Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Person der andern etwas gibt, muß diese sofort "Ich denke daran" (J'y pense) sagen, oder man macht aus, daß derjenige verloren hat, der von einer beliebigen Sache, die gerade das allgemeine Interesse bildet, zuerst wieder zu reden anfängt, oder endlich es wird bestimmt, daß der gewonnen hat, welcher den andern bei der nächsten Begegnung zuerst mit "Guten Morgen, Vielliebchen!" begrüßt. Bei diesem geselligen Vergnügen braucht man durchaus nicht galant zu sein, ja beide Teile müssen sich geradezu bemühen, den Gegner so schnell wie möglich "hereinfallen" zu lassen. Bei Vielliebchen wird kein bestimmter Gegenstand ausgemacht, den der Verlierer zu zahlen hat, das bleibt dem Takt des einzelnen überlassen. Er muß aber eben dann auch Takt haben! Am witzigsten ist es, wenn man durch irgend ein Geschenk eine schwache Seite des betreffenden Gewinners oder der Gewinnerin treffen kann; das muß man aus dem Gespräch herausbekommen, nur bedarf es natürlich großer Vorsicht, daß aus der unschuldigen Neckerei keine beabsichtigt scheinende Beleidigung wird. Doch kann es eine junge Dame, die vielleicht auf irgend einem geographischen Fehler im Gespräch ertappt worden ist, einem Herrn kaum übel nehmen, wenn er

Person der andern etwas gibt, muß diese sofort „Ich denke daran“ (J’y pense) sagen, oder man macht aus, daß derjenige verloren hat, der von einer beliebigen Sache, die gerade das allgemeine Interesse bildet, zuerst wieder zu reden anfängt, oder endlich es wird bestimmt, daß der gewonnen hat, welcher den andern bei der nächsten Begegnung zuerst mit „Guten Morgen, Vielliebchen!“ begrüßt. Bei diesem geselligen Vergnügen braucht man durchaus nicht galant zu sein, ja beide Teile müssen sich geradezu bemühen, den Gegner so schnell wie möglich „hereinfallen“ zu lassen. Bei Vielliebchen wird kein bestimmter Gegenstand ausgemacht, den der Verlierer zu zahlen hat, das bleibt dem Takt des einzelnen überlassen. Er muß aber eben dann auch Takt haben! Am witzigsten ist es, wenn man durch irgend ein Geschenk eine schwache Seite des betreffenden Gewinners oder der Gewinnerin treffen kann; das muß man aus dem Gespräch herausbekommen, nur bedarf es natürlich großer Vorsicht, daß aus der unschuldigen Neckerei keine beabsichtigt scheinende Beleidigung wird. Doch kann es eine junge Dame, die vielleicht auf irgend einem geographischen Fehler im Gespräch ertappt worden ist, einem Herrn kaum übel nehmen, wenn er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0222" n="212"/>
Person der andern etwas gibt, muß diese sofort &#x201E;Ich denke daran&#x201C; (<hi rendition="#aq">J&#x2019;y pense</hi>) sagen, oder man macht aus, daß derjenige verloren hat, der von einer beliebigen Sache, die gerade das allgemeine Interesse bildet, zuerst wieder zu reden anfängt, oder endlich es wird bestimmt, daß der gewonnen hat, welcher den andern bei der nächsten Begegnung zuerst mit &#x201E;Guten Morgen, Vielliebchen!&#x201C; begrüßt. Bei diesem geselligen Vergnügen braucht man durchaus nicht galant zu sein, ja beide Teile müssen sich geradezu bemühen, den Gegner so schnell wie möglich &#x201E;hereinfallen&#x201C; zu lassen. Bei Vielliebchen wird kein bestimmter Gegenstand ausgemacht, den der Verlierer zu zahlen hat, das bleibt dem Takt des einzelnen überlassen. Er muß aber eben dann auch Takt haben! Am witzigsten ist es, wenn man durch irgend ein Geschenk eine schwache Seite des betreffenden Gewinners oder der Gewinnerin treffen kann; das muß man aus dem Gespräch herausbekommen, nur bedarf es natürlich großer Vorsicht, daß aus der unschuldigen Neckerei keine beabsichtigt scheinende Beleidigung wird. Doch kann es eine junge Dame, die vielleicht auf irgend einem geographischen Fehler im Gespräch ertappt worden ist, einem Herrn kaum übel nehmen, wenn er
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[212/0222] Person der andern etwas gibt, muß diese sofort „Ich denke daran“ (J’y pense) sagen, oder man macht aus, daß derjenige verloren hat, der von einer beliebigen Sache, die gerade das allgemeine Interesse bildet, zuerst wieder zu reden anfängt, oder endlich es wird bestimmt, daß der gewonnen hat, welcher den andern bei der nächsten Begegnung zuerst mit „Guten Morgen, Vielliebchen!“ begrüßt. Bei diesem geselligen Vergnügen braucht man durchaus nicht galant zu sein, ja beide Teile müssen sich geradezu bemühen, den Gegner so schnell wie möglich „hereinfallen“ zu lassen. Bei Vielliebchen wird kein bestimmter Gegenstand ausgemacht, den der Verlierer zu zahlen hat, das bleibt dem Takt des einzelnen überlassen. Er muß aber eben dann auch Takt haben! Am witzigsten ist es, wenn man durch irgend ein Geschenk eine schwache Seite des betreffenden Gewinners oder der Gewinnerin treffen kann; das muß man aus dem Gespräch herausbekommen, nur bedarf es natürlich großer Vorsicht, daß aus der unschuldigen Neckerei keine beabsichtigt scheinende Beleidigung wird. Doch kann es eine junge Dame, die vielleicht auf irgend einem geographischen Fehler im Gespräch ertappt worden ist, einem Herrn kaum übel nehmen, wenn er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-03-19T14:09:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-19T14:09:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-19T14:09:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898/222
Zitationshilfe: Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hahn_verkehr_1898/222>, abgerufen am 05.12.2024.