wahrgenommen, die zum Tode verurtheilten (d) biswei- len mit fetten Leibe zur Lebensstrafe hingeführt. So gar kann man Karpen, wenn man sie in Moos einhül- let, um sie dadurch in einer ruhigen Unthätigkeit zu erhal- ten, und also im Keller aufbehält, fett machen (e).
Es trägt demnach alles dasjenige, was den Blut- lauf vermindert, wofern die Gesundheit nur vollkommen ist, das seinige zu der Fettmachung bei. Selbst das vierzig-und funfzigjährige Alter begünstigt diese Er- scheinung damit, daß die Herzschläge, und Umlaufskräf- te zu der Zeit nicht mehr so schnell und heftig sind, son- dern schon merklich nachlassen. Hingegen macht die Gemütssorge, und die Anstrengung derer Seelenkräfte den Körper sehr mager, und diejenigen sind jederzeit fet- ter, bey denen die Gemütsbewegungen mit gemässigten Feuer geschehen. Daher kam es, daß Caesar zu sagen pflegte: er fürchte sich vor den fetten und mit Salben eingeriebenen Männern nicht im mindsten; denn es er- kannte dieser scharfsinnige Herr sehr wohl, daß derglei- chen Leute sich weder das Beste des gemeinen Wesens, noch den Trieb zur unabhängigen Freiheit sehr zu Her- zen gehen lassen. Der bekante Jonath. Swift (denn man kann leichtlich errathen, von was für einem Manne eigentlich die Rede sey) blieb, so lange er mit Sorgen und Zorn beständig überhäuft, ungemein mager; er wurde aber ausnehmend fett, nachdem sich seine See- lenkräfte erschöpfet hatten, und er darüber kindisch wurde (f).
Solchemnach befördert auch ein öfteres Aderlassen, da- durch die Fettigkeit, daß es dem Herzen die Stachel, die es reizen, entwendet, und der ganzen Maschine ei-
ne
(d)[Spaltenumbruch]
Der berühmte Rhades in der angeführten Streitschrift S. 45.
(e)[Spaltenumbruch]razczynski Hist. nat. Polon. T. II. S. 211.
(f)baker de affect. anim. S. 20.
Erſtes Buch. Elementartheile
wahrgenommen, die zum Tode verurtheilten (d) biswei- len mit fetten Leibe zur Lebensſtrafe hingefuͤhrt. So gar kann man Karpen, wenn man ſie in Moos einhuͤl- let, um ſie dadurch in einer ruhigen Unthaͤtigkeit zu erhal- ten, und alſo im Keller aufbehaͤlt, fett machen (e).
Es traͤgt demnach alles dasjenige, was den Blut- lauf vermindert, wofern die Geſundheit nur vollkommen iſt, das ſeinige zu der Fettmachung bei. Selbſt das vierzig-und funfzigjaͤhrige Alter beguͤnſtigt dieſe Er- ſcheinung damit, daß die Herzſchlaͤge, und Umlaufskraͤf- te zu der Zeit nicht mehr ſo ſchnell und heftig ſind, ſon- dern ſchon merklich nachlaſſen. Hingegen macht die Gemuͤtsſorge, und die Anſtrengung derer Seelenkraͤfte den Koͤrper ſehr mager, und diejenigen ſind jederzeit fet- ter, bey denen die Gemuͤtsbewegungen mit gemaͤſſigten Feuer geſchehen. Daher kam es, daß Caeſar zu ſagen pflegte: er fuͤrchte ſich vor den fetten und mit Salben eingeriebenen Maͤnnern nicht im mindſten; denn es er- kannte dieſer ſcharfſinnige Herr ſehr wohl, daß derglei- chen Leute ſich weder das Beſte des gemeinen Weſens, noch den Trieb zur unabhaͤngigen Freiheit ſehr zu Her- zen gehen laſſen. Der bekante Jonath. Swift (denn man kann leichtlich errathen, von was fuͤr einem Manne eigentlich die Rede ſey) blieb, ſo lange er mit Sorgen und Zorn beſtaͤndig uͤberhaͤuft, ungemein mager; er wurde aber ausnehmend fett, nachdem ſich ſeine See- lenkraͤfte erſchoͤpfet hatten, und er daruͤber kindiſch wurde (f).
Solchemnach befoͤrdert auch ein oͤfteres Aderlaſſen, da- durch die Fettigkeit, daß es dem Herzen die Stachel, die es reizen, entwendet, und der ganzen Maſchine ei-
ne
(d)[Spaltenumbruch]
Der beruͤhmte Rhades in der angefuͤhrten Streitſchrift S. 45.
(e)[Spaltenumbruch]razczynski Hiſt. nat. Polon. T. II. S. 211.
