Folglich ist der Weg aus den Schlagadern in die Zellhölungen ganz kurz, oder der nächste mögliche. Jn- dessen kömmt in dem gesunden Thiere noch die Fettmate- rie dazwischen; denn es läufet der Milchsaft, davon ein grosser Theil butterartig ist, ganz offenbar in dem Blu- te herum, und Bapt. Morgagni(l) bezeuget unwi- dersprechlich, daß aus den zerschnittnen Gefässen ein wirkliches Fett, unter der Gestalt von Tropfen, heraus- gelaufen. Jn den Gefässen der Frösche fand Marcell Malpigh das Fett fliessend, wiewohl mir dieses Glük noch niemals begegnet ist (m). Franz Glisson(n) und Frid. Ruysch haben in dem Blute skorbutischer Perso- nen Fett angetroffen (o).
Wenn das Fett also im Schlagaderblute herumfliest, wenn der Weg aus den Schlagdern längst aus in die herumliegende Fächerchen frei und offen ist, wenn über- dem, wie gezeiget werden soll, sich das Fett von freien Stükken an die Schlagaderwände anhängt, so sehe ich eben keine grosse Dunkelheiten in dem Punkte der Fett- absonderung herrschen, zu deren Erklärung der gar zu behutsame Winslow(p) keine Hofnung macht.
So kurz der Weg für das Fett bis in die Säkchen desselben ist, so geschwinde wird er von selbigem zurükke gelegt. Die Ortolans, diese den Grossen so angenehme Vögel, werden in einem Tage fett. Die Lerchen, die den Tag über mager waren, legen des Nachts viel Fett an (q). Man mästet Schweine nach vorgängigen Fa- sten und machet sie in dreien Tagen fett (r). So lässet sich auch an den Knaben, die in Krankheiten verloren ge- gangne rundlichgewölbte Weichheit der Haut in sehr kur- zer Zeit wieder herstellen.
Damit
(l)[Spaltenumbruch]Advers. anat. II. S. 16.
(m) Am angef. Ort S. 42. posth. S. 92.
(n) Am angef. Ort. S. 85.
(o)Advers. anat. II. S. 28.
(p)[Spaltenumbruch]Traite des Tegumens, N. 72.
(q)stahl Theor. med. S. 374.
(r)AristotelesHist. anim. L. VIII. K. 6.
Erſtes Buch. Elementartheile
Folglich iſt der Weg aus den Schlagadern in die Zellhoͤlungen ganz kurz, oder der naͤchſte moͤgliche. Jn- deſſen koͤmmt in dem geſunden Thiere noch die Fettmate- rie dazwiſchen; denn es laͤufet der Milchſaft, davon ein groſſer Theil butterartig iſt, ganz offenbar in dem Blu- te herum, und Bapt. Morgagni(l) bezeuget unwi- derſprechlich, daß aus den zerſchnittnen Gefaͤſſen ein wirkliches Fett, unter der Geſtalt von Tropfen, heraus- gelaufen. Jn den Gefaͤſſen der Froͤſche fand Marcell Malpigh das Fett flieſſend, wiewohl mir dieſes Gluͤk noch niemals begegnet iſt (m). Franz Gliſſon(n) und Frid. Ruyſch haben in dem Blute ſkorbutiſcher Perſo- nen Fett angetroffen (o).
Wenn das Fett alſo im Schlagaderblute herumflieſt, wenn der Weg aus den Schlagdern laͤngſt aus in die herumliegende Faͤcherchen frei und offen iſt, wenn uͤber- dem, wie gezeiget werden ſoll, ſich das Fett von freien Stuͤkken an die Schlagaderwaͤnde anhaͤngt, ſo ſehe ich eben keine groſſe Dunkelheiten in dem Punkte der Fett- abſonderung herrſchen, zu deren Erklaͤrung der gar zu behutſame Winslow(p) keine Hofnung macht.
