <hi rendition="#fr">Cat</hi> <note place="foot" n="(s)"><hi rendition="#aq">Hi&#x017F;toire de l&#x2019;Acad. roy. des<lb/>
&#x017F;cienc. 1738. ob&#x017F;.</hi> 6. 7.</note><lb/>
wahrgenommen: an einem Affen &#x017F;cheinet die&#x017F;er Bau<lb/>
nichts ungewo&#x0364;hnliches zu &#x017F;eyn, indem <hi rendition="#fr">Galenus</hi> <note place="foot" n="(t)"><cb/><hi rendition="#aq">De admini&#x017F;tr. anat. L. VII.<lb/>
c.</hi> 9.</note><lb/>
den&#x017F;elben nicht anders be&#x017F;chreibt. Die&#x017F;en Mann wi-<lb/>
derlegte der gelehrte <hi rendition="#fr">Ve&#x017F;alius</hi> mit &#x017F;einen am Men&#x017F;chen<lb/>
gemachten Ver&#x017F;uchen <note place="foot" n="(u)"><hi rendition="#aq">L. III. c.</hi> 7.</note>, dem nachhero Jacob <hi rendition="#fr">Syl-<lb/>
vius</hi> <note place="foot" n="(x)"><hi rendition="#aq">In calumniae 17. depul&#x017F;ione,</hi><lb/>
S. 144.</note> ein la&#x0364;cherliches Argument entgegen &#x017F;ezte: er be-<lb/>
hauptete na&#x0364;mlich, daß die Bru&#x017F;t am Men&#x017F;chen ehemals<lb/>
la&#x0364;nger gewe&#x017F;en, als &#x017F;ie nun zu un&#x017F;ern Zeiten wa&#x0364;re, und<lb/>
daher ha&#x0364;tte die ungepaarte Ader, welche immerzu noth-<lb/>
wendig einerlei La&#x0364;nge haben mu&#x0364;&#x017F;te, zur damaligen Zeit<lb/>
nicht u&#x0364;ber den Herzbeutel hinu&#x0364;ber &#x017F;teigen ko&#x0364;nnen, wie<lb/>
&#x017F;ie nun heutiges Tages, da un&#x017F;re Bru&#x017F;t ku&#x0364;rzer wa&#x0364;re, zu<lb/>
thun pflegte. Die Erdichtungen die&#x017F;es hizzigen Grei&#x017F;es<lb/>
widerlegte <hi rendition="#fr">Eu&#x017F;tachius,</hi> der &#x017F;on&#x017F;t ein &#x017F;trenger Verfech-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ter</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[589/0645] Die Herzohren. und es pfleget beſonders an dieſem Orte die Holader von einem eignen Lungenlappen unterſtuͤzzet zu werden. Die- ſe untere Holader iſt um etwas weiter, als die obere, und es verhalten ſich uͤberhaupt ihre Durchmeſſer wie eins zu anderthalb gegen einander (p). Wir wollen vorerſt die obere Holader von derjeni- gen Seite beſchreiben (q), wo dieſelbe in den Herzbeutel eingeſchloſſen iſt. Hier iſt ſie kleiner, als die untere, ſie ſteiget gerade uͤber ſich in die Hoͤhe, und koͤmmt in derjenigen Gegend ganz ohne alle Aeſte an, wo ſie den Herzbeutel, der daſelbſt angewachſen iſt, aufnimt. Es geſchiehet ungemein ſelten, daß ſich die ungepaarte Blut- ader innerhalb der Herzbeutelhoͤle in die obere Holader hineinbegiebt, und doch hat es Wilh. Cheſelden (r), und an einem Schweine Claudius Nicolaus le Cat (s) wahrgenommen: an einem Affen ſcheinet dieſer Bau nichts ungewoͤhnliches zu ſeyn, indem Galenus (t) denſelben nicht anders beſchreibt. Dieſen Mann wi- derlegte der gelehrte Veſalius mit ſeinen am Menſchen gemachten Verſuchen (u), dem nachhero Jacob Syl- vius (x) ein laͤcherliches Argument entgegen ſezte: er be- hauptete naͤmlich, daß die Bruſt am Menſchen ehemals laͤnger geweſen, als ſie nun zu unſern Zeiten waͤre, und daher haͤtte die ungepaarte Ader, welche immerzu noth- wendig einerlei Laͤnge haben muͤſte, zur damaligen Zeit nicht uͤber den Herzbeutel hinuͤber ſteigen koͤnnen, wie ſie nun heutiges Tages, da unſre Bruſt kuͤrzer waͤre, zu thun pflegte. Die Erdichtungen dieſes hizzigen Greiſes widerlegte Euſtachius, der ſonſt ein ſtrenger Verfech- ter (p) Wie 12 [FORMEL] zu 8 [FORMEL] san- torin Obſ. anat. S. 145. (q) evstachivs T. XV. f. 2. (r) Phil. Trans. n. 337. (s) Hiſtoire de l’Acad. roy. des ſcienc. 1738. obſ. 6. 7. (t) De adminiſtr. anat. L. VII. c. 9. (u) L. III. c. 7. (x) In calumniae 17. depulſione, S. 144.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/645
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 589. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/645>, abgerufen am 23.11.2024.