Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht so schlimm, denn fast ausnahmslos sind die Forderungen und Gebote der Gesellschaft berechtigt und oft viel tiefer begründet, als man auf den ersten Blick meinen mag, ja, es liegt in ihnen die sittliche Erfahrung langer Zeiten verborgen. Damit mag sich der trösten, der nicht in der glücklichen Lage war, gleich von Kind an in den Gewohnheiten und mit den Regeln des guten Tones aufzuwachsen, sondern sie sich erst spät, und freilich manchmal wohl mit vieler Mühe aneignen muß; denn dazu gezwungen wird er, mag er nun wollen oder nicht, wenn er nur irgendwie in einer Gesellschaft zu verkehren wünscht, die halbwegs den Anspruch macht, eine gebildete zu heißen. Gerade aber bei solchen Leuten macht sich oft aus Trotz eine unwillkürliche Opposition geltend, welche sie dann nur in einen um so schärferen Gegensatz zur Gesellschaft bringt; diese aber wird sich ihrer schnell genug entledigen, indem sie sie einfach beiseite liegen läßt.

Es ist darum nötig, sich zu bemühen, die Forderungen des guten Tones derart kennen zu lernen und so inne zu haben, daß man gar nicht anders handeln kann, als sie vorschreiben. Denn der "Feine Ton" soll nicht nur gleich sein den "Guten Manieren", sondern soll auch die Denkungsart

nicht so schlimm, denn fast ausnahmslos sind die Forderungen und Gebote der Gesellschaft berechtigt und oft viel tiefer begründet, als man auf den ersten Blick meinen mag, ja, es liegt in ihnen die sittliche Erfahrung langer Zeiten verborgen. Damit mag sich der trösten, der nicht in der glücklichen Lage war, gleich von Kind an in den Gewohnheiten und mit den Regeln des guten Tones aufzuwachsen, sondern sie sich erst spät, und freilich manchmal wohl mit vieler Mühe aneignen muß; denn dazu gezwungen wird er, mag er nun wollen oder nicht, wenn er nur irgendwie in einer Gesellschaft zu verkehren wünscht, die halbwegs den Anspruch macht, eine gebildete zu heißen. Gerade aber bei solchen Leuten macht sich oft aus Trotz eine unwillkürliche Opposition geltend, welche sie dann nur in einen um so schärferen Gegensatz zur Gesellschaft bringt; diese aber wird sich ihrer schnell genug entledigen, indem sie sie einfach beiseite liegen läßt.

Es ist darum nötig, sich zu bemühen, die Forderungen des guten Tones derart kennen zu lernen und so inne zu haben, daß man gar nicht anders handeln kann, als sie vorschreiben. Denn der „Feine Ton“ soll nicht nur gleich sein den „Guten Manieren“, sondern soll auch die Denkungsart

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0007" n="VII"/>
nicht so schlimm, denn fast ausnahmslos sind die Forderungen und Gebote der Gesellschaft berechtigt und oft viel tiefer begründet, als man auf den ersten Blick meinen mag, ja, es liegt in ihnen die sittliche Erfahrung langer Zeiten verborgen. Damit mag sich der trösten, der nicht in der glücklichen Lage war, gleich von Kind an in den Gewohnheiten und mit den Regeln des guten Tones aufzuwachsen, sondern sie sich erst spät, und freilich manchmal wohl mit vieler Mühe aneignen muß; denn dazu gezwungen wird er, mag er nun wollen oder nicht, wenn er nur irgendwie in einer Gesellschaft zu verkehren wünscht, die halbwegs den Anspruch macht, eine gebildete zu heißen. Gerade aber bei solchen Leuten macht sich oft aus Trotz eine unwillkürliche Opposition geltend, welche sie dann nur in einen um so schärferen Gegensatz zur Gesellschaft bringt; diese aber wird sich ihrer schnell genug entledigen, indem sie sie einfach beiseite liegen läßt.</p>
        <p>Es ist darum nötig, sich zu bemühen, die Forderungen des guten Tones derart kennen zu lernen und so inne zu haben, daß man gar nicht anders handeln kann, als sie vorschreiben. Denn der &#x201E;Feine Ton&#x201C; soll nicht nur gleich sein den &#x201E;Guten Manieren&#x201C;, sondern soll auch die Denkungsart
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[VII/0007] nicht so schlimm, denn fast ausnahmslos sind die Forderungen und Gebote der Gesellschaft berechtigt und oft viel tiefer begründet, als man auf den ersten Blick meinen mag, ja, es liegt in ihnen die sittliche Erfahrung langer Zeiten verborgen. Damit mag sich der trösten, der nicht in der glücklichen Lage war, gleich von Kind an in den Gewohnheiten und mit den Regeln des guten Tones aufzuwachsen, sondern sie sich erst spät, und freilich manchmal wohl mit vieler Mühe aneignen muß; denn dazu gezwungen wird er, mag er nun wollen oder nicht, wenn er nur irgendwie in einer Gesellschaft zu verkehren wünscht, die halbwegs den Anspruch macht, eine gebildete zu heißen. Gerade aber bei solchen Leuten macht sich oft aus Trotz eine unwillkürliche Opposition geltend, welche sie dann nur in einen um so schärferen Gegensatz zur Gesellschaft bringt; diese aber wird sich ihrer schnell genug entledigen, indem sie sie einfach beiseite liegen läßt. Es ist darum nötig, sich zu bemühen, die Forderungen des guten Tones derart kennen zu lernen und so inne zu haben, daß man gar nicht anders handeln kann, als sie vorschreiben. Denn der „Feine Ton“ soll nicht nur gleich sein den „Guten Manieren“, sondern soll auch die Denkungsart

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-03-19T14:09:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-19T14:09:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-19T14:09:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898/7
Zitationshilfe: Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898/7>, abgerufen am 03.12.2024.