So kurz der Weg fuͤr das Fett bis in die Saͤkchen deſſelben iſt, ſo geſchwinde wird er von ſelbigem zuruͤkke gelegt. Die Ortolans, dieſe den Groſſen ſo angenehme Voͤgel, werden in einem Tage fett. Die Lerchen, die den Tag uͤber mager waren, legen des Nachts viel Fett an (q). Man maͤſtet Schweine nach vorgaͤngigen Fa- ſten und machet ſie in dreien Tagen fett (r). So laͤſſet ſich auch an den Knaben, die in Krankheiten verloren ge- gangne rundlichgewoͤlbte Weichheit der Haut in ſehr kur- zer Zeit wieder herſtellen.
Damit
(l)[Spaltenumbruch]Advers. anat. II. S. 16.
(m) Am angef. Ort S. 42. poſth. S. 92.
(n) Am angef. Ort. S. 85.
(o)Adverſ. anat. II. S. 28.
(p)[Spaltenumbruch]Traité des Tégumens, N. 72.
(q)stahl Theor. med. S. 374.
(r)AriſtotelesHiſt. anim. L. VIII. K. 6.
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Erſtes Buch. Elementartheile
Folglich iſt der Weg aus den Schlagadern in die
Zellhoͤlungen ganz kurz, oder der naͤchſte moͤgliche. Jn-
deſſen koͤmmt in dem geſunden Thiere noch die Fettmate-
rie dazwiſchen; denn es laͤufet der Milchſaft, davon ein
groſſer Theil butterartig iſt, ganz offenbar in dem Blu-
te herum, und Bapt. Morgagni (l) bezeuget unwi-
derſprechlich, daß aus den zerſchnittnen Gefaͤſſen ein
wirkliches Fett, unter der Geſtalt von Tropfen, heraus-
gelaufen. Jn den Gefaͤſſen der Froͤſche fand Marcell
Malpigh das Fett flieſſend, wiewohl mir dieſes Gluͤk
noch niemals begegnet iſt (m). Franz Gliſſon (n) und
Frid. Ruyſch haben in dem Blute ſkorbutiſcher Perſo-
nen Fett angetroffen (o).
Wenn das Fett alſo im Schlagaderblute herumflieſt,
wenn der Weg aus den Schlagdern laͤngſt aus in die
herumliegende Faͤcherchen frei und offen iſt, wenn uͤber-
dem, wie gezeiget werden ſoll, ſich das Fett von freien
Stuͤkken an die Schlagaderwaͤnde anhaͤngt, ſo ſehe ich
eben keine groſſe Dunkelheiten in dem Punkte der Fett-
abſonderung herrſchen, zu deren Erklaͤrung der gar zu
behutſame Winslow (p) keine Hofnung macht.
So kurz der Weg fuͤr das Fett bis in die Saͤkchen
deſſelben iſt, ſo geſchwinde wird er von ſelbigem zuruͤkke
gelegt. Die Ortolans, dieſe den Groſſen ſo angenehme
Voͤgel, werden in einem Tage fett. Die Lerchen, die
den Tag uͤber mager waren, legen des Nachts viel Fett
an (q). Man maͤſtet Schweine nach vorgaͤngigen Fa-
ſten und machet ſie in dreien Tagen fett (r). So laͤſſet
ſich auch an den Knaben, die in Krankheiten verloren ge-
gangne rundlichgewoͤlbte Weichheit der Haut in ſehr kur-
zer Zeit wieder herſtellen.
Damit
(l)
Advers. anat. II. S. 16.
(m) Am angef. Ort S. 42. poſth.
S. 92.
(n) Am angef. Ort. S. 85.
(o) Adverſ. anat. II. S. 28.
(p)
Traité des Tégumens, N.
72.
(q) stahl Theor. med. S. 374.
(r) Ariſtoteles Hiſt. anim. L.
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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/128>, abgerufen am 24.11.2024.
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