(f)baker de affect. anim. S. 20.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0130"n="74"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Erſtes Buch. Elementartheile</hi></fw><lb/>
wahrgenommen, die zum Tode verurtheilten <noteplace="foot"n="(d)"><cb/>
Der beruͤhmte <hirendition="#fr">Rhades</hi> in<lb/>
der angefuͤhrten Streitſchrift S.<lb/>
45.</note> biswei-<lb/>
len mit fetten Leibe zur Lebensſtrafe hingefuͤhrt. So<lb/>
gar kann man Karpen, wenn man ſie in Moos einhuͤl-<lb/>
let, um ſie dadurch in einer ruhigen Unthaͤtigkeit zu erhal-<lb/>
ten, und alſo im Keller aufbehaͤlt, fett machen <noteplace="foot"n="(e)"><cb/><hirendition="#aq"><hirendition="#k">razczynski</hi> Hiſt. nat. Polon.<lb/>
T. II.</hi> S. 211.</note>.</p><lb/><p>Es traͤgt demnach alles dasjenige, was den Blut-<lb/>
lauf vermindert, wofern die Geſundheit nur vollkommen<lb/>
iſt, das ſeinige zu der Fettmachung bei. Selbſt das<lb/>
vierzig-und funfzigjaͤhrige Alter beguͤnſtigt dieſe Er-<lb/>ſcheinung damit, daß die Herzſchlaͤge, und Umlaufskraͤf-<lb/>
te zu der Zeit nicht mehr ſo ſchnell und heftig ſind, ſon-<lb/>
dern ſchon merklich nachlaſſen. Hingegen macht die<lb/>
Gemuͤtsſorge, und die Anſtrengung derer Seelenkraͤfte<lb/>
den Koͤrper ſehr mager, und diejenigen ſind jederzeit fet-<lb/>
ter, bey denen die Gemuͤtsbewegungen mit gemaͤſſigten<lb/>
Feuer geſchehen. Daher kam es, daß <hirendition="#fr">Caeſar</hi> zu ſagen<lb/>
pflegte: er fuͤrchte ſich vor den fetten und mit Salben<lb/>
eingeriebenen Maͤnnern nicht im mindſten; denn es er-<lb/>
kannte dieſer ſcharfſinnige Herr ſehr wohl, daß derglei-<lb/>
chen Leute ſich weder das Beſte des gemeinen Weſens,<lb/>
noch den Trieb zur unabhaͤngigen Freiheit ſehr zu Her-<lb/>
zen gehen laſſen. Der bekante Jonath. <hirendition="#fr">Swift</hi> (denn<lb/>
man kann leichtlich errathen, von was fuͤr einem Manne<lb/>
eigentlich die Rede ſey) blieb, ſo lange er mit Sorgen<lb/>
und Zorn beſtaͤndig uͤberhaͤuft, ungemein mager; er<lb/>
wurde aber ausnehmend fett, nachdem ſich ſeine See-<lb/>
lenkraͤfte erſchoͤpfet hatten, und er daruͤber kindiſch<lb/>
wurde <noteplace="foot"n="(f)"><hirendition="#aq"><hirendition="#k">baker</hi> de affect. anim.</hi><lb/>
S. 20.</note>.</p><lb/><p>Solchemnach befoͤrdert auch ein oͤfteres Aderlaſſen, da-<lb/>
durch die Fettigkeit, daß es dem Herzen die Stachel,<lb/>
die es reizen, entwendet, und der ganzen Maſchine ei-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ne</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[74/0130]
Erſtes Buch. Elementartheile
wahrgenommen, die zum Tode verurtheilten (d) biswei-
len mit fetten Leibe zur Lebensſtrafe hingefuͤhrt. So
gar kann man Karpen, wenn man ſie in Moos einhuͤl-
let, um ſie dadurch in einer ruhigen Unthaͤtigkeit zu erhal-
ten, und alſo im Keller aufbehaͤlt, fett machen (e).
Es traͤgt demnach alles dasjenige, was den Blut-
lauf vermindert, wofern die Geſundheit nur vollkommen
iſt, das ſeinige zu der Fettmachung bei. Selbſt das
vierzig-und funfzigjaͤhrige Alter beguͤnſtigt dieſe Er-
ſcheinung damit, daß die Herzſchlaͤge, und Umlaufskraͤf-
te zu der Zeit nicht mehr ſo ſchnell und heftig ſind, ſon-
dern ſchon merklich nachlaſſen. Hingegen macht die
Gemuͤtsſorge, und die Anſtrengung derer Seelenkraͤfte
den Koͤrper ſehr mager, und diejenigen ſind jederzeit fet-
ter, bey denen die Gemuͤtsbewegungen mit gemaͤſſigten
Feuer geſchehen. Daher kam es, daß Caeſar zu ſagen
pflegte: er fuͤrchte ſich vor den fetten und mit Salben
eingeriebenen Maͤnnern nicht im mindſten; denn es er-
kannte dieſer ſcharfſinnige Herr ſehr wohl, daß derglei-
chen Leute ſich weder das Beſte des gemeinen Weſens,
noch den Trieb zur unabhaͤngigen Freiheit ſehr zu Her-
zen gehen laſſen. Der bekante Jonath. Swift (denn
man kann leichtlich errathen, von was fuͤr einem Manne
eigentlich die Rede ſey) blieb, ſo lange er mit Sorgen
und Zorn beſtaͤndig uͤberhaͤuft, ungemein mager; er
wurde aber ausnehmend fett, nachdem ſich ſeine See-
lenkraͤfte erſchoͤpfet hatten, und er daruͤber kindiſch
wurde (f).
Solchemnach befoͤrdert auch ein oͤfteres Aderlaſſen, da-
durch die Fettigkeit, daß es dem Herzen die Stachel,
die es reizen, entwendet, und der ganzen Maſchine ei-
ne
(d)
Der beruͤhmte Rhades in
der angefuͤhrten Streitſchrift S.
45.
(e)
razczynski Hiſt. nat. Polon.
T. II. S. 211.
(f) baker de affect. anim.
S. 20.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/130>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.