Hahn, Alban von: Der Verkehr in der Guten Gesellschaft. 2. Auflage. Leipzig, ca. 1898.Ausnahme angesehen wird; warum also sein Kind von Anfang an in Gegensatz zu der ganzen übrigen Menschheit bringen? Empfindet es dereinst, wenn es erst selbst dazu Unterscheidungsvermögen genug bekommen hat, seinen christlichen Glauben als einen Zwang, so bedarf es nur sehr geringer Bemühungen, denselben abzuthun; umgedreht aber, erst später in die Gemeinschaft der Gläubigen, womöglich als Erwachsener, aufgenommen zu werden, ist mit so viel Umständen verbunden, daß der Betreffende dann freilich oft genug lieber ganz davon absieht. Und sind es nicht innere Gründe, die ein Elternpaar veranlassen könnten, ihr Kind taufen zu lassen, so sollten sie es doch wenigstens aus der praktischen Überlegung thun, daß sein keiner Religion Angehören dem späteren Jüngling, dem Mann in jeder Stellung hinderlich sein, ja sein Fortkommen geradezu in Frage stellen kann. Der Brautstand ist für gewöhnlich diejenige Zeit im Leben, in welcher sich die Beteiligten berechtigt glauben, die wenigste Rücksicht auf die Forderung der Gesellschaft nehmen und doch die größte für ihren Zustand beanspruchen zu dürfen. Besonders bei jungen Leuten pflegt diese Zeit ein Ausnahmezustand zu sein, und die umgebende Ausnahme angesehen wird; warum also sein Kind von Anfang an in Gegensatz zu der ganzen übrigen Menschheit bringen? Empfindet es dereinst, wenn es erst selbst dazu Unterscheidungsvermögen genug bekommen hat, seinen christlichen Glauben als einen Zwang, so bedarf es nur sehr geringer Bemühungen, denselben abzuthun; umgedreht aber, erst später in die Gemeinschaft der Gläubigen, womöglich als Erwachsener, aufgenommen zu werden, ist mit so viel Umständen verbunden, daß der Betreffende dann freilich oft genug lieber ganz davon absieht. Und sind es nicht innere Gründe, die ein Elternpaar veranlassen könnten, ihr Kind taufen zu lassen, so sollten sie es doch wenigstens aus der praktischen Überlegung thun, daß sein keiner Religion Angehören dem späteren Jüngling, dem Mann in jeder Stellung hinderlich sein, ja sein Fortkommen geradezu in Frage stellen kann. Der Brautstand ist für gewöhnlich diejenige Zeit im Leben, in welcher sich die Beteiligten berechtigt glauben, die wenigste Rücksicht auf die Forderung der Gesellschaft nehmen und doch die größte für ihren Zustand beanspruchen zu dürfen. Besonders bei jungen Leuten pflegt diese Zeit ein Ausnahmezustand zu sein, und die umgebende <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0137" n="127"/> Ausnahme angesehen wird; warum also sein Kind von Anfang an in Gegensatz zu der ganzen übrigen Menschheit bringen? Empfindet es dereinst, wenn es erst selbst dazu Unterscheidungsvermögen genug bekommen hat, seinen christlichen Glauben als einen Zwang, so bedarf es nur sehr geringer Bemühungen, denselben abzuthun; umgedreht aber, erst später in die Gemeinschaft der Gläubigen, womöglich als Erwachsener, aufgenommen zu werden, ist mit so viel Umständen verbunden, daß der Betreffende dann freilich oft genug lieber ganz davon absieht. Und sind es nicht innere Gründe, die ein Elternpaar veranlassen könnten, ihr Kind taufen zu lassen, so sollten sie es doch wenigstens aus der praktischen Überlegung thun, daß sein keiner Religion Angehören dem späteren Jüngling, dem Mann in jeder Stellung hinderlich sein, ja sein Fortkommen geradezu in Frage stellen kann.</p> <p>Der <hi rendition="#g">Brautstand</hi> ist für gewöhnlich diejenige Zeit im Leben, in welcher sich die Beteiligten berechtigt glauben, die wenigste Rücksicht auf die Forderung der Gesellschaft nehmen und doch die größte für ihren Zustand beanspruchen zu dürfen. Besonders bei jungen Leuten pflegt diese Zeit ein Ausnahmezustand zu sein, und die umgebende </p> </div> </body> </text> </TEI> [127/0137]
Ausnahme angesehen wird; warum also sein Kind von Anfang an in Gegensatz zu der ganzen übrigen Menschheit bringen? Empfindet es dereinst, wenn es erst selbst dazu Unterscheidungsvermögen genug bekommen hat, seinen christlichen Glauben als einen Zwang, so bedarf es nur sehr geringer Bemühungen, denselben abzuthun; umgedreht aber, erst später in die Gemeinschaft der Gläubigen, womöglich als Erwachsener, aufgenommen zu werden, ist mit so viel Umständen verbunden, daß der Betreffende dann freilich oft genug lieber ganz davon absieht. Und sind es nicht innere Gründe, die ein Elternpaar veranlassen könnten, ihr Kind taufen zu lassen, so sollten sie es doch wenigstens aus der praktischen Überlegung thun, daß sein keiner Religion Angehören dem späteren Jüngling, dem Mann in jeder Stellung hinderlich sein, ja sein Fortkommen geradezu in Frage stellen kann.
Der Brautstand ist für gewöhnlich diejenige Zeit im Leben, in welcher sich die Beteiligten berechtigt glauben, die wenigste Rücksicht auf die Forderung der Gesellschaft nehmen und doch die größte für ihren Zustand beanspruchen zu dürfen. Besonders bei jungen Leuten pflegt diese Zeit ein Ausnahmezustand zu sein, und die umgebende
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2013-03-19T14:09:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-03-19T14:09:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-03-19T14:09:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |