Hahnemann, Samuel: Organon der rationellen Heilkunde. Dresden, 1810.
der Krankheit, für ihre innere, nächste, erste Ursache (prima causa) hat ausgeben können. Eine Sa- che oder ein Zustand bedürfen doch nur zum Werden einer ersten nächsten Ursache; wenn sie aber schon sind, so bedürfen sie zum Seyn nun keiner Ent- stehungs-, keiner ersten und nächsten Ur- sache mehr. Eben so dauert die nun einmahl ent- standne Krankheit fort, unabhängig von ihrer nächsten Entstehungs-Ursache und ohne daß diese noch dazuseyn braucht: ohne daß sie noch da ist. Wie hat man nun wohl ihre Wegnahme zur Hauptbe- dingung der Krankheitsheilung machen können? Unmöglich klebt einer fliegen- den Kugel eine prima causa ihres Flugs an, und was wir an ihr Verändertes bemer- ken können, ist blos eine abgeänderte Art ihrer Existenz, ein abgeänderter Zustand, und es würde mehr als lächerlich seyn, zu behaupten, man könne diesen Zustand nicht anders gründlich aufheben, man könne die Kugel nicht besser wieder in Ruhe bringen, als erst durch Ausforschung der prima causa ihres Flugs, und dann durch Hinwegnahme dieser metaphysisch erkann- ten prima causa -- oder durch Hinweg- nahme der diesem Fluge zum Grunde lie-
der Krankheit, für ihre innere, nächste, erste Ursache (prima causa) hat ausgeben können. Eine Sa- che oder ein Zustand bedürfen doch nur zum Werden einer ersten nächsten Ursache; wenn sie aber schon sind, so bedürfen sie zum Seyn nun keiner Ent- stehungs-, keiner ersten und nächsten Ur- sache mehr. Eben so dauert die nun einmahl ent- standne Krankheit fort, unabhängig von ihrer nächsten Entstehungs-Ursache und ohne daß diese noch dazuseyn braucht: ohne daß sie noch da ist. Wie hat man nun wohl ihre Wegnahme zur Hauptbe- dingung der Krankheitsheilung machen können? Unmöglich klebt einer fliegen- den Kugel eine prima causa ihres Flugs an, und was wir an ihr Verändertes bemer- ken können, ist blos eine abgeänderte Art ihrer Existenz, ein abgeänderter Zustand, und es würde mehr als lächerlich seyn, zu behaupten, man könne diesen Zustand nicht anders gründlich aufheben, man könne die Kugel nicht besser wieder in Ruhe bringen, als erst durch Ausforschung der prima causa ihres Flugs, und dann durch Hinwegnahme dieser metaphysisch erkann- ten prima causa — oder durch Hinweg- nahme der diesem Fluge zum Grunde lie- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <note place="end"><hi rendition="#g"><pb facs="#f0062" n="6"/> der Krankheit</hi>, für ihre <hi rendition="#g">innere,<lb/> nächste, erste Ursache (prima<lb/> causa)</hi> hat ausgeben können. Eine Sa-<lb/> che oder ein Zustand bedürfen doch <hi rendition="#g">nur<lb/> zum Werden</hi> einer ersten nächsten<lb/> Ursache; wenn sie aber schon <hi rendition="#g">sind</hi>, so<lb/> bedürfen sie <hi rendition="#g">zum Seyn</hi> nun keiner Ent-<lb/> stehungs-, keiner ersten und nächsten Ur-<lb/> sache mehr.<lb/> Eben so dauert die nun einmahl ent-<lb/> standne Krankheit fort, unabhängig von<lb/> ihrer nächsten Entstehungs-Ursache und<lb/> ohne daß diese noch dazuseyn braucht:<lb/> ohne daß sie noch da ist. Wie hat man<lb/> nun wohl ihre Wegnahme zur Hauptbe-<lb/> dingung der Krankheitsheilung machen<lb/> können? Unmöglich klebt einer fliegen-<lb/> den Kugel eine prima causa ihres Flugs an,<lb/> und was wir an ihr Verändertes bemer-<lb/> ken können, ist blos eine abgeänderte Art<lb/> ihrer Existenz, ein abgeänderter Zustand,<lb/> und es würde mehr als lächerlich seyn,<lb/> zu behaupten, man könne diesen Zustand<lb/> nicht anders gründlich aufheben, man<lb/> könne die Kugel nicht besser wieder in Ruhe<lb/> bringen, als erst durch Ausforschung der<lb/> prima causa ihres Flugs, und dann durch<lb/> Hinwegnahme dieser metaphysisch erkann-<lb/> ten prima causa — oder durch Hinweg-<lb/> nahme der diesem Fluge zum Grunde lie-<lb/></note> </div> </div> </body> </text> </TEI> [6/0062]
der Krankheit, für ihre innere,
nächste, erste Ursache (prima
causa) hat ausgeben können. Eine Sa-
che oder ein Zustand bedürfen doch nur
zum Werden einer ersten nächsten
Ursache; wenn sie aber schon sind, so
bedürfen sie zum Seyn nun keiner Ent-
stehungs-, keiner ersten und nächsten Ur-
sache mehr.
Eben so dauert die nun einmahl ent-
standne Krankheit fort, unabhängig von
ihrer nächsten Entstehungs-Ursache und
ohne daß diese noch dazuseyn braucht:
ohne daß sie noch da ist. Wie hat man
nun wohl ihre Wegnahme zur Hauptbe-
dingung der Krankheitsheilung machen
können? Unmöglich klebt einer fliegen-
den Kugel eine prima causa ihres Flugs an,
und was wir an ihr Verändertes bemer-
ken können, ist blos eine abgeänderte Art
ihrer Existenz, ein abgeänderter Zustand,
und es würde mehr als lächerlich seyn,
zu behaupten, man könne diesen Zustand
nicht anders gründlich aufheben, man
könne die Kugel nicht besser wieder in Ruhe
bringen, als erst durch Ausforschung der
prima causa ihres Flugs, und dann durch
Hinwegnahme dieser metaphysisch erkann-
ten prima causa — oder durch Hinweg-
nahme der diesem Fluge zum Grunde lie-
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