Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900.kann, ohne Leidenschaft für ein anderes Individuum, also für eine ganz andere Welt des Willens und der Vorstellung. Jede Liebe, jede Freundschaft ist Sclaverei, aber ihr Joch ist oft gar zu süß und ihre Bürde leicht. Doch die Schule war bitter. Und werde ich die Reifeprüfung bestehen, als ein Mensch, der über das Gute und Böse (das Kalt und Warm der sittlichen Weltanschauung, also wie die physikalischen Begriffe nur eine Differencierung) hinausragt und innerlich befreit ist und gerade deshalb, weil er die Herde so sehr verachtet, seiner einsamen Sonnenhöhe gegenüber aber Burgen der Geistesedlen schauen will und nicht den Fuß auf ihren Nacken setzt, sondern sie hinaufzuheben anstrebt? Ich handelte instinctiv, noch war ich mir des Endzwecks nicht bewußt, blind, tappend stieß ich die aufeinander wirkenden Empfindungen und Ereignisse vorwärts, die auch meine große Leidenschaft zermalmen sollten; aber nicht von innen her, sondern von außen mußte der Anstoß kommen und sich nach innen einfressen wie ein ätzendes Gift. 16. Nach einem trostlos verbrachten Nachmittag kehrte ich heim, um mich in Soireetoilette zu werfen. kann, ohne Leidenschaft für ein anderes Individuum, also für eine ganz andere Welt des Willens und der Vorstellung. Jede Liebe, jede Freundschaft ist Sclaverei, aber ihr Joch ist oft gar zu süß und ihre Bürde leicht. Doch die Schule war bitter. Und werde ich die Reifeprüfung bestehen, als ein Mensch, der über das Gute und Böse (das Kalt und Warm der sittlichen Weltanschauung, also wie die physikalischen Begriffe nur eine Differencierung) hinausragt und innerlich befreit ist und gerade deshalb, weil er die Herde so sehr verachtet, seiner einsamen Sonnenhöhe gegenüber aber Burgen der Geistesedlen schauen will und nicht den Fuß auf ihren Nacken setzt, sondern sie hinaufzuheben anstrebt? Ich handelte instinctiv, noch war ich mir des Endzwecks nicht bewußt, blind, tappend stieß ich die aufeinander wirkenden Empfindungen und Ereignisse vorwärts, die auch meine große Leidenschaft zermalmen sollten; aber nicht von innen her, sondern von außen mußte der Anstoß kommen und sich nach innen einfressen wie ein ätzendes Gift. 16. Nach einem trostlos verbrachten Nachmittag kehrte ich heim, um mich in Soiréetoilette zu werfen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0054" n="56"/> kann, ohne Leidenschaft für ein anderes Individuum, also für eine ganz andere Welt des Willens und der Vorstellung. Jede Liebe, jede Freundschaft ist Sclaverei, aber ihr Joch ist oft gar zu süß und ihre Bürde leicht.</p> <p>Doch die Schule war bitter. Und werde ich die Reifeprüfung bestehen, als ein Mensch, der über das Gute und Böse (das Kalt und Warm der sittlichen Weltanschauung, also wie die physikalischen Begriffe nur eine Differencierung) hinausragt und innerlich befreit ist und gerade deshalb, weil er die Herde so sehr verachtet, seiner einsamen Sonnenhöhe gegenüber aber Burgen der Geistesedlen schauen will und nicht den Fuß auf ihren Nacken setzt, sondern sie hinaufzuheben anstrebt? Ich handelte instinctiv, noch war ich mir des Endzwecks nicht bewußt, blind, tappend stieß ich die aufeinander wirkenden Empfindungen und Ereignisse vorwärts, die auch meine große Leidenschaft zermalmen sollten; aber nicht von innen her, sondern von außen mußte der Anstoß kommen und sich nach innen einfressen wie ein ätzendes Gift.</p> </div> <div n="2"> <head>16.</head><lb/> <p>Nach einem trostlos verbrachten Nachmittag kehrte ich heim, um mich in Soiréetoilette zu werfen. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0054]
kann, ohne Leidenschaft für ein anderes Individuum, also für eine ganz andere Welt des Willens und der Vorstellung. Jede Liebe, jede Freundschaft ist Sclaverei, aber ihr Joch ist oft gar zu süß und ihre Bürde leicht.
Doch die Schule war bitter. Und werde ich die Reifeprüfung bestehen, als ein Mensch, der über das Gute und Böse (das Kalt und Warm der sittlichen Weltanschauung, also wie die physikalischen Begriffe nur eine Differencierung) hinausragt und innerlich befreit ist und gerade deshalb, weil er die Herde so sehr verachtet, seiner einsamen Sonnenhöhe gegenüber aber Burgen der Geistesedlen schauen will und nicht den Fuß auf ihren Nacken setzt, sondern sie hinaufzuheben anstrebt? Ich handelte instinctiv, noch war ich mir des Endzwecks nicht bewußt, blind, tappend stieß ich die aufeinander wirkenden Empfindungen und Ereignisse vorwärts, die auch meine große Leidenschaft zermalmen sollten; aber nicht von innen her, sondern von außen mußte der Anstoß kommen und sich nach innen einfressen wie ein ätzendes Gift.
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Nach einem trostlos verbrachten Nachmittag kehrte ich heim, um mich in Soiréetoilette zu werfen.
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Zitationshilfe: | Hagenauer, Arnold: Muspilli. Linz u. a., 1900, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hagenauer_muspilli_1900/54>, abgerufen am 16.02.2025. |