fürchten darf. Dagegen trift das Blut, wenn es vom Herzen gegen die äussersten Gliedmassen getrieben wird, auf die offne Mündungen der Klappenhölen, es dringt in dieselben hinein, und indem es von dem blinden Ende derselben in seinem Laufe aufgehalten wird, so drengt es die Blutaderwand nach auswärts heraus, daß sie unter der Gestalt eines Knotens aufschwellen mus; es nöthigt die Klappe, sich gegen die Achse der Blutader wie ein auf- geblasenes Segel auszuspannen, und auf solche Art die Oefnung der Blutader im Lichten, so weit sie reichen kann, zu verschliessen: solchergestalt gehet die ankom- mende Welle des Blutes nicht selbst sogleich gerade fort, weil sie auf dem untersten Theil der Hölung derer Klap- pen zurükgehalten wird, sie läst auch die nächst darauf folgende Welle des Blutes eben so wenig hindurchgehen, als welche sonst bei der Achse der Blutader sich einen Weg bahnen würde, den aber anjezt diese vom Blute aufge- blähete, und zu beiden Seiten in die Blutaderhöle über- hängende Klappen entweder ganz und gar versperren, oder wenigstens merklich enger machen.
§. 3. Jhr wichtiger Nuzzen.
Man mus sich in der That verwundern, daß noch vor kurzem besonders ein mathematischer Arzneigelehr- ter (q) diesen so offenbaren Nuzzen, den die Klappen leisten, so wenig hat einsehen und erkennen wollen, daß er den Rüklauf des Blutes nach den äussersten Theilen in Zweifel gezogen, und sich daher eingebildet, man ha- be gar keiner Klappen nöthig, um diesen unrichtigen Lauf des Blutes zu verhindern. Wir werden so gleich zeigen, daß es allerdings, und zwar sehr oft rükwerts laufe. Ausserdem widersezzet sich der sehr starke Antrieb
des
(q)Georg. Ehrhard. hamberger Physiol. med. S. 84.
Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes.
fuͤrchten darf. Dagegen trift das Blut, wenn es vom Herzen gegen die aͤuſſerſten Gliedmaſſen getrieben wird, auf die offne Muͤndungen der Klappenhoͤlen, es dringt in dieſelben hinein, und indem es von dem blinden Ende derſelben in ſeinem Laufe aufgehalten wird, ſo drengt es die Blutaderwand nach auswaͤrts heraus, daß ſie unter der Geſtalt eines Knotens aufſchwellen mus; es noͤthigt die Klappe, ſich gegen die Achſe der Blutader wie ein auf- geblaſenes Segel auszuſpannen, und auf ſolche Art die Oefnung der Blutader im Lichten, ſo weit ſie reichen kann, zu verſchlieſſen: ſolchergeſtalt gehet die ankom- mende Welle des Blutes nicht ſelbſt ſogleich gerade fort, weil ſie auf dem unterſten Theil der Hoͤlung derer Klap- pen zuruͤkgehalten wird, ſie laͤſt auch die naͤchſt darauf folgende Welle des Blutes eben ſo wenig hindurchgehen, als welche ſonſt bei der Achſe der Blutader ſich einen Weg bahnen wuͤrde, den aber anjezt dieſe vom Blute aufge- blaͤhete, und zu beiden Seiten in die Blutaderhoͤle uͤber- haͤngende Klappen entweder ganz und gar verſperren, oder wenigſtens merklich enger machen.
§. 3. Jhr wichtiger Nuzzen.
Man mus ſich in der That verwundern, daß noch vor kurzem beſonders ein mathematiſcher Arzneigelehr- ter (q) dieſen ſo offenbaren Nuzzen, den die Klappen leiſten, ſo wenig hat einſehen und erkennen wollen, daß er den Ruͤklauf des Blutes nach den aͤuſſerſten Theilen in Zweifel gezogen, und ſich daher eingebildet, man ha- be gar keiner Klappen noͤthig, um dieſen unrichtigen Lauf des Blutes zu verhindern. Wir werden ſo gleich zeigen, daß es allerdings, und zwar ſehr oft ruͤkwerts laufe. Auſſerdem widerſezzet ſich der ſehr ſtarke Antrieb
des
(q)Georg. Ehrhard. hamberger Phyſiol. med. S. 84.
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Drittes Buch. Der Umlauf des Blutes.
fuͤrchten darf. Dagegen trift das Blut, wenn es vom
Herzen gegen die aͤuſſerſten Gliedmaſſen getrieben wird,
auf die offne Muͤndungen der Klappenhoͤlen, es dringt
in dieſelben hinein, und indem es von dem blinden Ende
derſelben in ſeinem Laufe aufgehalten wird, ſo drengt es
die Blutaderwand nach auswaͤrts heraus, daß ſie unter
der Geſtalt eines Knotens aufſchwellen mus; es noͤthigt
die Klappe, ſich gegen die Achſe der Blutader wie ein auf-
geblaſenes Segel auszuſpannen, und auf ſolche Art die
Oefnung der Blutader im Lichten, ſo weit ſie reichen
kann, zu verſchlieſſen: ſolchergeſtalt gehet die ankom-
mende Welle des Blutes nicht ſelbſt ſogleich gerade fort,
weil ſie auf dem unterſten Theil der Hoͤlung derer Klap-
pen zuruͤkgehalten wird, ſie laͤſt auch die naͤchſt darauf
folgende Welle des Blutes eben ſo wenig hindurchgehen,
als welche ſonſt bei der Achſe der Blutader ſich einen Weg
bahnen wuͤrde, den aber anjezt dieſe vom Blute aufge-
blaͤhete, und zu beiden Seiten in die Blutaderhoͤle uͤber-
haͤngende Klappen entweder ganz und gar verſperren, oder
wenigſtens merklich enger machen.
§. 3.
Jhr wichtiger Nuzzen.
Man mus ſich in der That verwundern, daß noch
vor kurzem beſonders ein mathematiſcher Arzneigelehr-
ter (q) dieſen ſo offenbaren Nuzzen, den die Klappen
leiſten, ſo wenig hat einſehen und erkennen wollen, daß
er den Ruͤklauf des Blutes nach den aͤuſſerſten Theilen
in Zweifel gezogen, und ſich daher eingebildet, man ha-
be gar keiner Klappen noͤthig, um dieſen unrichtigen
Lauf des Blutes zu verhindern. Wir werden ſo gleich
zeigen, daß es allerdings, und zwar ſehr oft ruͤkwerts
laufe. Auſſerdem widerſezzet ſich der ſehr ſtarke Antrieb
des
(q) Georg. Ehrhard. hamberger Phyſiol. med. S. 84.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/442>, abgerufen am 28.11.2024.
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