Gesezzt, man habe einem oder dem andern Theile des Körpers, nach der eingeführten Meinung, seine gewisse Verrichtung beige- legt, und man verlange zu wissen, ob dieses auch wirklich ihr wahres Amt sey, das man ihnen gewöhnlicher massen zueignet; so wird man solches niemals mit völligerer Gewis- heit bestimmen können, als wenn man solche Körper eröfnet, in denen dieser Theil verdor- ben gewesen. Jst nun diese Verrichtung un- verändert geblieben, da solches Werkzeug mit einem Fehler behaftet war, so muß dasselbe ohnstreitig denjenigen Nuzzen, den man ihm zugeschrieben hat, nicht leisten. Wofern hin- gegen in einem solchen Körper diejenige Function gemangelt hat, deren Werkzeug, dem man dieselbe zugeschrieben hat, verdor- ben ist, so lässet sich höchst wahrscheinlich daraus schliessen, daß die bisher unterlassene Verrichtung wirklich diesem Theile zugekom- men sey.
Da auch ferner diejenigen Bewegungen, worauf sich die ganze Phisiologie gründet, in denen kleinsten Theilgen oder sogenannten Elementen des Körpers geschehen, und unsre Augen eigentlich nur zu den Angelegenheiten dieses Lebens, und um dasjenige in der Fer- ne voraus zu sehen, was unserm Körper
Nuz-
Vorrede des Verfaſſers.
Geſezzt, man habe einem oder dem andern Theile des Koͤrpers, nach der eingefuͤhrten Meinung, ſeine gewiſſe Verrichtung beige- legt, und man verlange zu wiſſen, ob dieſes auch wirklich ihr wahres Amt ſey, das man ihnen gewoͤhnlicher maſſen zueignet; ſo wird man ſolches niemals mit voͤlligerer Gewis- heit beſtimmen koͤnnen, als wenn man ſolche Koͤrper eroͤfnet, in denen dieſer Theil verdor- ben geweſen. Jſt nun dieſe Verrichtung un- veraͤndert geblieben, da ſolches Werkzeug mit einem Fehler behaftet war, ſo muß daſſelbe ohnſtreitig denjenigen Nuzzen, den man ihm zugeſchrieben hat, nicht leiſten. Wofern hin- gegen in einem ſolchen Koͤrper diejenige Function gemangelt hat, deren Werkzeug, dem man dieſelbe zugeſchrieben hat, verdor- ben iſt, ſo laͤſſet ſich hoͤchſt wahrſcheinlich daraus ſchlieſſen, daß die bisher unterlaſſene Verrichtung wirklich dieſem Theile zugekom- men ſey.
Da auch ferner diejenigen Bewegungen, worauf ſich die ganze Phiſiologie gruͤndet, in denen kleinſten Theilgen oder ſogenannten Elementen des Koͤrpers geſchehen, und unſre Augen eigentlich nur zu den Angelegenheiten dieſes Lebens, und um dasjenige in der Fer- ne voraus zu ſehen, was unſerm Koͤrper
Nuz-
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[0022]
Vorrede des Verfaſſers.
Geſezzt, man habe einem oder dem andern
Theile des Koͤrpers, nach der eingefuͤhrten
Meinung, ſeine gewiſſe Verrichtung beige-
legt, und man verlange zu wiſſen, ob dieſes
auch wirklich ihr wahres Amt ſey, das man
ihnen gewoͤhnlicher maſſen zueignet; ſo wird
man ſolches niemals mit voͤlligerer Gewis-
heit beſtimmen koͤnnen, als wenn man ſolche
Koͤrper eroͤfnet, in denen dieſer Theil verdor-
ben geweſen. Jſt nun dieſe Verrichtung un-
veraͤndert geblieben, da ſolches Werkzeug mit
einem Fehler behaftet war, ſo muß daſſelbe
ohnſtreitig denjenigen Nuzzen, den man ihm
zugeſchrieben hat, nicht leiſten. Wofern hin-
gegen in einem ſolchen Koͤrper diejenige
Function gemangelt hat, deren Werkzeug,
dem man dieſelbe zugeſchrieben hat, verdor-
ben iſt, ſo laͤſſet ſich hoͤchſt wahrſcheinlich
daraus ſchlieſſen, daß die bisher unterlaſſene
Verrichtung wirklich dieſem Theile zugekom-
men ſey.
Da auch ferner diejenigen Bewegungen,
worauf ſich die ganze Phiſiologie gruͤndet,
in denen kleinſten Theilgen oder ſogenannten
Elementen des Koͤrpers geſchehen, und unſre
Augen eigentlich nur zu den Angelegenheiten
dieſes Lebens, und um dasjenige in der Fer-
ne voraus zu ſehen, was unſerm Koͤrper
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/22>, abgerufen am 24.11.2024.
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